08.04.2004 - Schwarzer Hautkrebs ist besonders aggressiv. Seit längerem ist die Impfung gegen diesen heimtückischen Krebs im Gepräch. Dabei soll das körpereigene Immunsystem gezielt trainiert werden, um den Tumor erfolgreich zu bekämpfen. In der Vergangenheit gab es aber Aufregung um eine geschönte Studie, bei der Patienten überhöht abgerechnet worden waren. Die Deutsche Krebshilfe hatte daraufhin ihre Finanzierung gestoppt.
Impfung gegen Hautkrebs - funktioniert das, oder ist das alles Betrug? William Vorsatz ist ihr Ende März auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie in Halle nachgegangen. Dort war die Spritze gegen den Krebs wieder Thema: Wenn der schwarze Hautkrebs erst einmal Metastasen bildet, haben die Patienten meist nur noch wenige Monate zu leben, Auch Skalpell, Strahlen und Chemobehandlungen helfen dann kaum. Seit 30 Jahren ist bei der Therapie eigentlich nichts mehr passiert, klagt Thomas Berger, dermatologischer Forscher vom Universitätsklinikum Erlangen.
"Der Wunsch ist, dass man eine Therapie entwickelt, die besser ist, als die Standardtherapie", erklärt Berger. Dies sei auch nicht so schwierig, denn die "Standardtherapie" wäre lausig, beim Melanom. Die Ansprechrate läge bei 15%: soviele Prozent der Patienten zeigen überhaupt ein Ansprechen auf den Tumor, dies hätte noch keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben.
Doch schon seit einigen Jahren verfolgen verschiedene Wissenschaftler in aller Welt einen neuen, vielversprechenden Ansatz: Das eigene Immunsystem gegen den Tumor zu aktivieren. Es funktioniert jedoch nicht so einfach: Weil der Krebs kein Fremdkörper ist wie etwa Viren und Bakterien. Also muss das Immunsystem gegen die heimlichen Feinde aufrüsten. Vielversprechend scheint es, körpereigene Ordnungshüter zu aktivieren, auf ganz bestimmte Eigenschaften zu achten, wie sie einzig und allein bei Krebszellen zu finden sind. Etwa Proteine oder Eiweiße an der Oberfläche der Tumorzellen, die so bei gesunden Zellen nicht vorkommen.
So genannte dentritische Zellen sind genau darauf spezialisiert. Sie patrouillieren durch den Körper und fressen alle möglichen körperfremden Stoffe. Dann wandern sie in die Lymphknoten und präsentieren dort ihre Beute. So stimulieren sie das Immunsystems zur Verteidigung. Allerdings: bei Tumoren ist dieser Effekt wegen der Tarnung nur sehr schwach. Deshalb muss den "Patrouillen" geholfen werden.
"Ein ganz wesentlicher Ansatz ist eben, dentritische Zellen im Grunde genommen aus dem menschlichen Körper zu isolieren, in verschiedenen Verfahren aufzubereiten und anschließend wieder dem Patienten zurückzugeben, damit der Körper letztendlich mit der Beherrschung dieses Tumors fertig wird und eine Metastasierung, einen Streuung dieses Tumors auf andere Organe ausbleibt", erläutert Joachim Kresken, Vorsitzender der Gesellschaft für Dermopharmazie.
Beim schwarzen Hautkrebs gelänge dies noch am besten, weil die dentritischen Zellen ihre Feinde wenigstens schwach erkennen wüden. Andere Krebsarten hätten dafür generell zu wenig Unterscheidungsmerkmale. Im Sommer letzten Jahres allerdings war eine gemeinsame Studie verschiedener Forschungszentren zur Krebsbehandlung mit dentritischen Zellen in die Kritik geraten. Schweizer Forscher haben ihre Ergebnisse hochgelobt und Patienten für die kostspielige Therapie abkassiert, obwohl die Resultate tatsächlich äußerst wage waren. Die Deutsche Krebshilfe hatte daraufhin ihre finanzielle Unterstützung eingestellt.
Und auch Berger grenzt sich heute ab: " In einer Multicenter-Studie muss man den kleinsten gemeinsamen Nenner finden. Und dieser kleinste Nenner beruht natürlich darauf, wie qualifiziert sind die Leute, die diese Zellen herstellen, wie gut sind die Labors ausgestattet, was ist möglich überhaupt." Er spricht von Qualitästverlust. Die dentritischen Zellen, die in einem solchen Verbund verwendet würden, hätten nicht die gleiche Qualität.
Außerdem sei es für Studien zur Wirksamkeit sowieso noch zu zeitig. Momentan gehe es erst mal um Frühphasen, wo die generelle Verträglichkeit und Dosis der Impfung geprüft werden muss. Die Spritzen kosten momentan immerhin um die 10.000 Euro - pro Impfung, und sie müssen wiederholt werden. In der ersten Phase wird alle 2 Wochen geimpft, später sind längere Abstände möglich, mit bis zu zwei Impfungen im Jahr.
Berger plädiert für eine lebenslange Impftherapie, weil niemand weiß, wann sie wirklich überflüssig ist. Selbst nach 15 oder 20 Jahren kann es beim schwarzen Hautkrebs noch zu Metastasen kommen. Gern würden die Forscher ihre dentritischen Zellen allerdings schon in früheren Krebsstadien testen. Dann sind die Tumorzellen genetisch noch nicht so ausdifferenziert und damit leichter zu bekämpfen.
Bei anderen Erkrankungen macht es übrigens Sinn, die Aktivität der dentritischen Zellen zu dämpfen. Etwa bei den Autoimmunkrankheiten wie Diabetes, Schuppenflechte und rheumatischen Erkrankungen. Die auch als Dirigenten des Immunsystems bezeichneten Zellen sind offenbar ein wichtiger Schlüssel für viele Therapien...