In den letzten Jahren kommt es in den westlichen Industrienationen zu einer Zunahme von Harnsteinen. Hauptrisikofaktoren für die Entstehung von Harnsteinen sind die Ernährung, Lebensgewohnheiten und das Vorhandensein weiterer Risikofaktoren. Harnsteine sind feste Ablagerungen in den Nieren oder in den Harnwegen. Treten Harnsteine auf, können sie den Harnabfluss behindern und zu Beschwerden wie Harnverhalt oder Schmerzen führen. Harnsteine können in Nierenbecken, Harnleitern, Harnblase und Harnröhre vorkommen. Je nach Lokalisation werden sie als Nierensteine, Harnleitersteine oder Blasensteine bezeichnet.
Kleinere Steine werden oft von alleine über die Harnwege ausgespült. Setzen sich Harnsteine jedoch fest, dann ist eine Behandlung erforderlich. Neben der Gabe von austreibenden Medikamenten oder einer Operation ist gehört eine Stoßwellen-Zertrümmerung der Steine von außen zu den gängigsten Behandlungen (extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie, ESWL).
Harnsteine entstehen, wenn bestimmte Stoffe (zum Beispiel Calcium, Oxalat, Phosphat, Harnsäure) eine zu hohe Konzentration im Harn erreichen und ausfällen. Kristalle bilden sich und wachsen zu festen Steinen oder Ablagerungen an.
Am häufigsten sind Steine aus Calciumoxalten. Etwa 75% aller Steine bestehen aus Calciumoxalten. Häufiger anzutreffen sind auch Struvitsteine bei Harnwegsinfektionen und Harnsäuresteine. Weitere Steinarten wie Calciumphosphatsteine sind möglich, aber insgesamt selten.
Gründe und Auslöser für die Steinbildung sind beispielsweise:
Des Weiteren können sich Steine an Fremdkörpern wie einem Blasenkatheter absetzen.
Ein Nierenstein entsteht meist in einem Nierenkelch, gelangt aber bald in das Nierenbecken. Nierensteine selbst führen in nur seltenen Fällen zu Beschwerden. Selbst große Steine (Ausgusssteine) verursachen selten Symptome. Gelangt ein Stein aus dem Nierenbeckenkechlsystem in den Harnleiter, dann treten Symptome auf. An der Mündung in den Harnleiter setzt sich ein Stein oft fest, bei Verlegung des Harnleiters kommt es dann zu einem Harnstau. Das Nierenbecken erweitert sich. Das ist sehr schmerzhaft und führt typischerweise zu einer Nierenkolik (plötzlich einsetzende, heftige Schmerzen).
Setzt sich der Harnstein an einer anderen Engstelle des Harnleiters fest, dann kommt es wiederum zu Koliken. Je nach Ort, an dem sich der Stein befindet, strahlen die strahlen die Schmerzen kolikartig in unterschiedliche Bereiche wie Rücken, Bauch, Leiste oder Genitalien aus. Koliken werden meist begleitet von Übelkeit und Erbrechen, einem Blähbauch sowie auch einem Stuhlverhalt.
Aus einem Nierenstein kann ein Blasenstein werden, wenn dieser in die Harnblase gelangt. Typischerweise enstehen aber Blasenstein in der Harnblase selbst. In vielen Fällen ist eine Harnabflussstörung die Ursache.
Durch einen Blasenstein kann es zu Verlegung des Harnblasenausganges kommen. Dadurch kommt es zum zeitweisen Harnstau. Ein durchgehendes Wasserlassen ist oft nicht möglich. Der Blasenstein kann zu vermehrtem Harndrang mit jeweils nur geringen Harnmengen führen (Pollakisurie). Ebenfalls kommt es oft zu Schmerzen. Die Beschwerden können sich mit der Körperlage ändern, da der Stein sich vom Blasenausgang wegbewegen kann oder sich wieder davorsetzen kann.
Bei allen Varianten von Harnsteinen kann es zu Blutungen (Blut im Urin) sowie zu Entzündungen kommen. Durch den Harnaufstau kann es zu Nierenschäden kommen, im Extremfall wird die Niere funktionsuntüchtig (Nierenversagen).
Steine von wenigen Millimetern Durchmesser können von alleine abgehen. Vielfach werden diese Steinchen oder der sogenannte Nierengrieß vom Patienten nicht bemerkt.
Der Patient wird zu Symptomen und Vorgeschichte befragt (Anamnese) und körperlich untersucht. Bei der Vorgeschichte finden sich bei dem Betroffenen oder in der Familie bereits früher durchgemachte Harnsteinerkrankungen. Auch Ernährungsgewohnheiten können den Verdacht auf ein Harnsteinleiden erhärten. Bei der körperlichen Untersuchung kann ein Druckschmerz in der Flanke auf einen Harnstau hindeuten.
