Prof. Günther: Unter einer Lungenfibrose versteht man eine Verhärtung der Lunge. Der Begriff "fibrotisch" bezieht sich auf die Härte des Gewebes. Die Lunge muss normalerweise sehr elastisch sein, um Volumenschwankungen im Brustkorb zu ermöglichen. Eine Verhärtung der Lunge hat daher schwerwiegende Folgen für den Patienten.
Prof. Günther: Lungenfibrosen können sehr viele Ursachen haben. Tatsächlich kennen wir über 100 verschiedene Unterformen, was sie zu einer der schwierigsten Differentialdiagnosen in der Inneren Medizin macht. Unter diesen vielen Formen gibt es z.B. solche, die rheumatischen Ursprungs sind. Hier ist die Lunge als inneres Organ von einer Systemerkrankung betroffen, die sich auf viele andere Organe wie Nieren, Gelenke, Haut und Magen-Darm-Trakt auswirken kann. In solchen Fällen können Patienten auch andere Symptome aufweisen, die auf das Vorliegen einer solchen Systemerkrankung hinweisen. Etwa 10 bis 15% aller Fälle von Lungenfibrosen lassen sich auf solche rheumatischen Erkrankungen zurückführen. Ansonsten sind die meisten Ursachen rein auf die Lunge beschränkt und werden z.B. durch entzündliche Veränderungen oder durch eine chronische Schädigung der Deckzellen der Lungenbläschen (sogennante Alveolarepithel) vermittelt.
Tatsächlich kennen wir über 100 verschiedene Unterformen, was sie zu einer der schwierigsten Differentialdiagnosen in der Inneren Medizin macht.
Prof. Günther: Im Wesentlichen gibt es zwei Hauptsymptome. Das eine ist der Husten, der aber nicht spezifisch für die Lungenfibrose ist. Husten ist ein grundlegendes Symptom vieler Lungenerkrankungen. Er ist bei ILD Patienten trocken und nicht produktiv, was bedeutet, dass normalerweise nichts abgehustet werden kann. Der Husten entsteht durch eine mechanische Reizung der Nerven und aufgrund entzündlicher Veränderungen. Dieser Husten kann sehr quälend sein und die Lebensqualität vieler Patienten erheblich beeinträchtigen. Leider ist er auch schwer zu behandeln.
Das zweite Hauptsymptom ist die Atemnot, die ebenfalls nicht spezifisch für die Lungenfibrose ist. Atemnot kann schließlich bei fast allen Lungenerkrankungen irgendwann auftreten. Bei der Lungenfibrose tritt sie am Anfang der Erkrankung erst unter Belastung auf. Die Patienten merken anfangs nur bei starker Belastung, dass etwas nicht stimmt und schieben dies oft auf das Alter oder andere Ursachen, ohne zu erkennen, dass es sich um eine Lungenerkrankung handeln könnte. Mit der Zeit verschlimmert sich die Atemnot und tritt auch bei leichter Belastung auf. Im fortgeschrittenen Stadium kann die Luftnot sogar in Ruhe auftreten. Das beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen erheblich, die sich dann oft nur noch wenige Meter in der eigenen Wohnung bewegen können. Viele haben sogar Schwierigkeiten beim Duschen oder bei der Körperpflege.
Pathophysiologisch gesehen führen zwei Hauptfaktoren zu den Symptomen der Lungenfibrose. Zum einen nimmt die Dehnbarkeit der Lunge durch die Verhärtung ab, was die Atemarbeit erhöht und zur Atemnot führt. Zweitens wird der Gasaustausch in den Lungenbläschen durch die vermehrte Ablagerung von Interzellularsubstanz und Vermehrung der Bindegewebszellen beeinträchtigt. Dies führt zu einer Unterversorgung des Blutes mit Sauerstoff und zu einer weiteren Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Die Erkrankung macht sich typischerweise zunächst unter Belastung bemerkbar und kann später auch in Ruhe zu Atemnot führen. Die Verhärtung der Lunge beruht vor allem auf einer vermehrten Ablagerung von Interzellularsubstanz, insbesondere des wichtigen Strukturproteins Kollagen. Dieser Umbau des Lungengewebes führt zu einem Verlust der Gasaustauschfunktion.
