Eine Harnwegsinfektion ist eine Entzündung der ableitenden Harnwege, sie wird in eine obere und untere Harnwegsinfektion eingeteilt. Die obere Infektion betrifft das Nierenbeckenkelchsystem und Teile des Nierengewebes (Pyelonephritis), die untere bezieht sich auf die Blasen- und Harnröhrenentzündung.
Bei einer Blasenentzündung oder Zystitis ist die Blasenschleimhaut entzündet, das ist die Haut, die die Harnblase auskleidet. Meistens geht die Infektion von der Harnröhre aus und steigt dann hoch bis zur Blase oder weiter zum Nierenbecken. Vor allem Frauen leiden unter häufigen Harnwegsinfektionen.
Die häufigste Ursache einer Harnwegsinfektion sind Bakterien, und zwar meistens Darmbakterien.
Bei der Frau kommt es öfter zu einer aufsteigenden Infektion der Harnwege, weil die Harnröhre kürzer ist als die männliche. Außerdem ist die anatomische Nähe von Harnröhre und Darmausgang ungünstig, da allein durch falsche Hygiene die Darmbakterien eine Harnwegsinfektion auslösen können. Manche Frauen haben zwar Bakterien im Urin (Bakteriurie), haben aber keine Symptome. Werden diese Frauen schwanger, kommt es bei etwa jeder dritten zu einer akuten Pyelonephritis, weswegen Schwangere mit Bakteriurie auf jeden Fall behandelt werden sollten.
Beim Mann kann es durch eine übergroße Prostata (Prostatahyperplasie) zu vermehrten Harnwegsinfekten kommen, weil die Prostata, durch die die Harnröhre beim Mann läuft, diese abdrücken kann. Da die Größenzunahme erst ab etwa dem 60. Lebensjahr auftritt, sind vorherige Infektionen äußerst selten.
Recht häufig ist bei Frauen die so genannte Honeymoon-Zystitis, also die Flitterwochen-Blasenentzündung. Sie wird durch den Geschlechtsverkehr übertragen, Erreger ist Staphylokokkus saprophyticus. Der Mann als Überträger hat zwar keine Symptome, er muss bei einer Therapie der Frau aber immer mitbehandelt werden. Das gilt übrigens für alle durch Geschlechtsverkehr bedingten Infektionen wie zum Beispiel auch die Gonnorhoe.
Wenn Säuglinge und Kleinkinder von Harnwegsinfekten betroffen sind, liegt häufig eine angeborene Fehlbildung der Harnwege vor, zum Beispiel eine Zystenniere, die den Urin nicht vollständig ausscheidet. Auch der Harnreflux, bei dem der Urin rückwärts in die Blase und in das Nierenbecken gedrückt wird, ist bei diesen Kindern nicht selten.
Gefördert wird die Infektion auch durch Blasen- oder Nierensteine und eine schlecht funktionierende Blasenmuskulatur (durch Diabetes mellitus oder neurologische Ursachen). Diabetiker mit schlecht eingestelltem Blutzucker sind ebenfalls häufiger gefährdet, weil der Zuckergehalt im Urin beste Bedingungen für Bakterien bietet.
Normalerweise wäscht der Urin die Bakterien, die sich in der Harnröhre befinden einfach weg. Bekommt der Körper aber zu wenig Wasser, scheidet er wenig Urin aus, die Bakterien vermehren sich und lösen eine Entzündung aus. Auch Zug und Kälte wirken bakterienfreundlich, weil dadurch die Blasenschleimhaut auskühlt und sie schlechter durchblutet wird. Ebenso kommt es desöfteren bei älteren Frauen mit Östrogenmangel zu chronischen Infektionen.
Die Zeichen einer unteren Harnwegsinfektion sind typischerweise schmerzhaftes Wasserlassen (Dysurie) und häufiger Harndrang mit geringen Harnengen (Pollakisurie). Manchmal kommt es auch zur Harninkontinenz, also dem Unvermögen, das Wasser zu halten. Nur selten ist der Urin blutig.
Eine Pyelonephritis verursacht Fieber, eventuell Schmerzen beim Wasserlassen und einen typischen Flanken- oder Klopfschmerz im Nierenlager, der besonders durch Erschütterung ausgelöst wird.
Neben den typischen Symptomen wird ein Harnwegsinfekt durch eine Urinuntersuchung bewiesen. Für die Bestimmung von Bakterien im Urin wird ein wenig Urin aus dem so genannten Mittelstrahlurin benötigt.
