Prof. Thiele: Ein kardiogener Schock ist letztendlich die Unfähigkeit des Herzens, einen stabilen Kreislauf aufrechtzuerhalten. Wird dieser Schock nicht beendet, führt dies unweigerlich zum Tod. Die häufigste Ursache für einen kardiogenen Schock ist ein akuter Herzinfarkt. Etwa 10 % der Patienten mit einem Herzinfarkt entwickeln einen kardiogenen Schock, da durch den Infarkt in der Regel so viel Herzmuskelgewebe geschädigt wurde, dass das Herz seine Pumpfunktion und die Herzkraft nicht mehr ausreichend aufrechterhalten kann. Dadurch kann der Blutdruck nicht mehr ausreichend reguliert werden und die Versorgung lebenswichtiger Organe funktioniert nicht mehr. Es gibt aber auch andere Ursachen für die Entwicklung eines kardiogenen Schocks, z. B. Patienten mit einer vorbestehenden Herzschwäche, die durch eine Infektion plötzlich in einen Schockzustand geraten können. Man spricht dann von einem kardiogenen Schock, der durch die Herzschwäche bedingt ist. Auch das ist nicht selten, aber die häufigste Ursache ist, wie gesagt, der akute Herzinfarkt, der zu einem kardiogenen Schock führen kann.
Wird dieser Schock nicht beendet, führt dies unweigerlich zum Tod.
Prof. Thiele: Patienten, die einen kardiogenen Schock erleiden, zeigen häufig folgende Symptome: Sie sind kaltschweißig, haben oft sehr kalte Extremitäten wie Beine und Hände und ihr Blutdruck ist stark abgefallen. Viele dieser Patienten haben ein blasses oder aschfahles Gesicht. Als Ärzte beobachten wir bei ihnen oft auch neurologische Auffälligkeiten wie Verwirrtheit. Häufig ist auch die Nierenfunktion eingeschränkt, sodass die Patienten keinen Urin mehr ausscheiden können. All diese Symptome können im Rahmen eines kardiogenen Schocks auftreten.
Prof. Thiele: In der Regel handelt es sich um Patienten, die einen Herzinfarkt erleiden. Dies sind meist Personen mit bestimmten Risikofaktoren. Zu den klassischen Risikofaktoren gehören Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes, erhöhte Cholesterinwerte und ein insgesamt geringes Maß an körperlicher Aktivität. Sie werden auch als modifizierbare Risikofaktoren bezeichnet. Es gibt aber auch Risikofaktoren, die wir nicht beeinflussen können, wie zum Beispiel das Alter oder das Geschlecht. Männer erleiden häufiger einen Herzinfarkt und können auch häufiger einen kardiogenen Schock entwickeln. Patienten mit einem kardiogenen Schock haben einen Altersschwerpunkt zwischen 60 und 70 Jahre alt.
Männer erleiden häufiger einen Herzinfarkt und können auch häufiger einen kardiogenen Schock entwickeln.
Prof. Thiele: Die Patienten merken oft selbst sehr gut, dass es ihnen sehr schlecht geht. In jedem Fall ist ein sofortiges Handeln erforderlich. Die Patienten sollten sofort in ein spezialisiertes Schock-Zentrum gebracht werden, mindestens aber in ein kardiologisches Zentrum mit Herzkatheterlabor, wenn ein Herzinfarkt als Ursache vermutet wird. Dies ermöglicht eine schnelle und effektive Behandlung.
Prof. Thiele: Manchmal kann Nitro in dieser Situation die Beschwerden lindern, zumindest am Anfang, wenn der Blutdruck nicht zu niedrig ist. In der Regel ist es jedoch besser, so schnell wie möglich Hilfe zu holen und die Notrufnummer 112 anzurufen. So kann der Notarzt schnell vor Ort sein und den Patienten in die entsprechende Einrichtung überweisen.
Prof. Thiele: Ist die Ursache ein Herzinfarkt, wird der Patient ins Katheterlabor gebracht, wo wir eine sogenannte Herzkatheteruntersuchung durchführen. Dabei untersuchen wir die Herzkranzgefäße, um festzustellen, wie sie beschaffen sind. Ist ein Gefäß verstopft, behandeln wir es mit einer Ballonangioplastie, bei der wir das Gefäß mit einem Ballon aufdehnen und anschließend einen Stent einsetzen. Dies ist derzeit die einzige Therapie, die nachweislich die Sterblichkeitsrate von Patienten mit kardiogenem Schock als Folge eines Herzinfarktes senken kann. Früher lag die Sterblichkeitsrate bei 80 Prozent, heute ist sie immerhin auf 40 bis 50 Prozent gesunken. Dennoch ist dies sowohl für die Ärzte als auch für die Patienten unbefriedigend, da leider immer noch fast jeder zweite Patient mit kardiogenem Schock stirbt.
Früher lag die Sterblichkeitsrate bei 80 Prozent, heute ist sie immerhin auf 40 bis 50 Prozent gesunken.
Prof. Thiele: Die Daten zu diesem Thema sind da sehr uneinheitlich. Die ersten 30 Tage nach einem kardiogenen Schock stirbt leider immer noch fast jeder Zweite. Es ist jedoch häufig der Fall, dass Patienten, die diese ersten 30 Tage überlebt haben, im Vergleich zu anderen Patienten oder zur Normalbevölkerung eine relativ gute Lebensqualität haben. Das Überleben in dieser Phase ist jedoch die Grundvoraussetzung.
Zu diesem früheren Zeitpunkt sind Einschränkungen oft noch nicht bekannt und es können weitere Untersuchungen erforderlich sein. Viele Patienten, die ein solch schweres Ereignis erlitten haben, verbringen lange Zeit auf der Intensivstation und werden intensivmedizinisch behandelt. Ein großer Teil von ihnen wird über einen längeren Zeitraum künstlich beatmet und einige haben bereits eine Reanimationssituation erlebt. Diese Patienten benötigen dann je nach Grunderkrankung eine längere Rehabilitation, sowohl neurologisch als auch kardiologisch.
Die Genesung dauert oft relativ lange und viele Patienten haben aufgrund des traumatischen Ereignisses auch mit psychischen Problemen zu kämpfen. Es kann lange dauern, bis sie sich vollständig erholt haben und sie müssen lernen, mit ihrer Erkrankung angemessen umzugehen. Viele Patienten leiden auch nach der Genesung unter Atemnot, da die Herzfunktion stark eingeschränkt sein kann.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 10.01.2024.