Ein niedriger Blutdruck (Hypotonie) besteht, wenn der obere (systolische) Blutdruckwert unter 100 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) liegt. Der Normalwert des Blutdrucks beträgt 120/80 (120 zu 80 mmHg). Der zweite (diastolische) Wert hat bei einem niedrigen Blutdruck nur eine kleine Bedeutung, er liegt typischerweise bei Hypotonie unter 65 mmHg. Die Hypotonie hat verschiedene Ursachen. Sie kann anlagebedingt bestehen, aber auch durch andere Erkrankungen, die Gabe bestimmter Medikamente oder weitere Störungen verursacht werden. Eine Therapie der Hypotonie ist nicht immer erforderlich, der niedrige Blutdruck kann aber mit einfachen Maßnahmen oder teils auch mit Medikamenten behandelt werden.
Zuerst lässt sich niedriger Blutdruck in eine arterielle Form und in eine orthostatische Form unterteilen, die auf eine unterschiedliche Weise entstehen.
Die arterielle Hypotonie wird wiederum in eine primäre und in eine sekundäre Form eingeteilt. Die primäre Hypotonie wird auch konstitutionelle oder essenzielle Hypotonie genannt und ist insgesamt auch die häufigste Hypotonie. Die primäre Hypotonie kommt oft bei jungen und schlanken Frauen vor. Meist wird die Veranlagung dazu innerhalb der Familie weitergegeben. Dass es bei den Betroffenen zu einem niedrigen Blutdruck kommt, wird aber auch durch weitere Faktoren wie die Umwelt des Patienten oder Infektionen gefördert.
Die sekundäre Hypotonie entsteht hingegen aufgrund von anderen Erkrankungen oder unter der Gabe von bestimmten Medikamenten. So können Mittel zur Blutdrucksenkung (die natürlich bei Bluthochdruck eingesetzt werden) den Druck so weit reduzieren, dass er zu niedrig wird. Mittel gegen Herzrhythmusstörungen (Antiarrhythmika), Mittel zur Blutgefäßerweiterung, psychisch wirksame Medikamente (Psychopharmaka) oder weitere Wirkstoffe können ebenfalls einen niedrigen Blutdruck hervorrufen.
Hormonelle Störungen können dazu führen, dass blutdruckregulierende Hormone nicht mehr in der benötigten Menge gebildet werden und ein niedriger Blutdruck entsteht. Zu diesen Störungen gehören eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), eine verminderte Bildung von Hormonen (Cortison, Aldosteron) bei einer Nebennierenrinden-Unterfunktion sowie eine Unterfunktion des Vorderlappens der Hirnanhangdrüse (HVL-Insuffizienz).
Erkrankungen des Herzens können bewirken, dass ein niedriger Blutdruck besteht. Eine ausgeprägte Herzschwäche (Herzinsuffizienz) führt dazu, dass in den Arterien kein normaler Blutdruck aufgebaut werden kann. Gleichermaßen kann eine Herzrhythmusstörung zu einer Hypotonie führen. Die Verengung der Hauptschlagader (Aorten-Stenose) lässt nicht mehr so viel Blut durch die Aorta passieren, so dass der Druck in den Arterien geringer ist als er eigentlich sein sollte. Außerdem kann eine Herzbeutelentzündung (Perikarditis) oder ein Bluthochdruck der Lungenbahn (pulmonale Hypertonie) zum niedrigen Blutdruck führen. Außerdem kann eine akute Lungenembolie (Verschluss eines Blutgefäßes der Lunge) bewirken, dass weniger Blut aus der Lunge in den linken Herzanteil gelangt und demzufolge auch weniger Blut in den großen Körperkreislauf gepumpt werden kann - ein niedriger Blutdruck ist die Folge.
Allergische Reaktionen sind manchmal die Ursache dafür, dass der Blutdruck niedrig wird. Kreislaufschocks können eine Hypotonie herbeiführen - die Grundursachen von Schocks können ganz unterschiedlich sein. Eine vorübergehende Hypotonie kann auch auf eine Infektion hin bestehen.
