20.07.2004 -
Pocken sind eine der verheerendsten Krankheiten, die die Menschheit kennt. Seit Jahrhunderten haben sich immer wieder Epidemien über ganze Kontinente ausgebreitet, die Bevölkerung dezimiert und den Verlauf der Geschichte geprägt. Die akute, ansteckende Krankheit wird durch das Variola-Virus hervorgerufen. Dieses Virus zählt zur Familie der Orthopoxviren. Es gibt zwei Hauptvarianten der Pocken: Variola major und Variola minor. Die Sterblichkeitsrate bei Variola major liegt bei etwa 30%.
Die Inkubationszeit beträgt bei Pocken etwa 7 bis 17 Tage, wobei die häufigsten Ausbrüche zwischen 12 und 14 Tagen beobachtet wurden. Während dieser Zeit gibt es keine Hinweise auf Ausscheidung der Viren. Nach der Inkubationszeit kommt es plötzlich zu grippeähnlichen Symptomen. Zwei bis drei Tage später sinkt die Körpertemperatur, und der Patient fühlt sich etwas besser. Zu diesem Zeitpunkt tritt dann der typische Hautausschlag auf.
Zudem kommt es in den Schleimhäuten der Nase und des Mundes zu Verletzungen (Läsionen), die sehr rasch eitrig werden und große Mengen an Viren im Mund- und Halsbereich freisetzen. Meist werden die Pocken über infizierte Speicheltröpfchen von einem Kranken auf einen anderen Menschen übertragen.
Die größte Ansteckungsgefahr besteht in der ersten Krankheitswoche, da sich zu diesem Zeitpunkt die meisten Viren im Speichel befinden. Ein gewisses Risiko einer Ansteckung besteht aber noch so lange, bis alle Krusten abgefallen sind. Die Krankheit kann auch über kontaminierte Kleidung oder Bettwäsche übertragen werden; die Infektionsgefahr ist hier jedoch weit geringer.
1967 wurde unter der Schirmherrschaft der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein weltweites Impfprogramm aufgelegt. Das Programm war äußerst erfolgreich, und so galten die Pocken 1977 als ausgerottet.
1980 wurde auf Anraten der World Health Assembly (WHA), einer Versammlung der Mitgliedsländer der WHO, die Schutzimpfung in allen Ländern abgeschafft. Ein Komitee der WHO empfahl, dass alle Labors ihre Bestände an Variola-Viren entweder vernichten oder an eines der beiden WHO-Referenzlabors verbringen sollten. Die Umsetzung dieser Empfehlung wurde von allen Ländern bestätigt. Die Referenzlabors waren das Institute of Virus Preparations in Moskau (Russland) und das Center for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta (USA).
Doch fürchtet man, dass auch andere Staaten noch Vorräte haben und diese zu terroristischen Zwecken einsetzen könnten. Von dem früher eingesetzten Pockenimpfstoff existieren heute nur noch wenige Dosen. Sie reichen nicht aus, um die gesamte Bevölkerung bei Gefahr impfen zu können.
Seit dem 11. September 2001 sehen die Vereinten Nationen (UN), die WHO, die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO), das CDC, die EU und viele nationale Regierungen die alarmierende Möglichkeit, dass Bioterroristen die Pocken als potenziell tödliche Waffe gegen eine zunehmend anfällige Bevölkerung einsetzen könnten. Daraus ergibt sich das dringende Bedürfnis, für derartige Notfallsituationen einen Bestand an Pockenimpfstoffen aufzubauen.
Die Unternehmen Baxter und Acambis arbeiten zusammen, um für eine solche Bedrohung eine Lösung anzubieten. Die Regierungen der USA und anderer Staaten haben sich inzwischen dafür entschieden, von allen weltweit tätigen Impfstoffherstellern Baxter-Acambis den Auftrag über die Lieferung von 157 Millionen Dosen dieses neuen Pockenimpfstoffes zum Schutz ihrer Bevölkerung zu erteilen. In einer Vielzahl anderer Länder finden gegenwärtig ähnliche Diskussionen statt.
Der Impfstoff gegen die Pocken war der Schlüssel zur Ausrottung dieser Krankheit. Er enthält nicht das Variola-Virus, das die Pocken auslöst, sondern ein nah verwandtes lebendes Virus namens Vaccinia (Vaccinia-Virus, VACV). Menschen, denen dieser Impfstoff verabreicht wurde, sind durch die entstehende Immunität vor Pocken geschützt.
Der Großteil der heute noch vorrätigen Impfstoffbestände sowie der Impfstoff, der in der WHO-Kampagne verwendet wurde, besteht aus Zellmaterial, das von der Haut von Vaccinia-infizierten Tieren abgekratzt wurde - meist Kälber oder Schafe. Dem fügte man Phenol in einer Konzentration zu, die Bakterien abtötet, aber das Vaccinia-Virus (VACV) nicht inaktiviert.
Anschließend wurde der Impfstoff gefriergetrocknet und in versiegelte Ampullen abgefüllt. Vor der Impfung wurde das Pulver in einem sterilem Puffer aufgelöst und durch mehrere Einstiche mit einer zweizackigen Nadel in die Haut eingebracht, was eine charakteristische Narbe auf dem Oberarm verursachte.
Der Impfstoff der 3. Generation basiert auf dem so genannten modifizierten Vakzinia-Virus Ankara (MVA). Dieser Virenstamm nutzt zwar ebenso wie die Impfstoffe der 1. und 2. Generation das Vaccinia-Virus, das eng mit dem Pockenvirus verwandt ist. Der MVA-Stamm ist jedoch so modifiziert, dass er sich im menschlichen Körper nicht vervielfältigt. Der MVA-Impfstoff hat daher geringere und weniger gravierende Nebenwirkungen. Durch die gute Verträglichkeit können auch Schwangere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem gegen Pocken geimpft werden. Die neuen Impfstoffe werden bei Baxter aus der Zellkultur mit einem speziellen Verfahren hergestellt, mit dem auch der neue Influenza-Impfstoff produziert wird.
Bereits in den 70er Jahren wurden in Deutschland über 120.000 Menschen mit einem MVA-Vorimpfstoff geimpft. "Der Impfstoff hat damals ein exzellentes Sicherheitsprofil gezeigt", so Dr. Anthony S. Fauci, Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIDAID), einer Abteilung der HHS, die die Kooperation betreut. Ziel der Forschung ist heute, MVA als Vollimpfstoff zu entwickeln.
Baxter und Acambis forschen seit einigen Jahren am Impfstoff der 3. Generation. Unter anderem wurde die genetische Information des Virus vollständig entschlüsselt. Diese Grundlagenforschung bildet nun eine fundierte Basis für die Entwicklung eines MVA-Vollimpfstoffes. Die Kooperationen laufen bis 2006. Teil des Kooperationsvertrages ist es unter anderem, klinische Daten über die Sicherheit und Verträglichkeit des MVA-Impfstoffes vorzulegen, sowie die Produktion größerer Mengen des Impfstoffes sicherzustellen.