Zur Sicherung der Diagnose werden weitere Untersuchungen und bildgebende Verfahren veranlasst:
Die Diagnose ist aufgrund der typischen Beschwerden oft eindeutig. Dennoch müssen viele andere Erkrankungen mit Bauchschmerzen (akutes Abdomen) sowie andere Möglichkeiten des Harnverhalts wie zum Beispiel Tumore ausgeschlossen werden.
In den meisten Fällen (über 80 Prozent) ist keine Behandlung notwendig. Kleine Harnsteine verlassen den Körper auf natürlichem Weg. Betroffene können diesen Prozess unterstützen, indem sie sich viel bewegen und viel trinken. Auch krampf- und schmerzlösende Medikamente sind hilfreich.
Bei einer akuten Kolik sollte immer ein Arzt aufgesucht werden. Der Urologe kann mit Schmerzmitteln die heftigen Schmerzen lindern. Anschließend erfolgt die Untersuchung und abhängig vom Befund wird die Behandlung angepasst.
Einige Steine können mit Medikamenten aufgelöst werden. Das ist möglich bei Harnsäuresteine und kleinen Zystinsteinen. Sie kommen aber seltener vor als Calciumoxalatsteine (in 75 Prozent der Fälle). Diese können mit Medikamenten nicht aufgelöst werden können.
In vielen Fällen sind bei Harnsteinen weitergehende Maßnahmen erforderlich. Ein gängiges Verfahren ist ESWL (Extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie). Bei diesem Verfahren werden die Nieren- und Blasensteine mit Stoßwellen zertrümmert. Es können sowohl Steine in der Niere, im Harnleiter und in der Harnblase behandelt werden.
Die ESWL erfolgt meist ohne Betäubung, manchmal ist die Gabe von Schmerzmedikamenten oder aber eine Regionalanästhesie (Betäubung eines größeren Körperbereiches) oder eine Vollnarkose notwendig.
Bei einer solchen ESWL werden Stoßwellen über ein Wasserkissen auf den Körper in Richtung eines Harnsteins abgegeben. Die Lage wird zuvor durch eine Röntgen- oder Ultraschalluntersuchung festgestellt. Durch die energiereichen, gebündelten Wellen werden die Steine zerkleinert. Je größer der jeweilige Stein ist und je mehr Steine vorliegen, umso mehr Wellen müssen ausgesendet werden, um eine erfolgreiche Behandlung zu erzielen.
Die Gesamtdauer der Stoßwellen-Zertrümmerung der Harnsteine beträgt 20 Minuten bis eine Stunde. In seltenen Fällen muss auch eine zweite Behandlungssitzung vorgenommen werden. Die Trümmerstückchen gehen dann von alleine mit dem Harn ab. Bis alle Steinfragmente mit dem Urin ausgeschieden werden, können wenige Tage bis mehrere Wochen vergehen.
Manchmal ist es notwendig, eine Harnleiterschiene einzusetzen, um die Niere zu entlasten. Bei starken und lang andauernden Koliken mit gleichzeitigem Urinstau kann der Einsatz einer Harnleiterschiene sinnvoll sein. Bei der Harnleiterschiene handelt es sich um einen kleinen Kunststoffschlauch, der über die Harnleiteröffnung im Rahmen einer Blasenspiegelung in die Nieren vorgeschoben wird. So wird die durch den Stein hervorgerufene Engstelle überbrückt und der Urin kann wieder abfließen. Wenn die Behandlung beendet wird, kann die Harnleiterschiene wieder über eine Blasenspiegelung entfernt werden.
Als operatives Verfahren wird die perkutane Nephrolitholapaxie eingesetzt. Mit Hilfe einer Punktionsnadel wird ein Kanal bis zur Niere angelegt. Der Operateur kann unter Sicht, die Harnsteine in der Niere zerkleinern und entfernen. Dieser Eingrif wird bei größeren Nierensteinen durchgeführt, wenn eine ESWL nicht geeignet ist. Durch die Operation ist eine schnelle und vollständige Sanierung der Nierensteine möglich. Allerdings ist auch das Risiko einer Blutung und das Risiko, benachbarte Organe und Strukturen zu verletzen, höher. Harnleitersteine werden mit diesem Verfahren nicht behandelt. Die Erfahrung des Operateurs spielt für diesen Eingriff eine große Rolle.
Bei der Ureterorenoskopie wir ein Endoskop durch die Harnröhre in den Harnleiter eingeführt. Das Endoskop kann bis zum Nierenbecken vorgeschoben werden. Kleinere Nierensteine und Harnleitersteine lassen sich damit gut sanieren. Bei größeren Nierensteinen ist die perkutane Nephrolitholapaxie der bevorzugte Eingriff. Durch diesen Eingriff besteht das Risiko, dass der Harnleiter verletzt wird und dass nach dem Eingriff narbige Veränderungen auftreten.