Das ist besonders bei Frauen wichtig, da in der ersten Urinportion Bakterien aus dem Harnröhreneingang weggespült werden. Die mittlere Portion ist dann aussagekräftig und kann in einem Becher aufgefangen werden, der Rest kommt in die Toilette. Weil diese Entnahmetechnik hygienisch nicht einwandfrei ist, dürfen durchaus Bakterien im Urin sein, allerdings nur bis zu einem bestimmten Grenzwert. Wird die Blase punktiert (über die Harnröhre oder sehr selten über die Bauchdecke), dürfen keine Bakterien im Urin nachweisbar sein.
twas schwieriger ist es, wenn die Frau ihre Monatsblutung hat, weil das Blut das Ergebnis verfälscht. Daher muss der Arzt immer wissen, ob der Urin der Frau durch die Periode verunreinigt sein kann. Deswegen werden auch immer Leukozyten (weiße Blutkörperchen) im Urin untersucht. Sind sie vorhanden, besteht eine Harnwegsinfektion, fehlen sie, ist der Urin wahrscheinlich verunreinigt.
Am einfachsten führt der Arzt für den Urinstatus einen Schnelltest mit einem Teststreifen durch, auf dem alle wichtigen Werte angezeigt werden. Eine Urinkultur mit genauer Bestimmung der Keime ist bei einer einfachen unteren Harnwegsinfektion nicht nötig, da in über 80 Prozent der Fälle der Keim Escherichia coli dafür verantwortlich ist, beziehungsweise die nächsthäufigen Keime (wie Enterokokken und Staphylococcus saprophyticus) mit den gleichen Mitteln behandelt werden.
Bei einer Nierenbeteiligung sowie einem Infekt beim Mann sollte jedoch eine Kultur erfolgen, ebenso beim Säugling und bei gehäuften Infekten. In diesen Fällen sollte nach der Urinuntersuchung eine weitere eingehende körperliche Untersuchung durchgeführt und die Ursache der Harnwegsinfektion gefunden werden. Gleiches gilt für gehäufte oder ungewöhnlich lange oder schwer verlaufende Infektionen bei Frauen. Eine einfache Blasenentzündung der Frau braucht zunächst nicht untersucht werden.
Als Differentialdiagnose zur einfachen bakteriellen Harnwegsinfektion kommen verschiedene Diagnosen in Betracht.
Ursachen für schmerzhaftes Wasserlassen können sein:
Eine Urethritis kann durch Geschlechtskrankheiten wie die Gonorrhoe verursacht werden, wenn die Symptome länger bestehen bleiben, sollte das Sekret, was gewöhnlich bei der Urethritis entsteht, entnommen und in einer Kultur die Bakterien bestimmt werden. Sind keine vorhanden, spricht das für ein Reiter-Syndrom.
Bei der Frau kann eine Blasenentzündung durch Erkrankungen des Genitale nachgeahmt werden, weswegen der Arzt bei unzureichendem Therapieerfolg an eine Entzündung der Scheide und des Scheideneingangs (Vulvovaginitis) sowie der Eierstöcke und Eileiter (Adnexitis) denken muss.
Auch eine Tumorerkrankung der Eierstöcke oder des Unterbauches kann gelegentlich die Symptome auslösen. Ausgeschlossen werden diese möglichen Diagnosen durch eine gynäkologische Untersuchung, eventuell auch mittels Ultraschall.
Etwa die Hälfte der betroffenen Frauen erkrankt kurz nach dem Geschlechtsverkehr an einer unteren Harnwegsinfektion. Es kann durch tatsächliche Keimeinschleppung (Gonnorhoe als Geschlechtskrankheit, Honeymoon-Zystitis oder durch Darmbakterien) geschehen, oder einfach durch die mechanische Reizung.
Gesichert wird der Verdacht mit einem Urinstatus und der genauen Befunderhebung (Anamnese).Darüber hinaus sind Harntransportstörungen wie narbig verwachsene Harnleiter oder Nierenzysten, Nieren- oder Blasensteine und beim Mann eine zu große Prostata (Prostatahyperplasie) als Ursache der Symptome möglich, sie werden durch eine Ultraschall- oder eine Prostatauntersuchung geprüft.
Besonders bei Blut im Urin (dunkler Urin) könnte auch mal ein Blasen- oder Nierentumor dahinter stecken. Zwar sind meist einfache Blasen- oder Nierensteine der Auslöser, trotzdem muss eine Darstellung der ableitenden Harnwege mit Kontrastmittel erfolgen. Durch jede Manipulation wie eine Blasenspiegelung oder das Legen eines Blasenkatheters können Bakterien eingeschleppt werden, weswegen streng auf eine hygienische Durchführung geachtet werden muss.
Da eine in der Schwangerschaft bestehende, symptomlose Ansammlung von Bakterien im Urin immer therapiert werden sollte, wird bei den Kontrolluntersuchungen in der Schwangerschaft zur frühzeitigen Erkennung immer ein Urinschnelltest gemacht.