Prof. Günther: Patienten mit COPD leiden in erster Linie an einer Erkrankung der Atemwege und weniger der Lungenbläschen. Der Begriff COPD beschreibt eine Verengung der Atemwege, die in der Regel durch zwei Hauptfaktoren verursacht wird: die durch einen Umbau der Atemwegswandung vermittelte Verengung der Atemwege einerseits und andererseits die vermehrte Produktion, gestörte Zusammensetzung und den verminderten Abtransport des Schleimes durch langjähriges Rauchen und/oder andere Umwelteinflüsse. Dies führt dazu, dass die Patienten beim Einatmen relativ leicht Luft in die Lungen bekommen, beim Ausatmen aber Schwierigkeiten haben, die Luft aus den Lungen zu bekommen. Die Patienten sind „überbläht“ und spüren am Ende der Ausatmung, dass sie nicht mehr richtig tief einatmen können.
Im Gegensatz dazu können Patienten mit Lungenfibrose nicht tief einatmen, weil das Lungengewebe steif ist, aber sie fühlen sich nicht überbläht wie COPD-Patienten. COPD-Patienten haben in der Regel einen produktiven Husten, bei dem oft größere Mengen Sekret aus der Lunge kommt. Dies unterscheidet sie von Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose, die hauptsächlich unter trockenem Reizhusten leiden.
Je nach Schweregrad der Atemwegsverengung können bei COPD-Patienten auch sogenannte obstruktive Nebengeräusche wie Giemen, Brummen oder Pfeifen auftreten. Diese werden durch die Verengung der Atemwege verursacht und sind vor allem bei der Ausatmung zu hören im Vergleich zu dem als „Knisterrasseln“ bekannte Geräusch, das bei Patienten mit Lungenfibrose beim Einatmen auftritt. Dieses Knisterrasseln, das in den hinteren unteren Lungenabschnitten zu hören ist, ist spezifisch für fibrosierende Lungenerkrankungen und daher diagnostisch sehr wertvolles Symptom der Lungenfibrose.
Es wäre wahrscheinlich von Vorteil, Patienten mit Symptomen wie Husten und Kurzatmigkeit konsequenter und früher körperlich zu untersuchen, um somit Patienten im Frühstadium der Erkrankung zu identifizieren. Das Knisterrasseln tritt bereits recht früh im Verlauf der Lungenfibrose auf. Es kann z.B. bei Mitgliedern von Familien mit familiärer idiopathischer Lungenfibrose auftreten, selbst wenn sie noch keine subjektiven Symptome oder eine signifikante Beeinträchtigung der Lungenfunktion aufweisen.
Viele Patienten warten aufgrund der oft langsamen Entwicklung der Erkrankung relativ lange, bevor sie einen Arzt aufsuchen, was dazu führt, dass viele erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung diagnostiziert werden. Dies ist ein wichtiger Punkt, da die idiopathische Lungenfibrose als häufigste Form einer fibrosierenden Lungenerkrankung erheblich fortschreiten kann. Unbehandelt sterben etwa 50% der Patienten innerhalb von 2 bis 4 Jahren nach der Diagnose, was zeigt, dass die Aggressivität der Erkrankung belegt. Im Gegensatz dazu überleben COPD-Patienten ihre Erkrankung in der Regel deutlich länger.
Es wäre wahrscheinlich von Vorteil, Patienten mit Symptomen wie Husten und Kurzatmigkeit konsequenter und früher körperlich zu untersuchen, um somit Patienten im Frühstadium der Erkrankung zu identifizieren.
