Varizellen (Windpocken) werden durch VZV (Varizella-Zoster-Virus), einen zu den Herpesviridae gehörenden Erreger, verursacht. Eine endogene Reaktivierung dieses Virus führt zum Zoster (Gürtelrose). Die Gürtelrose tritt häufig am Rumpf auf, sie kann aber auch am Gesicht auftreten und sich als Gürtelrose am Auge darstellen.
VZV ist weltweit verbreitet, weist jedoch eine unterschiedliche Epidemiologie auf. Während Varizellen in unseren Breitengraden eine Erkrankung des Kindesalters darstellt, tritt diese Infektion in subtropischen und tropischen Regionen überwiegend im jüngeren Erwachsenenalter auf. In Deutschland beträgt die Durchseuchung im Erwachsenenalter etwa 95 Prozent. In den letzten Jahren wurde jedoch, nicht nur in Deutschland, eine leichte Verschiebung des Erkrankungsalters in Richtung Jugendlichenalter beobachtet. Da die Komplikationsrate wie auch die Letalität mit zunehmenden Alter des Patienten ansteigt, ist diese Verschiebung von medizinischer Bedeutung. Einziges Reservoir des Virus ist der Mensch. Windpocken sind sehr kontagiös und man geht davon aus, dass sich nach einem stattgehabten aerogenen Kontakt 90 bis 100 Prozent der exponierten Seronegativen anstecken. Saisonale Häufungen werden in Deutschland im Winter und Frühjahr registriert. Neben der Tröpfcheninfektion ist eine Übertragung durch virushaltigen Bläscheninhalt oder Krusten als Schmierinfektion möglich.
Das Virus kann ferner diaplazentar von der infizierten Schwangeren auf den Fetus übertragen werden. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 14 bis 16 Tage. Das Krankheitsbild der Windpocken ist durch ein juckendes Exanthem und Fieber charakterisiert. Die Hautläsionen bestehen aus Papeln, Bläschen und Schorfe, die sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden. Aufgrund des polymorphen Bildes wird dies als ,,Sternenhimmel" bezeichnet. Im Normalfall heilen die Windpocken ohne Narbenbildung ab. Anekdotische Berichte empfehlen die befallenen Hautstellen eher kühl zu halten, da sich hierdurch die Zahl der aufschießenden Effloreszenzen reduzieren lässt (siehe hierzu auch Goethes "Erlkönig"). Zu den häufigsten Komplikationen der Windpocken zählen eine bakterielle Superinfektion der Hautläsionen mit Streptococcus pyogenes oder Staphylococcus aureus. Schwerwiegende Komplikation sind die Varizellenpneumonie sowie die Beteiligung des zentralen Nervensystems mit Meningitis, Enzephalitis, Guillain-Barré-Syndrom, Reye-Syndrom, Myelitis transversa und zerebellarer Ataxie. Bei einer Infektion der Schwangeren vor der 21. Schwangerschaftswoche kann es zum konnatalen Varizellen-Syndrom kommen, das durch Skarifikationen, Ulcera, Narben, Gliedmaßenhypoplasie, Mikroophthalmie, Chorioretinitis, Katarakt und Hirnatrophie gekennzeichnet ist. Bei einer Varizellen-Infektion der Schwangeren 5 Tage vor bis 48 Stunden nach der Geburt können neonatale Windpocken auftreten, die in etwa 30 Prozent tödlich (letal) verlaufen.
Die überarbeiteten Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) vom 23. Juli 2004 weisen die Impfung gegen Varizellen jetzt als generelle Routineimpfung für alle Kinder im Alter von 11 bis 14 Monaten aus. Dies ersetzt die bisherige Empfehlung der STIKO, die diese Impfung nur als Indikationsimpfung für spezielle Risikogruppen klassifizierte. Damit passte die STIKO ihre Empfehlung an ein Positionspapier der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an, welches besagt, dass eine allgemeine Impfung gegen Windpocken in wohlhabenden Industrieländern, in denen Erkrankungen durch Varizella-Zoster-Virus (VZV) ein wichtiges Gesundheitsund Kostenproblem darstellen, erwogen werden könnte. Der Freistaat Sachsen hatte die generelle Impfempfehlung gegen Varizellen bereits im Frühjahr 2003 eingeführt. Obwohl seit mehreren Jahren eine Reihe von klaren Indikationen für die Impfung gegen Varizellen bestanden, war die Akzeptanz dieser Präventionmaßnahme eher gering. Durch die generelle Impfempfehlung hofft man eine breitere Basis zu finden und damit auch hohe Durchimpfraten, wie bei MasernMumps-Röteln zu erzielen. Mit dem in Kürze verfügbaren Vierfach-Impfstoff (Masern-Mumps-Röteln-Varizellen) dürfte die Compliance der Impfärzte bzw. der Eltern steigen und damit dieses Ziel sicherlich erreicht werden. Aktuell soll die Varizellen-Impfung entweder simultan mit der 1. Masern-Mumps-Röteln-Impfung verabreicht werden oder frühestens 4 Wochen nach dieser.
Letzte Aktualisierung am 15.03.2022.