CP: Frau Dr. Berger, aufgrund fehlerhafter Silikongelimplantate möchten sich viele Patientinnen von diesen trennen. Können Sie und sagen, wie der aktuelle stand der Eigenfetttherapie vor diesem Hintergrund ist?
Frau Dr. Berger: Gerade von Seiten der Presse und von Kollegen, die damit Publicity suchen, wird die Panik zurzeit besonders angeheizt. Auch wir bieten Silikongelimplantate an und haben konnten damit bisher gute Ergebnisse erzielen. Die Nachfrage nach Brustvergrößerungen mit Eigenfett steigt jedoch. Viele Patientinnen wollen sich prinzipiell kein Silikongelimplantat einsetzen lassen, was aufgrund der aktuellen Ereignisse natürlich nachvollziehbar ist. Doch seitdem die Forscher die regerative Kraft von adulten, sprich erwachsenen, Fettstammzellen erkannt und entwickelt haben, tun sich auch viele weitere Anwendungsgebiete auf.
CP: Welche Anwendungsmöglichkeiten gibt es noch?
Frau Dr. Berger: Grundsätzlich können fast alle Körperregionen, wie Wangen, Brust, Po oder Waden, damit wiederhergestellt oder vergrößert werden. Eine beliebte Methode ist die Brustvergrößerung mit Eigenfett. Gleichzeitig wird dadurch auch das Hautbild verbessert. Bei Silikongelimplantaten auftretende Kapselfibrosen können ebenso behandelt werden, indem durch einfache Fettinjektion das Kapselgewebe wieder weich gemacht wird.
Außerdem können angeborene und erworbene Deformitäten im Gesicht und am Körper rekonstruiert werden. Durch Fettinjektionsbehandlungen können harte, wulstige oder eingezogene Narben, zum Beispiel nach Verbrennung oder einem Kaiserschnitt gelindert der Problemwunden, die nicht heilen wollen, verschlossen werden.
Sogar bei Stimmbandlähmungen kann man heutzutage durch gezielte Eigenfettbehandlung die Phonetik des betroffenen Patienten wiederherstellen.
CP: Das sind wirklich vielfältige Behandlungsmöglichkeiten.
Frau Dr. Berger: Aber immer noch nicht alle. Natürlich lassen sich auch asymmetrische Brüste korrigieren oder nach einer Krebsoperation amputierte Brüste mit Eigenfett rekonstruieren. Mittlerweile sind sogar viele Kassen bereit, die Kosten dafür zu übernehmen. Eine weitere Entwicklung wird besonders viele Männer interessieren.
CP: Sie machen uns neugierig.
Frau Dr. Berger: Aus Fettstammzellen können im Labor unter anderem auch Haarzellen gezüchtet werden. Diese werden dann mit einer Spritze in die Kopfhaut eingebracht. Das ist im Vergleich zu den bisherigen Methoden eine revolutionäre Technik, weil sie viel weniger aufwändig und viel weniger blutig ist.
CP: Zum besseren Verständnis: Sie sprechen beim Ausgangsmaterial stets von adulten Fettstammzellen und nicht von embryonalen Stammzellen.
Frau Dr. Berger: Genau.
CP: Erleichtert das nicht die generelle Akzeptanz der Eigenfetttherapie?
Frau Dr. Berger: Ja, sicher. Die Stammzelltherapien, mit denen derzeit viel Reklame gemacht wird, finden momentan jedoch auf kommerzieller Basis kaum Anwendung. Grund ist die derzeitige juristische und haftungsrechtliche Situation in Europa. Verstehen Sie mich nicht falsch, auch ich bin von den Möglichkeiten fasziniert, die sich da auftun. Allerdings sind diese im Moment eher noch experimenteller Natur. Ein seriöser Arzt würde seine Patienten immer genauestens über die haftungsrechtlichen Situationen aufklären. Bei Behandlungsmethoden, die noch nicht zugelassen und daher auch nicht versicherbar sind, bleibt im schlimmsten Fall der Patient auf seinem Schaden sitzen. Das muss man ganz klar so sehen.