Prof. Günther: Wie zuvor gesagt, gibt es unzählige Unterformen der Lungenfibrose, die die Differentialdiagnose zu einer echten Herausforderung machen. Grundsätzlich zeichnet sich eine Lungenfibrose durch ein restriktives Ventilationsmuster in der Lungenfunktion aus. Das heißt, der Patient kann nicht so tief einatmen. Die Vitalkapazität, die das sehr zuverlässig anzeigt, und auch die totale Lungenkapazität sind entsprechend vermindert. Und man sieht anhand der Lungenfunktion, dass der Patient eigentlich kein Problem mit dem Ausatmen hat. Das Problem der Atemwegsverengung bei COPD-Patienten, die zu einer Flusseinschränkung beim Ausatmen führt, ist bei Lungenfibrose-Patienten in der Regel nicht zu sehen. Im Gegenteil, durch die Vernarbung werden die Atemwege meist sogar etwas geweitet. Das nennt man dann Traktionsbronchiektasen und das verbessert sogar den Fluss beim Ausatmen geringgradig.
Es gibt natürlich Frühformen, die in der normalen Lungenfunktion noch nicht zu einer fassbaren Beeinträchtigung der Vitalkapazität führen. Das würde man dann vielleicht in der Compliance-Messung sehen. Mit dieser kann man die Dehnbarkeit der Lunge separat bestimmen. Das macht man nur nicht so oft, weil man dem Patienten hierzu eine Drucksonde in die Speiseröhre einführen muss, was sehr belastend sein kann. Deswegen wird es im Routinekontext in der Regel eher nicht eingesetzt.
Vor allem durch Blutgasanalysen unter standardisierten Bedingungen kann man den Gasaustausch untersuchen. Dies geschieht durch eine Blutgasanalyse von Blutproben, die vom Ohrläppchen nach Einreiben mit gefäßerweiternden Salben oder durch eine arterielle Punktion gewonnen werden. Hier sieht man in der Regel einen Abfall des Sauerstoffgehaltes im Blut unter Belastung. Dies ist ein klassisches Symptom fibrosierender Lungenerkrankungen. Bei Patienten im fortgeschrittenen Stadium ist der Sauerstoffgehalt im Blut auch unter Ruhebedingungen deutlich erniedrigt. Wir können den Gasaustausch aber auch mittels der sogenannten Diffusionskapazität in der Lungenfunktion messen. Sie ist ein nahezu belastungsunabhängiger Indikator für die Gasaustauschfähigkeit der Lunge. Ist die CO-Diffusion normal, schließt dies in der Regel eine relevante Gasaustauschstörung auch unter Belastung aus. Ist sie eingeschränkt, weist sie auf eine Gasaustauschstörung hin.
Wir können also sowohl die Verhärtung der Lunge als auch die gestörte Funktion der Lunge im Sinne des Gasaustausches im Lungenfunktionslabor nachweisen. Schwieriger wird es, wenn es darum geht, welche Unterform vorliegt. Hierzu muss man eine ganze Reihe von Begleituntersuchungen durchführen. Man würde zum Beispiel immer routinemäßig das Blut auf sogenannte Autoantikörper untersuchen, also versuchen herauszufinden, ob es Hinweise auf eine versteckte rheumatische Erkrankung gibt. Manchmal ist die Lunge das Erstmanifestationsorgan. Das heißt, ich habe gar nicht das Vollbild einer rheumatischen Erkrankung, sondern nur in Ansätzen vielleicht das eine oder andere Symptom, das ich auch nur sehe, wenn ich gezielt nachschaue. Und da kann manchmal so ein Bluttest auf Autoantikörper schon eine gewisse wegweisende Funktion haben. Deswegen machen wir das routinemäßig. In der Erweiterung schaut man auch auf bestimmte Myositismarker. Das ist im weitesten Sinne auch eine Muskelerkrankung, die gerne auch mal mit Lungenfibrosen assoziiert sein kann.