Blutverluste wie z. B. nach Verletzungen können natürlich ebenfalls eine Hypotonie mit sich bringen, weil das Blutvolumen geringer wird. Gleiches gilt für einen starken Flüssigkeitsverlust, wie er z. B. nach Durchfall und Erbrechen, bei starkem Schwitzen, nach größeren Verbrennungen oder bei wesentlich zu geringer Trinkmenge auftritt. Wenn im Blut zu wenig Natrium vorhanden ist, dann kommt es zur verstärkten Aufnahme von Flüssigkeit in die Zellen (wegen einer Osmose-Wirkung), so dass das Blutvolumen und damit der Blutdruck sinkt. Einen Einfluss auf den Blutdruck hat sogar die körperliche Verfassung, weshalb z. B. eine längere Zeit der Bettlägerigkeit zum Absinken des Blutdrucks führen kann.
Die orthostatische Hypotonie (auch: Orthostase-Syndrom) tritt auf, wenn eine Person plötzlich aufsteht, insbesondere nach dem Liegen, Sitzen oder nach einer Hocke. Viel Blut sammelt sich schnell in den Beinvenen an, da der Körper sich erst auf die neue Position einstellen muss. Dadurch steht zunächst nur wenig Blut für das Herz und die allgemeine arterielle Durchblutung zur Verfügung. Als Reaktion kommt es zu einer Beschleunigung des Herzschlages sowie zur Kontraktion der Arterien, damit der Blutdruck in den Arterien sich erhöht. Dies genügt aber bei einigen Menschen nicht, um vor allem die Durchblutung des Gehirns konstant zu halten. So kann es vorkommen, dass Betroffenen kurz schwindlig oder schwarz vor Augen wird oder es gar zum Bewusstseinsverlust für kurze Zeit kommt (Synkope). Die Problematik zeigt sich besonders bei ruhigem Stehen, denn die sogenannte Muskelpumpe wird nicht durch Beinbewegung in Gang gesetzt und das Blut aus den Venen wird nicht nach oben gedrückt. Wärme und Hitze verstärkt die Symptomatik, weil dann die Hautdurchblutung zur Kühlung verstärkt ist und noch weniger Blut frei zur Verfügung steht. Ein typisches Szenario ist der Besuch eines Konzerts im Stehen. Dort herrscht wenig Bewegungsfreiheit, es ist heiß und oft haben die Betroffenen nicht genügend Wasser zu sich genommen (so dass sie sich auch noch nicht einmal zur Toilette bewegen müssen).
Eine vasovagale Synkope ist ein Zustand, bei dem eine starke Stimulation des Vagusnervs (Nervus vagus) zu einer ausgeprägten Erweiterung der Beinvenen führt. Das Blut "versackt" dort, unter anderem deshalb wird der Blutdruck schnell niedrig und es kann zu einer kurzzeitigen Bewusstlosigkeit kommen. Die vasovagale Synkope kann durch starke Emotionen, schwere Belastung, Schmerzen, Angst, langes Stehen oder Organreflexe ausgelöst werden.
Husten, heftiges Lachen oder Pressen beim Stuhlgang kann bei manchen Menschen eine kurzzeitige Ohnmacht provozieren, da der Blutfluss zurück zum Herzen wegen des Druckaufbaus reduziert ist. Nach einem Essen kann es insbesondere bei älteren Personen vorkommen, dass mittels der Gefäßregulierung zu viel Blut für die Darmfunktion abgestellt wird und zu wenig für den Rest des Kreislaufs zur Verfügung steht. Ein Blutdruckabfall und eventuell eine kurze Ohnmacht (Synkope) kann die Folge sein. Des Weiteren können Schwangere an einem Vena-cava-Kompressionssyndrom leiden: Die untere Hohlvene (Vena cava inferior) wird durch das wachsende Baby zusammengedrückt und der Blutrückfluss in das Herz vermindert, so dass ebenfalls gewissermaßen Blut in den Venen "versackt".
Mit dem Nervensystem kann ein niedriger Blutdruck ebenfalls zusammenhängen, da es den Blutdruck steuert. So kann eine Hypotonie als Folge einer Gehirnerschütterung oder längerfristig durch Nervenschäden bei einem Diabetes (Zuckerkrankheit), einer Parkinson-Erkrankung, einer Multiplen Sklerose (MS) oder bei weiteren Nervenkrankheiten bestehen.
