Dr. med. Munther Sabarini, Facharzt für Neurochirurgie, ist Direktor und Gründer der Avicenna Klinik in Berlin. Der Experte für Beschwerden und Krankheitsbilder der Wirbelsäule befasst sich unter anderem mit minimal-invasiven Schmerztherapien.
Eine davon ist die Thermo-Denervation. Anhand einer Patientenbefragung ermittelte er die Erfolge dieser modernen Behandlungsform. Denn niemand kann besser beurteilen, ob eine Vorgehensweise tatsächlich hilfreich war, als die Betroffenen selbst.
Herr Dr. Sabarini, Sie führten eine Patientenbefragung zur Thermo-Denervation durch. Was genau ist das für eine neue Therapie?
Dr. Sabarini: Sehr neu ist diese Therapie nicht – wir wenden sie bereits seit über 20 Jahren mit Erfolg an. Die Avicenna Klinik arbeitet mit einem Dioden-Laser. Entsprechend wird die Behandlung als Laser-Facetten-Denervation, kurz LFD, bezeichnet. Zum Einsatz kommt sie bei bislang therapieresistenten Rückenschmerzen. Vereinfacht erklärt: Punktgenau schaltet der Laser bei 75 Grad Hitze bestimmte Nervenfasern aus. Diese leiten danach keine Impulse mehr an das Schmerzzentrum im Gehirn.
Welche Nerven werden dabei genau ausgeschaltet? Und welche weitere Wirkung hat dies?
Dr. Sabarini: Die einzelnen Wirbelkörper des Rückgrats sind über die sogenannten Facettengelenke nach oben und unten miteinander beweglich verbunden. Diese Verbindung und ihre Funktion entscheiden über die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Auch Facettengelenke sind alters- und verschleißbedingt von Arthrose gefährdet: Spondylarthrose ist äußerst schmerzhaft, aber nicht effektiv behandelbar. Die beste Möglichkeit, den Patienten wieder zu mehr Lebensqualität zu verhelfen, besteht in einer Unterbrechung der „Schmerzleitung“ zum Gehirn. Wird dies fachgerecht durchgeführt, verlieren die Patienten nicht etwa das Körpergefühl oder die Beweglichkeit.
Arthrose entsteht, wenn sich ein Gelenkspalt verengt und die schützende Knorpelschicht beschädigt ist. Einige Nervenäste der hinteren Nervenwurzel, der Ramus-dorsalis, werden dadurch gereizt und durch diese Äste wird der Schmerz über das Rückenmark ins Gehirn weitergeleitet. Wird dieser gereizte Nerv in seiner Funktion ausgeschaltet, sind die Patienten schmerzfrei und können sich entsprechend auch wieder besser bewegen.
Wie wird denn die richtige Stelle ermittelt? Und müssen nicht fallweise mehrere Wirbelgelenke mit dem Laser behandelt werden?
Dr. Sabarini: Richtig, jedes Wirbelgelenk verfügt über mehrere Nervenenden. Mit Hilfe von CT oder Röntgen wird die Lokalisation der Äste des Ramus dorsalis jeweils ausfindig gemacht. Anschließend werden die Laser-Glasfasern durch eine spezielle Kanüle eingeführt. Die Energie des Lasers sorgt für eine punktuelle Hitze um 75° Celsius, wodurch diese Nervenendungen ausgeschaltet werden - sowohl am betroffenen, aber auch am darüber und darunter liegenden Gelenk.
Für wen eignet sich diese Behandlungsform?
Dr. Sabarini: Wir wenden die Thermo-Denervation bei Patienten mit Rückenschmerzen an, die keine Linderung durch konservative Therapien erreichen konnten. Meistens werden arthrotische Veränderungen in den Wirbelgelenken (Facetten) festgestellt. Nicht selten werden die Wirbelgelenke auch bei Bandscheibendegeneration oder -vorfällen, Instabilität der Wirbelsäule und Wirbelgleiten in Mitleidenschaft gezogen. Der Eingriff eignet sich daher gut für Patienten, die unter chronischen Schmerzen in der LWS, HWS, und BWS leiden. Andere Therapieformen kommen in Betracht, wenn die Schmerzen in Arme oder Beine ausstrahlen sollten, neurologische Ausfälle vorliegen und das MRT einen anderen Befund, wie etwa einen ausgeprägten Bandscheibenvorfall, gravierende Spinalkanalstenose oder einen Tumor, aufzeigt.
