Das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) ist eine der häufigsten hormonellen Störungen bei jungen Frauen. Es ist gekennzeichnet durch erhöhte männliche Hormone, Zyklusstörungen und typische Veränderungen an den Eierstöcken. In der funktionellen Medizin wird PCOS als Folge von Funktionsstörungen wie dem Leaky-Gut-Syndrom, Mikronährstoffmängeln und Insulinresistenz betrachtet. Wichtig sind dabei umfassende Laboranalysen, eine pflanzenbasierte und naturbelassene Ernährung,Bewegung sowie die gezielte Behandlung von Darm und hormonellen Ungleichgewichten. Eine erfolgreiche Behandlung erfordert Geduld, Aufklärung und Eigenverantwortung.
Sabine Barz: Diese Erkrankung gehört zu den häufigsten endokrinologischen Erkrankungen junger Frauen in Deutschland. Allein von 1990-2020 ist die Häufigkeit um 26,3% gestiegen. "PCOS" heißt Polyzystisches Ovarialsyndrom: Es ist eine Erkrankung mit vielen unterschiedlichen Ursachen, die aber insgesamt in dem gleichen Symptomenkomplex enden. Klinische oder biochemisch nachgewiesene Hyperandrogenämie (zu viel männliche Hormone, häufig mit (vermehrter) Behaarung an Stellen wie Oberlippe, Kinn, Unterbauch bis Nabel, Brust, Beine...), die Frauen als sehr störend empfinden, oftmals auch mit Haarausfall auf dem Kopf.
Weniger werden oder Ausbleiben der Regelblutung und/oder dem typischen Bild der Eierstöcke im Ultraschall, wobei die "Zysten" kleine Follikel (Eibläschen) sind und nicht - wie sonst üblich - zum Eisprung heranreifen, sondern alle in einem Frühstadium der Eizellreifung verharren. Insbesondere das Behaarungsmuster, oftmals auch das Übergewicht und/oder die Adipositas sind für Frauen sehr belastend. Wenn zwei der drei Symptome erfüllt sind, spricht man von einem PCO-Syndrom.
Die betroffenen Frauen sind zu ca. 2/3 adipös, das Eintreten einer Schwangerschaft bleibt aus. Im späteren Leben haben diese Frauen ein höheres Risiko für einen Gebärmutterkrebs und einen Brustkrebs. Eine genetische Vorbelastung scheint ebenfalls eine Rolle zu spielen.
Sabine Barz: Die funktionelle Medizin sucht nach den Funktionsstörungen sowie Belastungen mit Schadstoffen und Umwelt"giften", die indirekt (z.B. durchlässiger Darm "leaky gut") oder direkt zum Übergewicht und damit zu der Symptomatik des PCOS führen können. Dies ist umso wichtiger da auch schlanke Frauen ein PCOS haben können.
Sabine Barz: Die Feststellung von PCOS erfolgt anhand der Rotterdam-Kriterien- Der Eisprung bleibt aus, die Menstruation wird seltener oder kommt gar nicht. Es liegen vermehrt männliche Hormone vor. (nachweisbar im Blut oder/und durch das zuvor genannte Behaarungsmuster).
Im Ultraschall sieht man dann das typische Bild der polyzystischen Ovarien:
Sabine Barz: Folgende Parameter werden im schulmedizinischen Labor gemessen: Testosteron, Androstendion, DHEAS, SHGB, AMH, HLL, das "schlechte" LDL-Cholesterin, Triglyceride, 17 OH Progesteron, Prolaktin und der TSH-Wert. Außerdem wird ein oraler Glucosetoleranztest mit 75 g Glucose durchgeführt. Es wird der Blutzucker und das Insulin einmal nüchtern gemessen sowie dann nach einer Stunde und nach zwei Stunden erneut. Aus funktioneller Sicht ist es wichtig, individuell zu beurteilen! Das heißt, dass z.B. ein schlanker PCOS-Patient keine Bioimpedanzanalyse (Messung der Körperzusammensetzung Muskel- und Fettanteil) benötigt. Man muss also Messparameter individuell nach Patienten auswählen.
Sonst sind weitere Werte wichtig: BIA (Bioimpedanzanalyse), Freies Vitamin D3 und K2, Stuhlprofil mit Zonulin im Stuhl, Omega-3-Fettsäuren, Adiponektin und Leptin als Verlaufsparameter bei der übergewichtigen PCOS-Patientin, kurzkettige Fettsäuren: Propionat, Butyrat und Acetat im Blut, Mineralstoffe im Vollblut und ihre toxischen Gegenspieler, Bioaktive B-Vitamine + Folsäure + Homocystein, Aminosäuren, Alpha Liponsäure und eventuell das Coenzym Q10. Diese Untersuchungen werden jedoch leider von den gesetzlichen Krankenkassen nicht erstattet.
Sabine Barz: Man sollte natürlich zuallererst zu seinem Gynäkologen bzw. Gynäkologin des Vertrauens gehen. Wenn man speziell auf eine Ausbildung in orthomolekularer Medizin bzw. funktioneller Medizin Wert legt, sollte man bei der Suche eines geeigneten Therapeuten diese Zusatzbezeichnung suchen. Dies steht meist in der Vita, jedoch sollte derjenige nicht nur einen 4-wöchigen Kurs dazu besucht haben. Hier muss man etwas hinschauen und recherchieren.
