Ist der Urin beim morgendlichen Gang auf die Toilette rot gefärbt, deutet dies häufig auf eine Blutbeimengung hin. Beim gesunden Menschen besitzt der Urin eine blasse, gelbe Färbung, ist geruchslos und frei von Bakterien.
Schon im Mittelalter erkannten Mediziner die Bedeutung von Farbe, Geruch und Geschmack für die Diagnostik bestimmter Krankheiten. Die sogenannte Harnschau war bis in unsere Neuzeit eine der wichtigsten diagnostischen Möglichkeiten zur Erkennung von Krankheiten. Körperausscheidungen sind indes ein Tabuthema in unserer Gesellschaft – obgleich ein regelmäßiger Blick auf unseren Urin uns rechtzeitig einen Aufschluss über mögliche Erkrankungen geben kann. Am auffälligsten ist hierbei die Farbe.
Doch nicht jede Verfärbung des Harns muss einen krankhaften Ursprung besitzen. Blut wird zudem erst ab einer Beimengung von 0,4 bis 1 Milliliter pro Liter Urin sichtbar. Das entspricht ungefähr zwischen zwei und sechs Milliarden roter Blutkörperchen. In der medizinischen Fachsprache wird dies als Makrohämaturie bezeichnet. Lassen sich rote Blutkörperchen im Urin feststellen, ohne dass dieser sich rot färbt, liegt hingegen eine Mikrohämaturie vor.
Blasenentzündungen gelten als Frauensache. Das entspricht zwar der gängigen Statistik, befreit die Männer indes nicht, Blut im Urin als mögliches Krankheitssymptom ernst zu nehmen.
Für eine Hämaturie kommen vor allem die Organe als Ursprung in Betracht, in welchen der Harn aufbereitet, zwischengelagert oder ausgeschieden wird. Dies sind die paarig angelegten Nieren, die Harnleiter (Ureter), die Blase und schließlich die Harnröhre (Urethra). Die Nieren, Harnleiter und die Blase gleichen sich im Aufbau und Funktion bei beiden Geschlechtern. Unterhalb der Blase sind aufgrund der verschiedenen Geschlechtsorgane Unterschiede vorhanden. Beim Mann liegt direkt im Anschluss an die Blase die Vorsteherdrüse (Prostata). Sie umschließt den ersten Teil der Harnröhre, was bei einer Prostatavergrößerung den Abfluss des Urins vermindert und unbehandelt einen Blasenverschluss nach sich ziehen kann. Weitere anatomische Verschiedenheiten finden sich in einer beim Mann deutlich längeren Harnröhre. Während diese bei der Frau lediglich drei bis vier Zentimeter beträgt, ist die männliche Harnröhre von der Blase bis zur Spitze an der Eichel des Penis circa 20 Zentimeter lang. Da sich das Ende der Harnröhre in ausreichend weitem Abstand vom Darmausgang befindet, ist eine Infektion durch Darmbakterien beim Mann unwahrscheinlich.
Wird Blut im Urin (Hämaturie) nachgewiesen, gilt es zunächst die Ursache herauszufinden. Dabei kommt der Unterscheidung zwischen einer glomerulären und nicht glomerulären Hämaturie eine wichtige Bedeutung zu.
Glomerulär bedeutet, dass die Filtereinheiten (Glomeruli) in den Nieren betroffen sind. Eine solche Hämaturie lässt sich unter dem Mikroskop anhand veränderter Formen der roten Blutkörperchen (dysmorphe Erythrozyten) erkennen. Gemeinsam mit dem Nachweis von Eiweiß im Urin stellt sich hier der Verdacht auf eine Entzündung der Filtereinheiten, eine Glomerulonephritis. Eine starke Schädigung der Nieren durch diese Erkrankung stellt sich vielfach in Form einer Makrohämaturie dar – die Blutbeimengung ist im Urin rötlich sichtbar. Chronische Formen verlaufen meist ohne Schmerzen, bleiben daher unbemerkt und lassen sich erst unter dem Mikroskop als Mikrohämaturie nachweisen. Als Gründe für die Schädigung der Glomeruli kommen nicht bakterielle Entzündungen oder gegen das eigene Immunsystem gerichtete Erkrankungen (Autoimmunerkrankungen) infrage. Die Entstehung der Glomerulonephritis ist jedoch längst nicht vollständig geklärt.