Gerade wenn man es anhand der Anamnese und der Bildgebung nicht ganz ausschließen kann wird man auch nach sogenannten präzipitierenden Antikörpern suchen. Das sind bestimmte IgG-Antikörper, die eine Allergie vom verzögerten Typ auslösen können. Dieser Allergietyp kann einer bestimmten Unterform der Lungenfibrose zugrunde liegen, der sogenannten exogen allergischen Alveolitis. Dabei wird der Patient gegen bestimmte organische Antigene sensibilisiert. Der Klassiker ist die Farmerlunge, wo es zu einer Allergisierung z.B. gegen bestimmte Schimmelpilze im Heu kommen kann, oder der Vogelzüchter, der sich sehr oft im Taubenschlag aufhält und sich gegen Taubenkot und Taubenfedern sensibilisiert. Wenn diese Stäube aufgenommen werden, dann kommt es zu einer verzögerten, aber durchaus heftigen Entzündungsreaktion in der Lunge, die, wenn sie nicht erkannt wird und wenn sie nicht mit Allergenkarenz behandelt und beantwortet wird, dann zu einer Vernarbung, also zu einer Lungenfibrose führen kann.
Das sind also blutbasierte Tests. Eine ganz entscheidende Rolle in der Diagnostik spielt heute die Bildgebung, die sogenannte hochauflösende Computertomographie, kurz HRCT, das ist eine fein aufgelöste CT der Lunge ohne Kontrastmittel. Früher hatten wir eigentlich nur die normale Röntgenaufnahme, die natürlich auch bestimmte Veränderungen wie z.B. knotige oder retikuläre Veränderungen, oder eine Mischung aus beidem oder noch komplexere Strukturen aufgezeigt hat, die aber aufgrund der fehlenden Möglichkeit der räumlichen Auflösung nur eine eingeschränkte diagnostische Aussagekraft hatte.
Prof. Günther: Die Behandlungsmöglichkeiten lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen. Die erste Kategorie umfasst Formen der Lungenfibrose, die grundsätzlich durch entzündliche Prozesse ausgelöst werden. Dazu gehören viele rheumatische Erkrankungen oder z.B. die exogen allergische Alveolitis (Farmer- oder Vogelzüchterlunge, wie zuvor erwähnt). Hier stehen entzündungshemmende Substanzen grundsätzlich zur Verfügung, die mit respektablem Erfolg eingesetzt werden.
Bei der exogen allergischen Alveolitis, wie der Taubenzüchterlunge, ist zudem die Elimination der Allergene entscheidend, was oft bedeutet, den Auslöser der Erkrankung sicher zu identifizieren und entsprechend zu entfernen. Manche Patienten müssen unter Umständen drastische Maßnahmen ergreifen, z.B. aus einer schimmeligen Wohnung ausziehen oder sogar den Beruf wechseln, um allergische Reaktionen zu vermeiden. Trotz der potenziellen Nebenwirkungen von Kortikosteroiden gelten sie als wichtige therapeutische Option, ebenso wie andere immunsuppressive Medikamente. In der Rheumatologie gibt es inzwischen eine Vielzahl von Immunmodulatoren, die bei Erkrankungen mit Lungenbeteiligung wirksam sind.
Eine weitere Kategorie der Lungenfibrose umfasst Formen, die primär durch eine Schädigung der Deckzellen der Lungenbläschen verursacht werden, wie die Idiopathische Pulmonale Fibrose (IPF). In diesen Fällen sind Kortison und andere immunmodulierende Medikamente wenig wirksam. Vielversprechend sind dagegen antifibrotische Medikamente, die die Kollagenproduktion reduzieren und das Fortschreiten der Fibrose verlangsamen.