Sabine Barz: Die Schädigung der Darmbarriere führt über das Einströmen von entzündungsfördenden Substanzen (z.B. Lipopolysaccharide) zur Ausbildung einer Insulinresistenz. Auch die Artenvielfalt im Darm (in unserem Mikrobiom) ist häufig reduziert und damit auch die Bildung kurzkettiger Fettsäuren, die für eine intakte Darmbarriere mit Schleimschicht (Mukus) und geschlossenen Tight junctions (Verschlusstellen zwischen den Darmepithelien) sorgen. Die daraus resultierende Entzündungsreaktion sorgt für eine schlechtere Insulinempfindlichkeit und eine Insulinresistenz ist die Folge. Der Leaky Gut muss behandelt werden: Entweder mit der Aminosäure Glutamin oder Phosphatdidylcholin bis die Zonulin-Werte wieder im Normbereich sind.
Der Leaky Gut muss behandelt werden...
Sabine Barz: Das erhöhte Testosteron führt zu einer zentralen Regulationsstörung, zur verminderten Synthese des SHGB (Sexualhormon-bindendes Globulin) mit der Folge, dass weniger Testosteron gebunden (und damit unwirksam) vorliegt. Auch die Hyperinsulinämie reduziert das SHGB und fördert die Bildung männlicher Hormone im Eierstock. Die Regulationsstörung im Gehirn fördert die Anovulation (Eisprung bleibt aus) und die Blutung bleibt aus oder wird seltener. Die vermehrten männlichen Hormone sorgen für Behaarung an Kinn, Oberlippe, Brust, Beinen, Unterbauch und Haarausfall auf dem Kopf ("Männliches Behaarungsmuster").
Sabine Barz: Es gibt nicht DIE Behandlung bei PCOS! Schlanke und übergewichtige Frauen brauchen unterschiedliche Therapieschemata! Grundsätzlich gilt: die Störung der Darmbarriere (Leaky Gut) behandeln, Mikronährstoffdefizite ausgleichen, alle Vitamine und Omega-3-Fettsäuren in den Normbereich anheben, die Darmflora verbessern mit Ballaststoffen, Präbiotika und Probiotika (lebende Darmbakterien) nach Stuhlanalyse. Dann kann man eine individuelle Therapie beginnen: eine Gewichtsreduktion ist hier erforderlich, die Ernährungsumstellung auf pflanzlich basierte Kost, eventuell eine Bewegungsanleitung, die Aufklärung über Umweltschadstoffe wie endokrine Disruptoren: Bisphenole, Parabene und Phtalate sowie Ewigkeitschemikalien PEFAS, die Übergewicht fördern.
Emulgatoren in Nahrungsmitteln können erheblich zum Leaky Gut beitragen. Für den Laien sind diese Emulgatoren häufig nicht eindeutig identifizierbar, da manchmal sogenannte E-Nummern verwendet werden, manchmal Begriffe (wie zum Beispiel Carageene). Meiden Sie Konservierungsmittel, Stabilisatoren, Verdickungsmittel und Emulgatoren, Süßstoffe und Farbstoffe. Daher sollten nur naturbelassene, in der Hauptsache pflanzliche Nahrungsmittel, konsumiert werden. Daher ist es ratsam, lieber selber zu kochen, keine Konserven zu verwenden, mediterrane Ernährungsformenzu testen, und keine Fertiggerichte zu kaufen! Keine Light Getränke, keine Obstsäfte, stattdessen lieber Wasser und ungesüßten Tee.
Nach Erheben aller Laborparameter und dem individuellen Ausgleich aller Mängel (im Prinzip ist es immer: messen-wissen-handeln), erfolgt die Umstellung der Ernährung, mehr Bewegung, bei massivem Übergewicht auch Einsatz von "Abnehmspritzen" als Interimslösung. Bei Übergewicht kann auch Myo-Innositol, Metformin, (Achtung vor der Nebenwirkung: Magnesium- und Vitamin-B12-Mangel), Grünteextrakt (senkt das Gewicht in Dosen von 100-500mg langsam mit) eingenommen werden.
Die funktionelle Therapie ist keine Hau-Ruck Medizin: Erfolge stellen sich langsamer aber nachhaltiger ein. Die (antiandrogene) Antibabypille führt zu regelmäßigen Hormonentzugsblutungen, was aber nichts mit der Regelblutung zu tun hat. Die Gelbkörperhormonkomponente senkt die Auswirkungen der zu vielen männlichen Hormone vorübergehend, ist aber keine kausale Therapie.
Die funktionelle Therapie ist keine Hau-Ruck Medizin: Erfolge stellen sich langsamer aber nachhaltiger ein.
Bei Kinderwunsch kann der übergewichtigen PCOS-Patientin "zu einem Kind verholfen" werden mit reproduktionsmedizinischen Ansätzen. Jedoch birgt dies auch Risiken: Schwangerschaftskomplikationen nehmen zu, das heranwachsende Kind wird über epigenetische Mechanismen auch schon im Mutterleib für Übergewicht geprägt!
Je nachdem wie viel die Patientin an den empfohlenen Maßnahmen umsetzt, entscheidet dies über die Wirksamkeit und Dauer der Therapie! Sich Zeit nehmen, um der Frau die Zusammenhänge zu erklären - dann wird sie auch eher bereit sein, zunächst "unattraktive" Maßnahmen umzusetzen - ist hier ein wichtiger Schritt.
Und last but not least: Viele der hier aufgeführten wichtigen Untersuchungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlt! Das heißt für viele: Rein symptomorientierte Medizin mit allen Folgeerscheinungen für die Frau und deren Kinder: Letztendlich wird diese "Gesundheitspolitik" das System langfristig sehr viel stärker belasten als vernünftige Prävention und Einschränkung der Zuckerlobby!
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 27.05.2025.