Dass als Ursache für Migräne eine genetische Veranlagung mit im Spiel sein könnte, diesen Verdacht hegen Mediziner schon lange. Eine aktuelle Studie in den USA hat nun erstmals tatsächlich ein defektes Gen als Übeltäter identifiziert. Träger dieses Gens leiden zusätzlich unter einem gestörten Schlafrhythmus und einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit.
Die Wissenschaftler der University of California in San Francisco veröffentlichten ihre Studienergebnisse im Fachjournal „Science Translational Medicine“.
Eine Migräneattacke macht sich in der Regel mit Seh-Störungen oder visuellen Ausfallerscheinungen, begleitet oder gefolgt von häufig einseitigem pochendem Kopfschmerz bemerkbar. Auch Übelkeit bis zum Erbrechen und starke Niedergeschlagenheit gehören dazu, sowie vielfach eine erhöhte Licht- und Lärmempfindlichkeit. Und während viele Auslöser, sogenannte „Trigger“, inzwischen bekannt sind, wie Stress, die Aufnahme bestimmter Nahrungsmittel und starke sensorische Reize, kommen Wissenschaftler den eigentlichen Ursachen der Migräne erst langsam auf die Spur.
Migräne wird von Medizinern als eine Funktionsstörung im Gehirn bezeichnet. Hauptsächlich beteiligt ist dabei der Trigeminus-Nerv, der für die Blutversorgung in Hirnhaut und Gehirn zuständig ist. Der Nerv wird bei einer Migräneattacke offenbar zeitweilig von seiner eigenen Versorgung abgeschnitten. Während einer Migräneattacke kann zudem stellenweise eine erhöhte Durchblutung im Hirnstamm gemessen werden: Dabei werden Botenstoffe ausgeschüttet, die wiederum die Ursache für gedehnte Blutgefäße und die Bildung winziger Entzündungsherde sind. Beides löst die pulsierenden Kopfschmerzen aus und steigert die Schmerzempfindlichkeit. Wirksame Migränemedikamente können die Symptome lindern.
Studienleiter Louis Ptáček und seine Kollegen gehen davon aus, dass noch andere, bislang unentdeckte Gene mit der Entstehung von Migräne in Verbindung stehen könnten. Zu diesem Schluss kamen sie, nachdem sie 14 Patienten aus einer migräne-belasteten Familie und eine zweite Vergleichsgruppe intensiv untersucht hatten.
Die Versuchspersonen wiesen alle eine Gemeinsamkeit auf: Das Gen, das für die Produktion des Enzyms Caseinkinase verantwortlich ist, war mutiert, die Enzymproduktion dadurch reduziert. Dies brachte offenbar auch die „Innere Uhr“ der Probanden durcheinander: Ihr Tag-Nacht-Rhythmus war gestört. Das Enzym beeinflusst wahrscheinlich bestimmte Signalwege im Gehirn, die sowohl das Schlafverhalten als auch die Neigung zu Migräne-Symptomen beeinflussen.
Im Tierversuch wurde nun gezielt das Caseinkinase-Gen unter die Lupe genommen: Wird es in seiner mutierten Form auf Mäuse übertragen, zeigen sie ganz ähnliche Krankheitszeichen wie Migränepatienten, werden empfindlicher auf Lärm- und Lichtreize und reagieren stärker auf Schmerz. Vom Enzym Caseinkinase ist inzwischen bekannt, dass es Proteinstrukturen verändert. Nächstes Forschungsziel ist daher, herauszufinden, welche Proteine im Einzelnen betroffen und dabei für die Entstehung von Migräne relevant sind. Auf der Basis künftiger Ergebnisse können, so die Hoffnung, neue Behandlungsmöglichkeiten und Therapien entwickelt werden.
aktualisiert am 29.05.2013