Eine offene Operation ist heute ein sehr seltener Eingriff und wird unter anderem bei anatomischen Besonderheiten durchgeführt.
Bei der Zertrümmerung mit Stoßwellen (ESWL) ist es manchmal notwendig, weitere Maßnahmen durchzuführen, damit die Steine besser beseitigt und besser abgehen können. Dies kann bereits vorher geplant sein oder sich erst während der ESWL-Behandlung zeigen.
Beispielsweise kann es notwendig werden, eine Harnleiterschiene einzusetzen. Hierfür wird eine Blasenspiegelung (Zystoskopie) durchgeführt, bei der ein spezieller Katheter durch den Harnleiter bis in das Nierenbecken eingeschoben wird. Durch die Maßnahme wird ein besserer Urin- und Steinabgang möglich. Der Katheter kann bis zu einigen Wochen im Harnleiter verbleiben und durch erneute Blasenspiegelungen gewechselt oder herausgezogen werden.
Steinbruchstücke können auch direkt herausgezogen werden, zum Beispiel durch eine Harnleiterspiegelung (Ureteroskopie). Manchmal können sie in diesem Rahmen auch zerkleinert werden mit Methoden wie dem Laser, Ultraschall oder auf mechanischem Wege.
Falls ein hochgradiger Harnstau in die Niere oder eine schwerwiegende Infektion vorliegt, kann es erforderlich werden, durch die Haut eine Hohlnadel zur Niere einzuführen, damit dann über einen so genannten Nierenfistelkatheter der Harn nach außen abfließen kann. Sie stellt eine Alternative zur Harnleiterschienung dar.
Über einen solchen Zugangsweg kann in bestimmten Fällen auch ein optisches Gerät (Pyeloskop) in das Nierenbecken eingeführt werden (perkutane Nephrolitholapaxie). Die Steinfragmente können dann weiter zerkleinert oder durch Absaugen oder mit einer Zange entfernt werden.
Je nach Eingriff, können unterschiedliche Komplikationen auftreten. Mäßige Schmerzen nach der Behandlung verschwinden in der Regel nach einigen Tagen bis Wochen. Es können sich kleine Blutungen und Blutergüsse ergeben, die in aller Regel ungefährlich sind und sich bald wieder auflösen. Entzündungen sind möglich, auch durch die Zertrümmerung der Steine können Bakterien aus dem Steininneren eine Infektion bewirken. Tritt nach der Behandlung Fieber auf, sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden. Bei Festsetzung eines Steins oder von Bruchstücken in den Harnleitern können sich (weitere) krampfartige Schmerzen (Koliken) oder ein Harnaufstau ergeben. Bei der PNL können benachbarte Strukturen und Organe verletzt werden. Bei der Ureterorenoskopie kann der Harnleiter verletzt werden und dann dem Eingriff Vernarbungen eintreten, die Engstellen hervorrufen.
Möglicherweise müssen Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen, beispielsweise Marcumar® oder Aspirin®, vor der Operation abgesetzt werden. Dies geschieht immer in Absprache mit dem Arzt.
Falls die Behandlung unter ambulanten Bedingungen und mit Schmerzmitteleinwirkung erfolgt, so muss der Patient beachten, dass er für 24 Stunden kein Auto, keine anderen Verkehrsmittel und keine Maschinen selbst bedienen darf. Daher sollte er sich abholen lassen.
Es ist ratsam nach der Behandlung ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen, damit Steinfragmente sowie Blut besser ausgeschieden werden können. Körperliche Bewegung kann für den Abgang der Trümmer ebenfalls förderlich sein.
Wenn nach der Behandlung Fieber auftritt, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Bei vielen Patienten treten nach der Behandlung erneut Harnsteine auf. Dieses Risiko kann gesenkt werden, wenn das Trinkverhalten, die Ernährung und die Lebensgewohnheiten umgestellt werden. Empfehlenswert ist, sich ausgewogen zu ernähren, sich regelmäßig körperlich zu bewegen, Übergewicht abzubauen und ausreichend zu trinken.
Sind Calciumoxalsteine festgestellt worden, ist es sinnvoll, Lebensmittel mit hohem Oxalat-Gehalt zu vermeiden. Bei Harnsäuresteinen wird die Reduktion von proteinhaltiger und purinhaltiger Nahrung empfohlen (Reduktion von rotem Fleisch).
In der Regel können die Harnsteine durch die Stoßwellenbehandlung schonend zertrümmert werden, so dass sie problemlos ausgeschieden werden können. Es kommt häufig zum Wiederauftreten von Harnsteinen. Vorbeugend sollte in Absprache mit dem Arzt auf die Ernährung geachtet werden, manchmal sind Medikamente sinnvoll. Hierzu werden Harn und meist auch Harnsteine genau untersucht.
aktualisiert am 08.05.2020