Krankheiten der ableitenden Harnwege (nicht glomerulär) stellen beim Nachweis von Blut im Urin den weitaus größeren Anteil. Zusätzlich muss beim Mann die Prostata als mögliche Quelle in Betracht gezogen werden.
Aufsteigende Infektionen spielen beim Mann aufgrund der anatomischen Gegebenheiten eine untergeordnete Rolle. Dennoch dürfen bakterielle Infektionen nicht außer Acht gelassen werden. Entzündungen der Blase sind vor allem ein Problem bei Männern in fortgeschrittenem Alter. Verantwortlich ist auf der einen Seite das nachlassende Vermögen, die notwendige Hygiene im Genitalbereich einzuhalten. Im Alter besteht zudem eine zunehmende Anfälligkeit für Krankheiten, da das Immunsystem geschwächt ist. Blutbeimengungen und Schmerzen zu Beginn beim Wasserlassen sprechen für eine Beteiligung der Harnröhre, wogegen Blut zum Ende hin eher eine Blasenentzündung kennzeichnet. Infektionen der ableitenden Harnwege können zudem eine Komplikation nach dem Legen oder bei der Pflege eines Blasenkatheters sein. Zu den möglichen Verursachern von blutigem Urin müssen gleichermaßen Verletzungen der Harnröhre gezählt werden.
Bei 20 Prozent der Männer ab dem 50. Lebensjahr sowie bei einem Drittel der über 70-Jährigen muss mit einer gutartigen Vergrößerung der Prostata (Prostatahypertrophie) gerechnet werden. Die Folgen sind ein vermehrter Harndrang sowie eine zunehmende Störung bei der Entleerung der Blase. Der in der Blase verbliebene Restharn stellt für Bakterien ideale Wachstumsbedingungen dar, weshalb es gehäuft zu Harnwegsinfekten kommt. Daneben kann die Prostata selbst von einer Entzündung betroffen sein. Lediglich zehn Prozent der Prostataentzündungen haben indes einen bakteriellen Ursprung. Dabei handelt es sich meist um Darmbakterien, welche durch die Harnröhre in die Prostata (Vorsteherdrüse) hochwandern. Bei einem großen Teil der Prostataentzündungen bleibt die Ursache unklar.
Die Schmerzen bei einer Prostatitis strahlen häufig auf benachbarte Organe (Blase, Hoden) aus. Ebenso kann sich ein dumpfer Schmerz im Bereich des Dammes bemerkbar machen. Sowohl bei einer akuten als auch bei einer chronischen (langanhaltenden) Prostatitis können blutiges Sperma und Blut im Urin die Folge sein. Als Risikofaktor, an einer Prostataentzündung zu erkranken, werden vor allem das Alter sowie ein geschwächtes Immunsystem aufgeführt.
Ebenfalls kann eine Zuckerkrankheit das Entstehen einer Prostataentzündung begünstigen. Bei schlecht eingestellten Diabetikern ist der Zuckergehalt im Urin hoch. Das kann den Bakterien zum einen als Nahrung dienen, aber auch die Reizung der ableitenden Harnwege durch Kristallbildung erhöht das Risiko für Entzündungen. Zudem beeinträchtigt der Diabetes das Abwehrsystem.
Steine können entlang der gesamten Harnwege zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führen. Vor allem in der westlichen Welt haben veränderte Ernährungsgewohnheiten eine Zunahme bedingt. Männer sind häufiger von Harnsteinen betroffen als Frauen. Calcium-, Harnsäure- und Oxalat-Steine nehmen hierbei den Hauptanteil der häufig schmerzhaften Erkrankung ein. Diagnostisch lässt sich im Urin in den meisten Fällen eine Blutbeimengung in Form einer Mikrohämaturie nachweisen.
Nierensteine entstehen im Kelchsystems des Nierenbeckens. Wenn diese in den Harnleiter wandern, können sie sich an den Engstellen beim Austritt aus der Niere, bei der Kreuzung mit Blutgefäßen oder am Blaseneingang verklemmen. Die krampfartigen Schmerzen (Koliken) gehen oft mit Übelkeit und Erbrechen und einem Harnstau einher. Wandern Harnsteine in die Blase, können sie dort weiter an Größe zunehmen. Sie führen als Blasensteine beim Eintritt in die Harnröhre wiederum zu den typischen Symptomen und einem Rückstau von Urin. Sowohl ein Stau in die Blase als auch in die Niere kann das Wachstum von Bakterien im Harn und in der Folge eine Infektion von Blase oder Niere nach sich ziehen. Blut im Urin kann zudem auf eine mechanische Schädigung der ableitenden Wege (Harnleiter, Harnblase, Harnröhre) durch den Stein selbst zurückzuführen sein.
