Leuchtendes Licht, Wärme, Ablösung vom Körper, ein rascher Ablauf des Lebens vor dem inneren Auge – derartige Details wurden bereits von zahlreichen Menschen beschrieben, die sogenannte Nahtod-Erfahrungen (NDEs) durchlebten, Phänomene, die in der medizinischen und wissenschaftlichen Welt stets skeptisch aufgenommen wurden. Viele Experten bezeichnen solche Berichte schlicht als Ergebnis von Halluzinationen oder Illusionen. Auch bestimmte Anästhetika lösen die beschriebenen Gefühle wie Loslösung vom Körper, Frieden oder gar Euphorie aus.
Nun haben auch neue, streng wissenschaftlich durchgeführte Studien nur neue Rätsel geliefert: Eine der ersten objektiven Erhebungen zu diesem Thema beendete kürzlich ein Team der Universität Southampton unter Dr. Sam Parnia. Er hatte über einen Zeitraum von vier Jahren eine Anzahl von Patienten nach einem Herzstillstand untersucht und befragt.
Die Studie wurde bezeichnenderweise AWARE benannt, die Abkürzung bedeutet übersetzt etwa „Bewusste Wahrnehmung während der Wiederbelebung“. Dabei wurde die gesamte Bandbreite der Erfahrungen bei einem Herzstillstand unter Verwendung von objektiven Markern und anhand eines speziell ausgearbeiteten Fragebogens untersucht.
140 der untersuchten Patienten waren in der Lage, solch strukturierte Interviews über ihre Erinnerungen an das Nahtod-Ereignis durchzuführen. 39 Prozent beschrieben eine bewusste Wahrnehmung ab dem Augenblick des Herzstillstandes bis zur Wiederbelebung. Doch nicht bei allen Befragten war das Gehirn in der Lage, mentale Aktivitäten oder Wahrnehmungen zu rekapitulieren. Viele von ihnen berichteten entweder von besonders schönen Licht-Erfahrungen oder stark angstbehafteten Situationen.
13 Prozent der Probanden fühlten sich von ihrem Körper getrennt, doch nur 2 Prozent konnten sich an tatsächliche, beweisbare Ereignisse während der Wiederbelebungsphase erinnern. Ein Mann berichtete, er hätte seinen Körper vollständig verlassen und seine Wiederbelebung quasi „von oben“ aus einer Ecke des Raumes mit verfolgt. Es dauerte volle drei Minuten, bis das Herz dieses Patienten wieder seine Arbeit aufnahm. „Wir wissen, dass das Gehirn nicht funktioniert, wenn das Herz aufhört zu schlagen“, so Dr. Parnia. „Doch in diesem und anderen Fällen setzte sich die bewusste Wahrnehmung bis zu drei Minuten lang fort - entgegen der bewiesenen Tatsache, dass das Gehirn spätestens 20 bis 30 Sekunden nach einem Herzstillstand seine Aktivitäten vollständig einstellt.“
Das Fazit von Dr. Parnia: Trotz der Hinweise auf möglichen Medikamenten-Einfluss oder Gehirnschäden, die zu bestimmten typischen Reaktionen und Gefühlen führen, können Nahtod-Erfahrungen noch nicht vollständig erklärt werden. Es bedarf weiterer, vorurteilsfreier Studien, um bestimmte Phänomene zu dokumentieren und womöglich zu erklären.
aktualisiert am 20.10.2014