Auf der Suche nach neuen Wegen in der Krebsbekämpfung haben Wissenschaftler an der Washington University School of Medicine in St. Louis, USA, synthetische Moleküle entwickelt, die im Versuch die Vorzüge zweier RNA-Varianten verbinden und in der Lage sind, Zellwachstum und Zellausbreitung zu verhindern.

Synthetische RNA kann Krebszellen blockieren
Die RNA ist der DNA verwandt und sorgt, vereinfacht ausgedrückt, für die Umsetzung genetischer Befehle und den entsprechenden Aufbau von Proteinen.
Xiaowei Wang, Lehrstuhlinhaber für Bestrahlungsonkologie an der Fakultät für Medizin der genannten Universität und ein Forschungsmitglied des Siteman Krebs-Zentrums, erklärt die Vorgehensweise: Zwei verschiedene Typen von RNA, siRNA und microRNA, bringen Gensignale entweder zum Ausdruck oder schalten sie aus. Für therapeutische Zwecke werden RNAs oder siRNAs künstlich in einem Labor entwickelt.
Die siRNA-Moleküle können bestimmte Gene in ihrer Ausbildung stoppen, weil ein Teil ihrer Molekülsequenz und die ihres Ziel-Gens perfekt aufeinanderpassen. Dadurch kann das Gen keine anderen Verbindungen eingehen und nicht aktiv werden. Die gefährlichen Nebenwirkungen bestehen darin, dass die siRNAs auch einige harmlose, aber für die Körperfunktionen wichtige Gene blockieren können, sofern deren „Schlüssel-Region“ nur der ihrer gewöhnlichen Ziel-Gene stark genug ähnelt.
„Wir können nie alle Nebenwirkungen vorhersagen, die eine spezielle siRNA auslösen kann“, sagt Wang. „Früher versuchten wir, die Schlüssel-Region zu blockieren, um Nebenwirkungen zu verhindern. Diesen Sektor vollständig zu entfernen oder zu ersetzen, ist ein neuer Ansatz“.
Wang und seine Kollegen fragten sich, ob sie die Schlüssel-Region einer siRNA gegen das entsprechende Areal einer microRNA austauschen könnten. Anders als siRNA ist microRNA ein Teil des körpereigenen genetischen Ausdrucks, reagiert aber nur auf ihre „natürlichen Ziele“. Die Nebenwirkungen beim Einsatz der künstlichen siRNA durch einen Angriff auf andere, lebenswichtige Gene entfallen damit.
Mittels Computeranalyse und Algorithmen entwickelten Wang und seine Kollegen künstliche siRNA-Sequenzen gegen ein bekanntes Gen, das Krebs auslösen kann, AKT1 genannt: Es fördert unkontrolliertes Zellwachstum.
Dann wurde versucht, zusätzlich die Schlüssel-Region eines microRNA einzubauen, die die Agilität von Zellen hemmt: So sollte das gefürchtete Streuen von Krebszellen verhindert werden. Im Laborversuch könnte solch ein synthetisches RNA-Molekül tatsächlich sowohl die Zellteilung als auch deren Bewegungen verhindern.
Die Suche nach den drei siRNAs unter 1000, die das Gen AKT1 blockieren können und deren Schlüssel-Region der einer microRNA entspricht, war schwierig. Man ersetzte nun mit den entsprechenden microRNA-Sequenzen die Schlüssel-Regionen in den drei gefundenen siRNAs. Das Ergebnis dieses Syntheseprozesses nannten sie aiRNA, artificial interfering, also künstliche Verhinderungs-RNA, und erprobten sie im Labor an Krebszellen.
Dr. Wang berichtet: „An Krebszellen im Labor konnten wir nachweisen, dass unsere künstliche RNA die Funktionen zweier unterschiedlicher Moleküle kombiniert, indem sie Zellwanderung und Zellvermehrung gleichermaßen erfolgreich verhindern kann.“
Die neue Technologie ist erstaunlich flexibel und macht Hoffnung auf neue Krebstherapien.
Quelle: Jiang Z, Liu W, Wang Y, Gao Z, Gao G, Wang X. Rational design of microRNA-siRNA chimeras for multifunctional target suppression. RNA. Dezember 2013