Neben der medikamentösen Therapie spielen unterstützende Maßnahmen wie Sauerstofftherapie, Impfungen gegen Infektionen und die Behandlung von Begleiterkrankungen wie Lungenhochdruck eine wichtige Rolle. Für Patienten im fortgeschrittenen Stadium kann die Palliativmedizin eine entscheidende Unterstützung sein, um eine gute Lebensqualität bis zuletzt zu gewährleisten.
Die Lungentransplantation ist eine seit vielen Jahren etablierte Therapiemethode, die jedoch nur für ausgewählte Patienten in Frage kommt. Es besteht Einigkeit darüber, dass sie im Vergleich zur z.B. Nierentransplantation noch mit erheblichen Problemen behaftet ist. Die chronische Abstoßungsreaktion der Lunge ist ein relevantes Problem, und bei einer Überlebensrate von 60% nach 5 Jahren ist die Komplikationsrate nicht zu unterschätzen. Für Patienten mit diversen Begleiterkrankungen ist die Transplantation daher keine Option. Dennoch stellt sie einen kurativen Therapieansatz dar, der die Grundlage für die Überwindung der Lungenerkrankung bietet. Gerade bei jüngeren Patienten muss daher immer an diese Option gedacht werden. Aufgrund des Mangels an Spenderorganen muss dies allerdings frühzeitig berücksichtigt werden, auch wenn sich die Patienten in einem Krankheitsstadium befinden, in dem eine Transplantation noch nicht unbedingt erforderlich ist (und dann auch real nicht durchgeführt wird).
Die Behandlung der Lungenfibrose erfordert daher einen ganzheitlichen und individuellen Ansatz, der sowohl medizinische als auch unterstützende Maßnahmen umfasst, um den Patienten bestmöglich zu helfen und ihre Lebensqualität zu verbessern.
Prof. Günther: Das ist natürlich eine sehr wichtige Frage! Was die idiopathische Form, also die häufigste Form der Lungenfibrose, anbelangt, so sind wir derzeit bestenfalls in der Lage, den natürlichen Verlauf zu verlangsamen. Das ist schon tausendmal besser als früher vor Einführung der antifibrotischen Therapie, aber nicht das Ideal, das wir uns wünschen. Es gibt aber durchaus Formen der Lungenfibrose, die im Frühstadium eine sehr gute Rückbildungstendenz zeigen. Ein Beispiel ist die bereits erwähnte Farmerlunge. Wird sie frühzeitig erkannt und ist die Lunge noch nicht vernarbt, befindet sie sich in einem Stadium rein entzündlicher Veränderungen. Durch Identifizierung und Entfernung des Allergens aus der Umgebung des Patienten bzw. einem Milieuwechsel und einer eventuell unterstützende Behandlung mit Steroiden kann die Erkrankung vollständig auf ein nicht mehr nachweisbares Niveau zurückgeführt werden.
Es gibt auch andere Formen, bei denen sich die Bindegewebs-/Stützzellen nicht im Lungengewebe, sondern in den Atemwegen ausbreiten, diese Form bezeichnet man als kryptogen organisierende Pneumonie. Auch diese kann stark einschränkend sein und schließlich zum Tod führen. Sie kann jedoch, wenn sie erkannt wird, sehr gut mit Kortison behandelt werden. Diese stark beeinträchtigende, fibrosierende Lungenerkrankung kann sich innerhalb von zwei bis vier Wochen vollständig zurückbilden. Sie zeichnet sich also durch ein sehr hohes Rückbildungspotenzial aus.
Es gibt Formen, bei denen tatsächlich eine vollständige Wiederherstellung der normalen Lungenstruktur und -funktion, eine sogenannte Restitutio ad integrum, erreicht werden kann. Deshalb ist die Differentialdiagnose so wichtig. Leider gibt es aber auch (viele) Formen, bei denen wir sagen müssen, dass wir noch ziemlich am Anfang stehen oder dass unser Behandlungsspektrum und damit die Prognosen der betroffenen Patienten noch sehr begrenzt ist.