Wie muss man sich so einen Eingriff als Patient vorstellen?
Dr. Sabarini: Die Denervation wird bei uns stationär unter Vollnarkose durchgeführt. Der Eingriff selbst dauert etwa eine Stunde. Nach einer Beobachtungszeit von ein bis zwei Stunden in einem Aufwachraum, wird der Patient auf die Station verlegt, wo er sich dann einige Tage aufhält.
Hält die Wirkung der Thermo-Denervation an oder muss sie wiederholt werden?
Dr. Sabarini: Patienten können damit rechnen, einige Jahren von Schmerzen verschont zu bleiben. Nervenenden regenerieren sich oder bilden sich neu aus. Die schmerzfreie Zeit kann um viele Jahre verlängert werden, wenn die Patienten ihre Rückenübungen regelmäßig ausführen. Kehren die Schmerzen nach einigen Jahren dennoch zurück, kann die Thermo-Denervation problemlos und mit gleichem Erfolg wiederholt werden.
Gäbe es noch andere Möglichkeiten, solche dauerhaften Rückenschmerzen in den Griff zu bekommen?
Dr. Sabarini: Alternativen, wie die Einnahme von Schmerzmedikamenten, sind keine Dauerlösung, zumal man die Nebenwirkung der Medikamente nicht unterschätzen darf. Die Denervation mit Kälte, die sogenannte Kry-Denervation, ist eine gute Alternative, wirkt aber nur kürzere Zeit als die Thermo-Denervation. Die dritte Möglichkeit ist eine operative Versteifung der betroffenen Wirbelgelenke. Die Vorteile der Thermo-Denervation gegenüber diesen drei Methoden sind offensichtlich.
Wie hoch ist die Erfolgsquote der Thermo-Denervation?
Dr. Sabarini: Wir wollten belastbare Daten zum Therapieerfolg erheben und haben sie über eine Patientenbefragung auch erhalten. Zur Verfügung standen die Berichte von 88 Patienten, die sich zwischen 2012 und 2020 der Laser-Facetten-Denervation unterzogen hatten.
52 Patienten litten an Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. 15 hatten Probleme in der Halswirbelsäule. Weiterhin waren Steißbein, Iliosakralgelenk (Kreuz-Darmbein-Gelenk), oder die Brustwirbelsäule betroffen.
Wir baten die Patienten, ihren Schmerzstatus vor dem Eingriff auf einer Skala von Null bis 10 zu beschreiben. Über 90 Prozent der Befragten befanden sich auf der Schmerzskala zwischen sieben und zehn: Das bedeutet eine dauerhafte Beeinträchtigung von Lebensgefühl und Beweglichkeit.
Nach der Denervation ergab sich ein völlig anderes Bild: 65 Prozent waren schmerzfrei oder fühlten sich deutlich besser. Bei 23 Patienten hielt die Wirkung des Eingriffs fast fünf Jahre lang an.
72 Prozent der Probanden nahmen nach der Denervation keinerlei Schmerzmittel mehr ein, bei 28 Patienten verringerte sich die Dosis erheblich.
20 Patienten verzeichneten keinen Erfolg der Therapie. Doch drei Viertel der Befragten bezeichnete den Eingriff als empfehlenswert.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Das „Facettensyndrom“, die krankhafte Veränderung der Wirbelgelenke, ist die am meisten verbreitete Ursache für Rückenbeschwerden. Zugleich ist diese Problematik am schwersten zu behandeln. Wir haben bei der Thermo-Denervation zwar keine Erfolgsgarantie - doch die Chancen stehen gut, Schmerzpatienten ein bisschen mehr Lebensqualität zu gewinnen.
Letzte Aktualisierung am 24.11.2022.