Mutterliebe gilt als eine Garantie für glückliche, gesunde Kinder. Falsch verstanden, kann sie jedoch Kindern auch ein negatives Erbe mitgeben. Das gilt sowohl für ein Zuviel des Guten als auch für massive Essstörungen, beide werden nachweislich nicht nur vorgelebt, sondern quasi vom Babyalter an anerzogen.
In einer Studie wurden 281 Mütter von den Forschern mit Zeichnungen von Kleinkindern konfrontiert. Einige davon waren mager, andere wohlgenährt bis mollig. Die Mütter sollten aus den Abbildungen die mit der größten Ähnlichkeit mit dem eigenen Kind auswählen. Es stellte sich heraus, dass bei diesem Test beinahe 70% der Mütter die Körpermaße des eigenen Babies falsch einschätzten, darunter fast alle Mütter, deren Kinder selbst übergewichtig waren! Und genau diese Gruppe stufte das eigene Kleinkind als normalgewichtig ein.
Offenbar sind die Vorstellungen über Normalgewicht und gesunde Körperproportionen bei vielen Eltern stark verzerrt. Die aus Großelternzeiten überkommene Vorstellung, dass kräftige Beinchen und Grübchen im Knie ein Zeichen von Gesundheit und liebevoller Fürsorge sind, hält sich in vielen Köpfen, pummelige Kleinkinder gelten als besonders niedlich.
Dabei ist längst erwiesen, dass der gepriesene „Babyspeck“ häufig der Grundstock ist für Übergewicht im späteren Leben. Zuweilen „verwächst“ sich besagter Babyspeck, aber in vielen Fällen tut er das nicht.
Die Mütter gerade der übergewichtigen Kinder in der Studie waren fast durchgehend sehr zufrieden mit dem Gewicht ihres Kindes. Und ihre Sichtweise ist auch nicht etwa auf Bevölkerungsschichten mit niedrigem Einkommen beschränkt, sondern weit verbreitet. Wer allerdings ein übergewichtiges Kind nicht als solches sieht, wird ihm kaum helfen können, sich gesünder zu ernähren oder mehr zu bewegen. Auffallend ist auch die Beobachtung, dass übergewichtige Kinder in Anwesenheit der Eltern schneller und mehr essen, in deren Abwesenheit essen sie weder mehr noch hastiger als normalgewichtige Kinder.
Hier ist der Einfluss der Eltern auf die Essgewohnheiten der Kinder offensichtlich.
Bei Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie ergeben sich ganz ähnliche Verzerrungen der Wahrnehmung. Mütter, die selbst unter solchen Störungen leiden, definieren die Attraktivität vor allem ihrer Töchter über deren Körpergewicht, das sie stets chronisch als „zu hoch“ einstufen. Diese Denkweise samt der dazugehörigen „Köperunzufriedenheit“ und dem entsprechenden Ess-Verhalten werden dabei nicht nur vorgelebt, sondern anerzogen, und so wird ein gestörtes Verhältnis zum eigenen Körper und zur Nahrungsaufnahme quasi vererbt.
aktualisiert am 21.05.2019