"Scheidentrockenheit ist ein häufiges, jedoch oft tabuisiertes Problem, unter dem viele Frauen leiden. Betroffen ist jede fünfte Frau, ab dem 45. Lebensjahr sogar jede zweite Frau. Obwohl dieses Tabuthema in den letzten Jahren zunehmend öffentlich, vor allen Dingen, auch von der Pharmaindustrie, diskutiert und therapeutisch beworben wird, ist es enorm wichtig das Wissen und die Problematik öffentlich zu diskutieren. In diesem Artikel werden wir uns eingehend mit den Ursachen, Symptomen Behandlungsmöglichkeiten und präventiven Maßnahmen für die Scheidentrockenheit befassen." ~ Prof. Dr. Gerhard Grospietsch
Prof. Grospietsch: Die Scheidentrockenheit äußert sich durch unterschiedliche Symptome, darunter Juckreiz, Brennen, leichte Blutungen und besonders häufig Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, verbunden mit Libidoverlust. Nicht selten wird der Geschlechtsverkehr unter Schmerzen ertragen oder muss eingestellt werden. Diese Beschwerden können tiefgreifende Effekte auf die Sexualität, die Partnerschaft und insgesamt auf die Lebensqualität der Frau haben.
Prof. Grospietsch: Unterschiedliche Faktoren können zu Scheidentrockenheit führen. Sie können je nach Ursachen in jedem Alter auftreten. Hauptursache ist die abnehmende Hormonproduktion in den Wechseljahren, wodurch die Scheidensflüssigkeit und damit die Feuchtigkeit, die Gleitfähigkeit, die Durchblutung, die Hautdicke im Intimbereich außen und in der Scheide sowie die Elastizität verloren gehen. Das weiche, dehnbare Gewebe schrumpft und kann bis papierdünn und damit verletzlich und berührungsempfindlich werden. Viele Frauen haben dann Probleme damit, Tampons zu verwenden, oder Geschlechtsverkehr ohne Schmerzen haben zu können. Nicht selten treten beim und nach dem Verkehr leichte Blutungen auf. Die Schmerzen können mehrere Tage anhalten. Andere Ursachen aus dem gynäkologischen Bereich sind die Einnahme der Pille, die Stillzeit, Endometriose, Hormonschwankungen im Zyklus (besonders während der Periode und in den Tagen danach), Operationen an der Gebärmutter und den Eierstöcken. Ursache der Beschwerden ist auch hier ein absoluter oder relativer Hormonmangel.
Hauptursache ist die abnehmende Hormonproduktion in den Wechseljahren...
Prof. Grospietsch: Man muss unterscheiden zwischen gynäkologischen und anderen Krankheiten.
Gynäkologische Erkrankungen:
Andere Erkrankungen:
Sonstiges:
Prof. Grospietsch: Während der Wechseljahre, oft schon beginnend Mitte der vierziger Jahre, nimmt der Östrogenspiegel zunächst langsam, mit Erschöpfung der Eierstöcke, rapide ab. Dies führt zu einem langsamen Abbau der Scheidenshaut und des Unterhautgewebes, verbunden mit Verlust von Flüssigkeit, elastischen und kollagenen Fasern, sowie Abbau der oberflächlichen Scheidenhaut-Zellschichten. Das Gewebe wird abgebaut, hauchdünn, verletzlich und berührungsempfindlich. Die Scheide brennt und juckt, gelegentlich blutet sie auch leicht. Ein frühes Zeichen sind oft nachlassende Libido und Beschwerden beim oder nach dem Verkehr. Viele Frauen beachten diese Probleme zu wenig. Meist beruhigen Sie sich mit beruflichen und familiären Belastungen. Es wird schon wieder vergehen! Den zunehmenden Hormonmangel bemerkt jede Frau auch allgemein an der Haut, die ebenfalls dünner, faltiger, trockener wird.
Prof. Grospietsch: Es ist ratsam einen Arzt aufzusuchen, wenn die Symptome länger anhalten oder besonders belastend sind. Wichtig ist - und das weiß ich aus vielen Patientengesprächen und Leidensgeschichten - dass mit dem Gynäkologen explizit die Problematik, insbesondere die sexuelle Beschwerdesituation und die Einschränkung der Lebensqualität angesprochen wird. Aus Scham wird dies häufig von der Patientinnenseite unterlassen. Viele Ärzte, auch das ist Tatsache, sprechen die Patientin auf diese Problematik leider nicht an, insbesondere aus Zeitnot, weil das Wartezimmer voll ist.