Manche Menschen bekommen eine Synkope (Ohnmacht) durch ein Carotis-Sinus-Syndrom. In der Halsschlagader (Arteria carotis) befinden sich Rezeptoren, die den Blutdruck registrieren, was der Steuerung des Blutdrucks durch den Körper dient. Das Carotis-Sinus-Syndrom ist ein übermäßiger Reflex dieser Regulierung, der dazu führt, dass der Vagusnerv (Nervus vagus) stark aktiviert wird. Unter anderem wird die Herzfrequenz gesenkt. Das Carotis-Sinus-Syndrom kann beispielsweise durch Drehung des Halses oder durch sehr enge Hemden oder Krawatten hervorgerufen werden.
Viele Menschen, die einen niedrigen Blutdruck haben, bemerken dies gar nicht. Bei einigen kommt es aber zu Symptomen. Die arterielle Form der Hypotonie führt, anders als die orthostatische Form, eher chronisch zu Beschwerden. Der Blutdruck ist meist dauerhaft erniedrigt. Patienten fühlen sich oft schlapp und müde, sie benötigen mehr Schlaf und haben ein geringeres Leistungsvermögen als vorher. Morgens brauchen sie länger, um fit zu werden. Sie haben Probleme, sich zu konzentrieren, können andererseits aber auch Schlafstörungen bekommen. Manche Betroffene haben Symptome einer depressiven Verstimmung. Ein anderes Zeichen für die Hypotonie sind kalte Füße und kalte Hände.
Die orthostatische Hypotonie hingegen tritt sehr akut auf. Die Symptome ergeben sich direkt, nachdem Betroffene aus sitzender, hockender oder liegender Position aufstehen. Betroffenen wird schwindlig, teils schwarz vor Augen. Die Wahrnehmung wird eingeengt. Viele bekommen auch ein kurzfristiges Ohrensausen (Tinnitus) oder Kopfschmerzen. Das Herz schlägt schneller. In einigen Fällen kommt es zur kurzzeitigen Bewusstlosigkeit. Eine bestimmte Form der orthostatischen Hypotonie kann zu Schmerzen hinter dem Brustbein, einer Empfindung der Beklemmung oder zu kaltem Schweiß und Hautblässe führen. Eine eintretende Bewusstlosigkeit kann dazu führen, dass Betroffene hinfallen und sich Verletzungen bis hin zu Knochenbrüchen oder Kopfverletzungen zuziehen.
Eine Untersuchung beginnt mit dem Gespräch des Arztes mit dem Patienten, der Anamnese. Vorerkrankungen und das Auftreten von Symptomen sowie mögliche Ursachen kommen dort zur Sprache.
Hegt der Arzt einen Verdacht, dass ein niedriger Blutdruck bestehen könnte, wird er einige Untersuchungen durchführen. Dazu gehört der Schellong-Test: Der Patient liegt erst für zehn Minuten und muss dann für zehn Minuten stehen. Während des Tests wird immer wieder der Blutdruck gemessen.
Der Langzeit-Blutdruck des Patienten wird bestimmt, indem er für 24 Stunden ein Gerät bekommt, das regelmäßig den Druck misst und aufzeichnet. Andere sinnvolle Untersuchungen bei bestimmten Befunden sind Blutuntersuchungen (unter anderem zur Bestimmung von Hormonen), EKG (Elektrokardiogramm, um Herzrhythmusstörungen oder Herzschwäche zu erkennen) oder Röntgen und Ultraschall.
Eine Kipptisch-Untersuchung wird vorgenommen, wenn eine vasovagale Synkope (Blut "versackt" wegen Einfluss des Vagusnervs in den Venen) bestätigt werden soll und von einer orthostatischen Hypotonie unterschieden werden soll. Der Patient liegt auf einem Tisch. Nach 15 bis 20 Minuten wird der Tisch aufgerichtet, der Patient befindet sich dann für 45 Minuten in stehender Lage. Wenn sofort nach dem Aufrichten ein Bewusstseinsverlust eintritt, der Blutdruck absinkt und die Herzfrequenz steigt, dann besteht eine orthostatische Hypotonie. Tritt der Bewusstseinsverlust mit Hypotonie und verminderter Herzfrequenz erst später bei der Untersuchung auf, dann handelt es sich um eine vasovagale Synkope.