Prof. Günther: Bei einigen Formen der Lungenfibrose, insbesondere bei der Idiopathischen Pulmonalen Fibrose, führt die Vernarbung zu einem erheblichen Verlust der Lungenfunktion. Es ist wichtig zu verstehen, dass dieser Verlust nicht rückgängig gemacht werden kann. Wenn die Therapie zu spät einsetzt, kann die Lungenfunktion nicht mehr vollständig wiederhergestellt werden. Das Beste, was erreicht werden kann, ist eine Stabilisierung des Zustandes zum Zeitpunkt des Therapiebeginns. Daher sollte die Behandlung sofort nach Diagnosestellung beginnen, wie es auch in den Leitlinien für diese Erkrankung empfohlen wird.
Bei anderen Formen der Lungenfibrose kann es dagegen sinnvoll sein, zunächst abzuwarten, den Lebensstil des Patienten anzupassen oder entzündungshemmende Medikamente - wie oben beschrieben - einzusetzen. In solchen Fällen ist es möglich, verlorenen Boden wieder gutzumachen. Bei der idiopathischen Form der Lungenfibrose führt ein verspäteter Therapiebeginn jedoch in der Regel zu einem irreversiblen Verlust der Lungenfunktion. Daher ist bei dieser Form der Lungenfibrose eine frühe und präzise Diagnose sowie ein sofortiger Therapiebeginn von entscheidender Bedeutung, um einen weiteren Funktionsverlust zu verhindern.
Bei einigen Formen der Lungenfibrose, insbesondere bei der Idiopathischen Pulmonalen Fibrose, führt die Vernarbung zu einem erheblichen Verlust der Lungenfunktion.
Prof. Günther: Dies ist eine wichtige Frage, die aufgrund der Unterschiede zwischen den Unterformen nicht pauschal beantwortet werden kann. Zum Beispiel Patienten mit exogen allergischer Alveolitis wie die bereits erwähnte Vogelzüchterlunge oder Farmerlunge: Die Mitarbeit des Patienten bei der Identifizierung des auslösenden Antigens und die strikte Vermeidung künftiger Expositionen sind von entscheidender Bedeutung. Insbesondere Taubenzüchter sind manchmal etwas beratungsresistent, was aufgrund ihrer Liebe zu ihren Tieren verständlich, aber gleichzeitig nicht ungefährlich ist. Für Patienten kann es schwierig sein zu verstehen, dass bereits wenige Moleküle eines Allergens ausreichen können, um eine allergische Reaktion auszulösen oder aufrechtzuerhalten. Deshalb gibt es keine Alternative zu einer bedingungslosen Allergenkarenz, d.h. alles zu meiden, was auch nur im Entferntesten mit der Aktivität in Verbindung gebracht werden kann. Es reicht nicht aus, den Vogel aus der Wohnung zu verbannen, wenn der Käfig noch in der Wohnung steht. Eine gründliche Sanierung durch einen Fachbetrieb ist erforderlich.
Bei Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose ist die Situation schwieriger, da der genaue Mechanismus nicht vollständig geklärt ist und es keine erkennbaren äußeren Ursachen gibt. Viele Patienten fragen, ob sie Sport treiben können, was verständlich ist, da bei anderen Lungenerkrankungen wie COPD Lungensport hilfreich sein kann. Bei Lungenfibrose könnten Sportarten mit generalisierter Inanspruchnahme und deutlich vertiefter Atmung möglicherweise nicht so vorteilhaft sein, die Studienlage ist diesbezüglich noch nicht klar. Die Überdehnung vernarbter Lungenbereiche durch sehr tiefe Atemzüge könnte unter Umständen eine weitere Vernarbung nach sich ziehen. Deshalb rate ich den Patienten, vorsichtig zu sein und sich auf leichte Aktivitäten wie Spaziergänge zu beschränken.