Es ist ratsam einen Arzt aufzusuchen, wenn die Symptome länger anhalten oder besonders belastend sind.
Prof. Grospietsch: Zu unterscheiden sind dabei nicht-hormonelle, lokale vaginale Präparate von den lokalen vaginalen Hormonpräparaten.
Lokale, nicht-hormonelle vaginale Präparate:
Sie werden eingeteilt in:
Lokale, vaginale Hormonpräparate:
Prof. Grospietsch:
Pflanzliche Öle: Als Hausmittel sind alle Arten von Ölen geeignet. Sie lindern die Beschwerden und pflegen die Haut des äußeren Genitales und der Scheide. Sie sind auch geeignet als Gleitmittel zum Verkehr. Viele Öle sind normale Bestandteile der Küche und können problemlos verwendet werden, auch Massage- und Babyöle. Die Palette ist groß. Viele Betroffene sind auch experimentierfreudig. Verwendet werden u.a. Arganöl, Mandelöl, Jojobaöl, Kokosöl, Manukaöl, Olivenöl, Sojaöl, Lavendelöl, Sandelholzöl und Teebaumöl. Empfehlenswert ist es, den äußeren Genitalbereich und vor allen Dingen den Scheideneingang vor dem Verkehr mit Öl zu versorgen und zum Verkehr auch dem Penis des Mannes Öl zu gönnen. Dies steigert die Gleitfähigkeit erheblich. Zu beachten ist, dass bei der Anwendung Flecken an Kleidung und Bettwäsche entstehen, die nur schwer zu entfernen sind. Außerdem sind die meisten nicht kondomverträglich, auch nicht für Diaphragmen und Sexspielzeuge. Kondome und Diaphragmen werden durchlässig. Aus Sexspielzeug können Weichmacher gelöst werden, die potenziell giftig sind.
Pflanzenbasierte Bio-Gleitgele
Aloe Vera-Gel: Gelegentlich wenden betroffene Frauen auch Aloe Vera Gel, das sie zur Hautpflege anwenden, auch bei Scheidentrockenheit an. Hier ist Zurückhaltung geboten, da viele Produkte Duftstoffe und Konservierungsmittel enthalten, die das Scheidenmilieu stören können. Allerdings haben mir Frauen davon berichtet, dass sie aus dem Saft der Aloe Vera Blätter Gleitmittel herstellen können. Im Internet gibt es dazu Anleitungen.
Kiwi-Pflanzenextrakt: Ein anderer Geheimtipp, den ich von meinen Patientinnen gelernt habe, ist die Anwendung von Kiwi Pflanzenextrakt, das wasserbasiert beim Verkehr und unterschiedlichen sexuellen Aktivitäten Anwendung findet. Es wird in Neuseeland hergestellt und ist mit Grapefruitkernextrakt angereichert. Selbstherstellungen sind mir nicht bekannt. Die Wirksamkeit bei Scheidentrockenheit ist offensichtlich sehr gut. Pflanzenbasierte Bio-Gleitgele sind leichter abwaschbar, machen keine Flecken an Kleidung und Bettwäsche und sind, da sie eben wasserbasiert sind, tauglich für Kondome, Diaphragmen und Sexspielzeuge. Allerdings sind sie nur kurz wirksam und nicht zur Pflege des äußeren Genitales und der Scheide geeignet.
Prof. Grospietsch: Unbehandelt kann eine Scheidentrockenheit zu Verletzungen, Einrissen, Blutungen beim Geschlechtsverkehr, Scheideninfektionen (Bakterien, Pilze) und besonders Schmerzen beim Verkehr bis zu dessen Unmöglichkeit führen.
Prof. Grospietsch: Eine wirklich effektive Prophylaxe ist schwierig. Als nicht hormonelle Möglichkeit hat sich die frühzeitige und regelmäßige Anwendung von Feuchtigkeitscremes und Emmollentien bewährt. Mit dem Gynäkologen sollte der Einsatz von lokalen und allgemein hormonellen Möglichkeiten diskutiert werden. Auszuschließen sind krankheitsbedingte, stressbedingte, psychisch bedingte, Drogen, Alkohol oder nikotinbedingte Ursachen.