Viele mögliche weitere Untersuchungen stehen zur Verfügung, um eine orthostatische Hypotonie mit kurzzeitigem Bewusstseinsverlust (Synkope) genauer zu beurteilen. Mit den Untersuchungen können unterschiedliche Ursachen voneinander abgegrenzt werden.
Wichtig ist es, bei einer Hypotonie die möglichen Ursachen voneinander zu unterscheiden und bei einem Patienten zu untersuchen, aus welchem Grund der niedrige Blutdruck besteht.
Meist ist eine Hypotonie nicht gefährlich, bei einem Teil der Patienten ist keine ärztliche Behandlung notwendig. Maßnahmen wie vermehrte Flüssigkeitsaufnahme, Tragen von Kompressionsstrümpfen (Thrombosestrümpfe) oder ein Gefäßtraining sind oftmals ausreichend, um der Hypotonie entgegenzuwirken. Zum Trinken eignen sich für Betroffene unter anderem Tees (grüner oder schwarzer Tee) und eher salzige Getränke. Auch die Ernährung allgemein sollte für Betroffene ausreichend Salz enthalten.
Wurde eine Ursache für den niedrigen Blutdruck in den Untersuchungen festgestellt, so setzt die Therapie daran an. Hängt die Störung mit Medikamenten zusammen, dann werden sie durch den Arzt durch andere Mittel ersetzt oder in der Dosis verringert. Besteht eine Engstelle in der Aorta, dann kann eine Operation in Frage kommen.
Medikamente gegen niedrigen Blutdruck werden häufig bei der orthostatischen Hypotonie eingesetzt. So gibt es Präparate, die einen Teil des Nervensystems, den Sympathikus, anregen (Sympathomimetika). Der Sympathikus sorgt entgegen des Vagusnervs (Parasympathikus) für eine Verengung der Arterien und eine verstärkte und schnellere Herztätigkeit, so dass auch der Blutdruck steigt. Mineralocorticoide sind weitere Medikamente zur Behandlung niedrigen Blutdrucks, sie vermindern die Abgabe von Salz über die Nieren und erhöhen damit die Blutmenge. Bei der Gabe von Medikamenten gegen niedrigen Blutdruck müssen immer die möglichen Nebenwirkungen bedacht werden.
Akut können verschiedene Maßnahmen eine Synkope (Ohnmacht) verhindern oder dann helfen, wenn es zu einer Bewusstlosigkeit gekommen ist. Besteht ein Bewusstseinsverlust durch niedrigen Blutdruck, dann sollten die Beine hochgelagert werden. So fließt das Blut wieder in Richtung Herz zurück und die gute Durchblutung von Organen wie dem Gehirn ist wieder gewährleistet. Meist finden Betroffene aber auch rasch von selbst ihr Bewusstsein wieder.
Patienten, bei denen die Störung bekannt ist, sollten Anzeichen einer Blutdruckverminderung mit möglicher Synkope erkennen können. Sie sollten sich dann hinlegen oder zumindest hinsetzen. Unterstützend wirkt eine Bewegung der Zehen und Füße, die im Wechsel gestreckt und gebeugt werden sollten. So wird die sogenannte Muskelpumpe aktiviert, die den Bluttransport in den Beinvenen unterstützt. Wenn (meist innerhalb von Sekunden nach dem Hinlegen oder Setzen) eine Besserung eintritt, kann der Betroffene oftmals schon wieder vorsichtig und langsam aufstehen.
Auf längere Sicht vorbeugend hilft ein Kreislauftraining mit Ausdauersportarten. Abwechselnd heiße und kalte Duschen und Bäder helfen, die Gefäße zu stärken und auch eine Bürstenmassage kann hilfreich sein. Manche Einrichtungen bieten ein regelrechtes Kipptisch-Training an, um den Kreislauf zu stärken.
Ein niedriger Blutdruck hat allgemein eine günstige Prognose. Die Erkrankung ist in der Regel nicht gefährlich. Wenn jedoch Patienten ohnmächtig werden und stürzen, kann dies eine Gefahr von Verletzungen bedeuten. Knochenbrüche oder Kopfverletzungen mit Hirnblutungen lassen sich insbesondere bei älteren Betroffenen nicht ausschließen.
aktualisiert am 15.12.2023