Insbesondere bei älteren Patienten mit Blut im Urin muss auch an einen Tumor im Bereich von Nieren, Harnwegen oder Prostata gedacht werden.
Nierenkrebs zählt zu den verhältnismäßig seltenen Tumorerkrankungen. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei Männern um die 68 Jahre. Nierentumore werden heute durch den Einsatz moderner Ultraschallverfahren oft zufällig erkannt. Können sie frühzeitig diagnostiziert werden, kann von einer 5-Jahres-Überlebensrate von 77 Prozent ausgegangen werden. Erst im späten Krankheitsstadium kommt es zu einer plötzlich einsetzenden Hämaturie. Die rötlich-braune Verfärbung verläuft schmerzlos, wird jedoch im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung von zusätzlichen Schmerzen in Flanke und Rücken begleitet. Bei Männern werden darüber hinaus neu entstandene Krampfadern im linken Hodensack (Varikozele) beobachtet.
Bösartige Wucherungen des Deckgewebes (Urothel) sind nach dem Prostatakarzinom die häufigste Tumorerkrankung, die zu Blut im Urin führen kann. Das Urothel kleidet die ableitenden Harnwege vom Nierenbecken bis zum oberen Teil der Harnröhre aus. Besonders oft findet sich ein Urothel-Karzinom in der Harnblase und wird dort umgangssprachlich als Blasenkrebs bezeichnet. Bemerkenswert ist eine starke Häufung bei Männern sowie in westlichen Industrieländern. Rauchen und Chemikalien stellen dabei ein signifikantes Risiko für die Entstehung eines Urothelkarzinoms dar. Schmerzlose Blutungen, sowohl als sichtbare Beimengung oder als Mikrohämaturie, werden als häufiges Symptom beschrieben. Das alleinige Vorliegen einer Hämaturie darf indes nicht als Zeichen einer Tumorerkrankung der Harnwege gewertet werden.
Krankheitssymptome wie ein abgeschwächter Harnstrahl oder häufiges nächtliches Wasserlassen deuten überwiegend auf eine gutartige Vergrößerung der Vorsteherdrüse hin. Diese sollten in jedem Fall von einem Arzt abgeklärt werden, da auch ein Prostatakarzinom ursächlich sein kann. Vor allem, wenn sich der Tumor auf die Harnröhre oder die Blase ausgeweitet hat, kann der anfangs über einen langen Zeitraum beschwerdefreie Tumor zu Schmerzen sowie sichtbarem oder nicht sichtbarem Blut im Urin führen. Tumore der Prostata neigen bei etwa 17 Prozent der erkrankten Männer dazu, zu streuen (Metastasierung). Häufig dringt der Tumor in die benachbarten Samenbläschen ein. Diese sind für die Produktion eines Sekretes zur Ernährung der Spermien zuständig. Blutspuren im Sperma können somit ebenfalls auf einen vorhandenen Prostatatumor hinweisen.
Ist eine Hämaturie nicht auf direkte Gründe in den Nieren oder ableitenden Harnwegen zurückzuführen, müssen weitere Untersuchungen, beispielsweise des Gerinnungssystems, folgen. Die bekannteste Ursache einer durch eine Gerinnungsstörung hervorgerufenen Hämaturie ist die Hämophilie (Bluter-Krankheit). Schwere Fälle dieser durch den Mangel der Gerinnungsfaktoren VIII (Hämophilie A) oder IX (Hämophilie B) verursachten Erbkrankheit neigen zu spontanen Blutungen der Gelenke, des Darms sowie der Wände der Harnorgane. Auch das Willebrand-Syndrom oder Funktionsstörungen der Blutplättchen (Thrombozyten) können der Grund für Blut im Urin sein. Doch nicht in jedem Fall sind Krankheiten der Auslöser für eine Hämaturie. Ursächlich sein können darüber hinaus die Einnahme von Medikamenten oder Lebensmitteln.
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aktualisiert am 16.11.2020