Den Patienten wird eine ausgewogene Ernährung empfohlen. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass eine bestimmte Diät oder bestimmte Lebensmittel einen signifikanten Einfluss auf den Krankheitsverlauf hat. Eine vernünftige Ernährung ist zwar wichtig, kann aber allein den Verlauf einer Lungenerkrankung nicht wesentlich beeinflussen.
Prof. Günther: Rauchen ist ein anerkannter unabhängiger Risikofaktor für viele Formen der Lungenfibrose. Es verursacht nicht nur chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD), sondern auch Bronchialkarzinome (Lungenkrebs) und Lungenfibrosen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschiedlichen relativen Risiken. Auch Nutzer von E-Zigaretten und Vaporizern können schwere Formen von Lungenfibrosen entwickeln. An erster Stelle der Risikofaktoren steht also zweifellos das Rauchen. Es wird vermutet, dass aber auch andere Umweltbelastungen eine Rolle spielen. Ein Beispiel ist die pleuropulmonale Asbestose, die viele Gemeinsamkeiten mit der Idiopathischen Pulmonalen Fibrose aufweist und die eindeutig von einer stattgehabten inhalativen Aufnahme von Asbestfasern ausgelöst wird. Glücklicherweise ist die Häufigkeit dieser Erkrankung seit dem Verbot von Asbest vor etwa 30 Jahren zumindest in der westlichen Welt zurückgegangen. Auch die globale Umweltverschmutzung spielt eine Rolle. Wir wissen, dass Patienten mit Fibrose unter bestimmten Umweltbedingungen sogenannte Exazerbationen (kurzfristige Verschlimmerung) erleiden können. Ob diese Bedingungen allein ausreichen, um eine Fibrose auszulösen, ist jedoch noch nicht ausreichend erforscht, da sie epidemiologisch schwer zu erfassen sind.
Die Lunge ist ein sehr empfindliches Organ. Es ist ratsam, die Exposition gegenüber Staub zu vermeiden, insbesondere wenn seine Zusammensetzung unbekannt ist. Das bewusste Einatmen von Substanzen, insbesondere aus E-Zigaretten und Vaporizern, sollte vermieden werden. Familienmitglieder sollten wachsam sein, wenn in ihrer Familie Fälle von Lungenfibrose bekannt sind und sich dann erst recht vor schädlichen Dämpfen und Stäuben schützen. Eine familiäre Häufung dieses seltenen Krankheitsbildes deutet auf eine möglicherweise vererbte genetische Erkrankung hin. Daher ist es ratsam, sich frühzeitig untersuchen zu lassen, insbesondere wenn bereits Hinweise auf eine Erkrankung vorliegen, sei es bei der körperlichen Untersuchung oder bei Lungenfunktionstests.
Rauchen ist ein anerkannter unabhängiger Risikofaktor für viele Formen der Lungenfibrose.
Prof. Günther: Die Forschung auf diesem Gebiet hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Früher wurden vor allem Kortison und Antibiotika eingesetzt, heute stehen entzündungshemmende und antifibrotische Ansätze im Vordergrund. Dies hat zu einer deutlichen Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten geführt, auch wenn dies noch nicht das Endziel ist. Die Entwicklung von Medikamenten, die die Deckzellen der Lunge schützen und regenerieren können, macht vielversprechende Fortschritte. Die Möglichkeit, die Fibrose rückgängig zu machen, könnte durch eine Kombination solcher Therapien erreicht werden. Vielversprechende Entwicklungen gibt es auch bei entzündungshemmenden Medikamenten, die auf bestimmte Interaktionsphänomene zwischen dem Entzündungssystem und den Deckzellen in den Lungenbläschen abzielen. Obwohl viele Entwicklungen auf dem Weg zur Zulassung scheitern, sind wir zuversichtlich, dass in den nächsten Jahren weitere Medikamente auf den Markt kommen, die das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten erweitern und die Prognose der Patienten verbessern werden.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 08.03.2024.