Eine gewisse Unterstützung kann die Intimhygiene sein, z.B. die Reinigung des äußeren Intimbereiches mit warmem Wasser und nicht mit Seifen oder Duschgelen, möglichst Vermeidung von parfümierten Vorlagen. Das Tragen von luftdurchlässiger Unterwäsche, Vermeiden eng anliegender Kleidung, keine Scheidenspülungen oder Vaginalduschen, Vermeiden langen und häufigen Badens und Schwimmens, insbesondere bei stark gechlortem Wasser, Intimpflegeprodukten, Intimwaschlotionen, Intimsprays können helfen.
Prof. Grospietsch: Leider kommt es nicht selten vor, dass alle die oben aufgeführten therapeutischen Möglichkeiten nicht oder zu wenig wirksam sind und die Betroffenen eine starke Einschränkung ihrer allgemeinen und sexuellen Lebensqualität haben, die nicht selten zu Partnerschaftsproblemen führen. In jüngerer Zeit ist hier mittels der Lasertherapie ein revolutionärer Durchbruch gelungen. Mit dieser Therapie gelingt eine langanhaltende Regeneration der degenerativen Veränderungen im Bereich des äußeren Genitales und der Scheide. Die Symptome verschwinden und in den allermeisten Fällen (>90 %) ist wieder eine normale Sexualität möglich. Alle oben aufgeführten lokalen, nicht-hormonellen therapeutischen Möglichkeiten sind nur kurzzeitig und oberflächlich wirksam. Die Hormontherapie wirkt ebenfalls nur relativ oberflächlich. Sie muss, um die Wirksamkeit zu erhalten, langfristig durchgeführt werden. Nach Absetzen der Therapie ist die Scheidentrockenheit schon nach mehreren Wochen wieder zurück.
Die Lasertherapie regeneriert die gesamte Haut und das Unterhautgewebe, ist also in diesem Bereich tiefenwirksam und hat eine Langzeitwirkung, individuell unterschiedlich, aber bis zu einem Jahr. Durch die Lasertherapie wird die früher vielschichtige Oberflächenhaut der Scheide wieder aufgebaut, im Unterhautgewebe werden die degenerierten Gewebestrukturen abgebaut. Wie ein ausgetrockneter Schwamm im Wasser Flüssigkeit aufsaugt, wird das Gewebe wieder hydriert und mit neuen elastischen und kollagenen Fasern versorgt. Besonders wichtig ist die Bildung neuer Blutgefäße, die zu einer besseren Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen führen und damit zu einer langanhaltenden verbesserten Lebensqualität.
Es sind 3-4 Sitzungen der Lasertherapie notwendig. Eine Besserung der Symptome tritt meist schon nach der ersten Sitzung ein. Nach Abschluss der Therapie hält die Wirkung etwa ein Jahr an. Danach muss eine einmalige Wiederholung den Regenerations-Effekt aufrechterhalten. Welchen Nutzen hat die Therapie? Sie ist: nahezu schmerzfrei, ohne Vorbehandlung, ohne Komplikationen (keine Verbrennungen, keine Verletzungen von Blase oder Darm), ohne nennenswerte Nebenwirkungen, ohne Narkose, ohne Nachbehandlung, hormonfrei, ambulant in wenigen Minuten durchführbar.
Auch Blasenfunktionsstörungen (Blasenschwäche, häufige Blaseninfektionen) und eine Degeneration des äußeren Genitales sowie Lichen sclerosus, eine äußerst schmerzhafte Hauterkrankung des äußeren Genitales, können damit gut behandelt werden.
In jüngerer Zeit ist hier mittels der Lasertherapie ein revolutionärer Durchbruch gelungen.
Resümee: Scheidentrockenheit ist ein weitverbreitetes, oft unterschätztes Problem, das erhebliche Auswirkungen auf die sexuelle und allgemeine Lebensqualität der Betroffenen haben kann. Es ist wichtig, dass Frauen sich nicht scheuen, dieses Tabuthema allgemein aber auch besonders mit ihrem Arzt zu besprechen, um Möglichkeiten zur Linderung der Beschwerden zu finden. Wenn Cremes, Öle und Hormone nicht mehr wirksam sind, ist die Lasertherapie in jüngerer Zeit eine bahnbrechende innovative Lösung, weil sie durch Regeneration des Gewebes die Beschwerden langfristig lindern kann.
Vielen Dank für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 22.01.2024.