12.05.2006 - Auch für Laien sind die Teilbereiche der Biotechnologie gut unterscheidbar - nämlich durch Farben. Grüne Biotechnologie wird in der Landwirtschaft eingesetzt, die weiße Biotechnologie bezeichnet die industrielle Nutzung (Erzeugung von Fein-Chemikalien oder Materialien), die rote Biotechnologie findet in der Medizin und Pharmazie Anwendung. In der Realität verschwimmen jedoch die Grenzen zwischen diesen Sparten. Die Definition der OECD spricht daher allgemein von "Anwendung von Technik auf lebende Organismen... zwecks Veränderung der lebenden Materie zur Herstellung von Gütern".
Mit dem ernormen Marktwachstum der 90-er Jahre, ausgelöst durch den öffentlich geförderten Wettbewerb "BioRegio", entstanden in Deutschland zahlreiche Biotechnologie-Zentren. Allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Während die grüne Biotechnologie mit Vorbehalten kämpft – Stichwort genmanipuliertes Getreide – und mit 9,6% Marktanteil praktisch am Boden liegt, erfreut sich die Rote inzwischen einer breiten Akzeptanz. Wo aber liegen die Stärken der deutschen Biotechnologie und auf welche aktuellen Trends sollte man setzen? Darum ging es auf einem Workshop des Unternehmens Promega am 10. und 11.Mai 2006 in Hamburg.
Professor Garabed Antranikian (Technische Universität Hamburg-Harburg) setzte sich für eine nachhaltige Chemie ein. Mit Hilfe von Biokatalysatoren (Mikroorganismen oder Enzyme) können beispielsweise Materialien und Energieträger aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Ähnliches leistet die weiße Biotechnologie in der Antibiotika-Produktion: Die bei der Synthese von 7-Aminocephalosporansäure (Ausgangssubstanz für Cephalosporine) anfallenden Schadstoffe mussten bisher aufwändig entsorgt werden. Durch ein enzymatisches Verfahren kann man inzwischen auf den Einsatz von Toxinen verzichten, der Kostenanteil der Abfallentsorgung an den Herstellkosten sank damit von 21% auf 1%.
Die rote Biotechnologie hat mit 83% den größten Anteil am Gesamtmarkt. Dazu zählen die Herstellung von Medikamenten und Impfstoffen, die molekulare Diagnostik und die regenerative Medizin (Tissue engineering), die aber bisher nur 5% ausmacht. Weltweit führend ist Deutschland vor allem auf dem Gebiet der Diagnostik. Diese Position soll durch die molekulare Diagnostik ausgebaut werden: Bevor sich Krankheitssymptome bemerkbar machen, finden in der molekularen Struktur der Zellen bereits Veränderungen statt.
Durch die Herstellung von Präparaten, die diese Veränderungen sichtbar machen, sollen Krankheiten zukünftig früher erkennbar sein. Diese Form der "Personalisierten Medizin" findet sich auch in der Medikamenten-Entwicklung. Die Pharmakogenomik versucht die Reaktion eines Patienten auf eine Arzneimitteltherapie anhand seines Genoms voraus zu sagen.
Gerade auf dem Gebiet der Grundlagenforschung gibt es noch viele offene Fragen. In einem Basisreferat machte Dr. Peter Quick deutlich, dass es zwar gelungen ist, das menschliche Genom zu entschlüsseln. Wie aber mit Hilfe der RNA das Protein entsteht, sei immer noch nicht völlig geklärt.
Die Bio-Informatik und Systembiologie sind deshalb Forschungsgebiete mit großem Potential. Bezogen auf die praktische (und kommerzielle) Verwertbarkeit von Forschungsergebnissen gehören dazu auch die Erforschung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Infektionen. Auch dem Thema Gewichtsmanagement sollte aus Sicht der Forschung mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.