Dazu kommt, dass eine Stammzellanreicherung z.B. zur Erhöhung der Fettanwachsrate gar nicht mehr nötig ist, das ist fast schon Schnee von gestern. Mit einer Spezialzentrifuge können gleichwertige Ergebnisse ohne extra Stammzellen erzielt werden.
CP: Weckt diese Situation nicht das Interesse von Kollegen, die es damit nicht so genau nehmen?
Frau Dr. Berger: Ja, und zwar meist von fachfremden Operateuren, den so genannten "Schönheitschirurgischen Taliban". Sie werden so genannt, weil sie genauso aggressiv und mit genauso wenig Legitimation vorgehen. Die Eigenfetttherapie ist eine von plastischen Chirurgen für plastische Chirurgen entwickelte Behandlungsform. Nur wer eine Ausbildung in diesem Bereich hat und über die nötige Anwendungspraxis verfügt, kann die Vielzahl neuer, raffinierter Methoden auch wirklich beherrschen. Kenntnisse bezüglich Fettentnahme, Fettbearbeitung und Fetttransfer sind hier besonders wichtig.
Aus Profitgier werden oft schnelle und unrealistische Ergebnisse versprochen. Pro Sitzung können nicht mehr als 50 % Fetteinwachsrate mit einem konventionellen Verfahren erzielt werden, das ist klar. Auch bei den High-Tech-Verfahren gilt: einen Volumenzuwachs von 100% findet man höchstens bei Grimms Märchen und Sie wissen hoffentlich, was Sie von solchen vollmundigen Versprechungen zu halten haben. Außerdem wird auch gerne ohne Facharzt für Anästhesie und nicht steril genug gearbeitet. Ich habe schon Fernsehbilder einer „Schönheitschirurgin" gesehen, deren langer Haarzopf während der Operation ins OP Feld hineinragte Das hat mit chirurgischen Prinzipien und Sterilität nichts mehr zu tun.
CP: Welche Fehler werden noch gemacht?
Frau Dr. Berger: Mitunter wird auch eingefrorenes und wieder aufgetautes Fett injiziert. Es ist bereits seit langem bekannt ist, dass die Zellen das Einfrieren nicht überleben, also nicht einwachsen können.
In meiner Praxis haben wir eine etwas andere Vorstellung von einer qualitätsgesicherten Operation.
Die OP wird von einem sechsköpfigen Spezialistenteam durchgeführt. Zu diesem gehört natürlich auch ein Narkosearzt. Wir achten auf strengste Sterilität und selbstverständlich auf eine korrekte Vor- und Nachsorge zu der eine prä- und postoperative Mammographie, eine prophylaktische Antibiose und eine Thromboembolieprophylaxe gehören. Das kann bis zu zehn Tage lang Heparinspritzen nach der OP bedeuten. Mit Weniger sollten sich Patienten nicht zufrieden geben.
CP: Bei der Eigenfetttherapie scheint Deutschland hinterher zu hinken. Ist das Richtig?
Frau Dr. Berger: Ja, das stimmt. Diese Therapieform steckt bei uns noch in den Kinderschuhen. Was derzeit auf den Podien deutscher Kongresse präsentiert wird, erinnert leider zunehmend an eine Komödie von Shakespeare: „Viel Lärm um Nichts".
CP: Sehen Sie Chancen für ein Umdenken?
Frau Dr. Berger: Ja, da bin ich ganz optimistisch. Wenn letztendlich der Sachverstand die Oberhand gewinnt, wird Bio-Shaping mit Eigenfett auch bei uns den angemessenen Stellenwert erhalten.
CP: Vielen Dank für Ihre Zeit.
Letzte Aktualisierung am 10.04.2019.