Möglicherweise liegt auch eine Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus vor. Der erhöhte Zuckergehalt im Urin wird mit dem Urinschnelltest abgeklärt, bei dem Verdacht auf Blasenentleerungsstörungen wird der Restharn bestimmt.
Auch bestimmte Medikamente können zu einer Nieren- und Blasenerkrankung führen, eine genaue Erfragung der Krankengeschichte hilft weiter.
Weitere Auslöser die berücksichtigt werden müssen sind Immunschwäche und eine strahlenbedingte Zystitis durch eine Strahlentherapie bei Krebsleiden (wenn die Blase mitbestrahlt wurde).
Die wichtigste Therapie ist, viel zu trinken. Je mehr desto besser. Als Mindestmaß werden oft vier Liter Tee oder Wasser pro Tag verlangt, die die Bakterien aus dem Harntrakt ausschwemmen sollen. Zwar haben viele Patienten Angst vor dem Trinken, da das Wasserlassen schmerzhaft ist, aber weil die Bakterien verdünnt und regelmäßig weggespült werden, werden die Schmerzen bald vergehen.
Zusätzlich hilft lokale Wärme durch eine Wärmflasche, auch Fußbäder bei kalten Füßen helfen weiter. Vollbäder können weitere Keime einschleppen und sind daher nicht geeignet.
Bei Männern sollten grundsätzlich zu den allgemeinen Maßnahmen Antibiotika gegeben werden, da man bei ihnen von einer komplizierten Infektion ausgehen kann, ebenso bei kleinen Kindern.
Bei Frauen kann versucht werden, zunächst mit den Alternativen zurechtzukommen. Bei einer unteren Harnwegsinfektion reicht eine zusätzliche Gabe eines Antibiotikums von ein bis drei Tagen aus.
Bei einer Nierenbeteiligung muss zusätzlich immer ein Antibiotikum genommen werden.
Bei Krämpfen ist ein krampflösendes Mittel (Spasmolytikum) hilfreich, gegen die Schmerzen kann ein Schmerzmittel (Analgetikum) eingesetzt werden. Das sollte wegen eventueller nierenschädigender Nebenwirkungen aber unbedingt mit dem Arzt besprochen werden.
Bei unkomplizierten Harnwegsinfekten bleiben keine Schäden zurück.
Bei chronischen Entzündungen oder schwierigen Verläufen, zum Beispiel bei einer aufsteigenden Infektion mit Nierenbeteiligung, droht akut eine Blutvergiftung (Urosepsis), langfristig kann eine unzureichende Nierenfunktion (chronische Niereninsuffizienz) entstehen, die nur mit einer lebenslangen Blutwäsche (Dialyse) oder einer Nierentransplantation behandelt werden kann.
Liegt eine Infektion der Genitale vor, kann es sogar zu einer Unfruchtbarkeit der Frau oder der Unfruchtbarkeit des Mannes kommen.
Vorbeugung ist besonders für Frauen wichtig. Dazu gehört eine richtige Intimpflege mit geeigneten Pflegemitteln (keine Seife oder Duschgel, es zerstört die natürliche Flora der Haut und verändert den pH-Wert). Nach dem Toilettengang immer mit frischem Toilettenpapier von vorne nach hinten wischen, um Darmbakterien nicht in die Harnröhren- und Scheidenöffnung zu bringen.
Wenn die Probleme durch Geschlechtsverkehr entstehen, kann vorheriges Waschen des Intimbereiches beider Partner mit alkalifreien Mitteln helfen, verbunden mit einem baldigen Toilettengang nach dem Geschlechtsverkehr und Trinken von Wasser.
Außerdem sollten mindestens 2 Liter Flüssigkeit am Tag getrunken und die Blase regelmäßig entleert werden. Aber Vorsicht, Alkohol, Kaffee, schwarzer Tee, saure Fruchtsäfte und Früchtetees sind während der Entzündung tabu, sie säuern den Harn zu stark an und verursachen dadurch noch mehr Schmerzen.
Kälte, Zug und kalte Füße sollten strikt durch geeignete Kleidung vermieden werden. In manchen Fällen, besonders bei häufigen Harnwegsinfekten, ist eine medikamentöse Prophylaxe sinnvoll.
In leichteren Fällen hilft oft auch ein Glas Cranberriesaft (eine Art Preiselbeere) am Abend oder die getrockneten Früchte, mittlerweile bekommt man in der Apotheke auch Cranberriekautabletten.
Vorsicht ist auf jeden Fall bei Blasen- und Nierentees geboten. In ihnen ist meist auch Bärentraubenblättertee enthalten, der einen Hauptteil der Wirkung ausmacht. Allerdings sollte die Dosierung genau eingehalten werden, da er in höheren Dosen nierenschädigend wirken kann.
aktualisiert am 09.02.2023