Welche Übungen nach einem Riss (Ruptur) der Rotatorenmanschette durchgeführt werden können, ist davon abhängig, welche Sehne geschädigt ist. Ebenfalls hängt das Übungsprogramm davon ab, ob der Riss operiert wird oder konservativ (ohne Operation) behandelt wird. Meist ist die Sehne des Supraspinatus-Muskels (Musculus supraspinatus) betroffen. Bei einer konservativen Behandlung können alle Übungen durchgeführt werden, die schmerzfrei möglich sind. Dies sollte allerdings unter Anleitung eines Physiotherapeuten geschehen. Für die Therapie nach einer Operation gelten strenge Richtlinien, die vom jeweiligen Operateur vorgegeben werden. In diesem Artikel werden Übungen nach operativer Versorgung der Supraspinatus-Sehne vorgestellt, die nach entsprechender Anleitung eigenständig durchgeführt werden können.
Nach der Operation wird der operierte Arm bis zu sechs Wochen in einem sogenannten Thorax-Abduktions-Kissen getragen. In dieser Zeit darf der Arm nicht aktiv (aus eigener Muskelkraft des Patienten) bewegt werden, weil die Sehnennaht oder die Verankerung im Knochen sonst reißen könnten. Das Thorax-Abduktions-Kissen hilft in dieser Zeit dabei, ein Einsteifen des Schultergelenkes zu verhindern. Der Oberarm ist in leichter Abspreizung auf dem Kissen gelagert. Dadurch wird verhindert, dass die Gelenkkapsel in der Achsel (Recessus axillaris) verklebt.
In den ersten vier bis sechs Wochen wird der Arm durch einen Therapeuten oder in einer Motorschiene nur passiv bewegt. Nach vier bis sechs Wochen ist ein Mitbewegen durch den Patienten erlaubt. Ab sechs Wochen nach der Operation darf der Arm langsam aktiv gegen die Schwerkraft bewegt werden.
Es gibt einige Übungen, die eigenständig durchgeführt werden können, obwohl der Arm noch nicht aktiv bewegt werden darf. Diese Übungen sollten zunächst unter Kontrolle eines Physiotherapeuten angeleitet werden. Danach können sie selbständig durchgeführt werden.
Beim Stehen und Sitzen sollte immer wieder darauf geachtet werden, die Brustwirbelsäule aufzurichten. Das geht auch mit dem Thorax-Abduktions-Kissen. Dadurch wird das Brustbein nach vorn oben angehoben. Die Schulterblätter bewegen sich nach hinten unten in Richtung Wirbelsäule. Nun werden die Schulterblätter aktiv noch ein Stück weiter an die Wirbelsäule herangezogen. Bei der Ausführung ist darauf zu achten, dass sich der Schultergürtel nicht nach oben in Richtung Ohren bewegt. Außerdem soll nur das Schulterblatt, nicht der ganze Oberarm, nach hinten bewegt werden.
Der operierte Arm hängt locker neben dem Körper. Mit dem gesunden Arm stützt man sich an einem Tisch ab. Nun wird der Oberkörper so weit nach vorne gelehnt, wie der operierte Arm schmerzfrei mitbewegen kann. Danach geht es zurück in die aufrechte Position. Wichtig ist, dass der Arm die ganze Zeit locker hängt und sich passiv mitbewegt. Diese Bewegung wird fünf bis zehn Mal wiederholt.
Der Patient sitzt an einem Tisch. Als Hilfsmittel wird eine Flasche benötigt (1 Liter). Diese wird auf den Tisch gelegt, so dass sie gerollt werden kann. Damit die Flasche auf dem Tisch nicht wegrutscht, kann ein dünnes Tuch untergelegt werden. Nun legt der Patient den operierten Arm mit Hilfe des gesunden mit der Hand auf die Flasche. Die Hand des gesunden Armes legt sich auf die andere Hand und stabilisiert diese auf der Flasche. Nun rollt der Patient die Flasche mit der Kraft des gesunden Armes nach vorne und zurück. Dadurch wird der operierte Arm passiv mitbewegt. Diese Bewegung wird fünf bis zehn Mal wiederholt.
Alternativ kann der operierte Arm auf einem Tuch abgelegt werden. Durch eine Bewegung des Oberkörpers nach vorne und nach hinten wird der Arm passiv bewegt. Wichtig ist hierbei, dass die Bewegung vom Oberkörper aus gesteuert wird und nicht vom operierten Arm.
Es gibt auch Seilzüge (Flaschenzüge), die in der Tür eingehängt werden können. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Tür während der Übung verschlossen bleibt. Der Patient sitzt aufrecht und hat in jeder Hand einen Griff des Seilzuges. Mit Hilfe des gesunden Armes kann der operierte Arm bis zur Schmerzgrenze nach oben bewegt und langsam wieder abgesenkt werden. Diese Bewegung wird fünf bis zehn Mal wiederholt.
Der Patient liegt in Rückenlage. Er greift mit der Hand des gesunden Armes die Hand des operierten Armes und verschränkt die Finger ineinander. Nun hebt er mit der Kraft des gesunden Armes beide Arme gestreckt Richtung Zimmerdecke, soweit dies schmerzfrei möglich ist. Dann führt er beide Arme langsam wieder nach unten zurück. Diese Bewegung wird fünf bis zehn Mal wiederholt.
Alle oben genannten Übungen können nun unter Mithilfe der Muskulatur des operierten Armes durchgeführt werden. Zusätzlich kann der Arm beim Gehen neben dem Rumpf mitpendeln. Bei den Aktivitäten des täglichen Lebens (Anziehen, Waschen und andere Abläufe) ist ein Bewegen ohne größeren Kraftaufwand ebenfalls erlaubt.
Der Patient steht aufrecht vor einer Tür oder glatten Wand. Es muss sichergestellt werden, dass die Tür während der Übung verschlossen bleibt. Der Patient platziert die Hand des operierten Armes an der Wand. Zum besseren Gleiten wird ein Tuch unter die Hand gelegt. Nun schiebt der Patient seine Hand an der Wand entlang in verschiedene Richtungen und bewegt dabei automatisch den Oberarm im Schultergelenk. Diese Bewegung wird fünf bis zehn Mal in verschiedene Bewegungsrichtungen wiederholt.
Eine weitere Übung wird folgendermaßen ausgeführt: Der Patient steht aufrecht. Die Oberarme liegen am Rumpf an. Die Ellbogengelenke sind 90 Grad gebeugt. Die Daumen zeigen nach oben. Nun werden beide Unterarme gleichzeitig so weit wie möglich nach außen (Außenrotation im Schultergelenk) und anschließend Richtung Bauch bewegt (Innenrotation). Diese Bewegung wird fünf bis zehn Mal wiederholt.
Der Patient steht aufrecht vor einer Wand. Die Hände sind auf Schulterhöhe an der Wand aufgestellt. Nun wird das Gewicht des Oberkörpers leicht nach vorne gelehnt. Die Schultergürtel- und Armmuskulatur stützt das Gewicht an der Wand ab. Zu Beginn soll noch keine Bewegung in den einzelnen Gelenken stattfinden. Im weiteren Heilungsverlauf kann in dieser Position eine Art Liegestütz an der Wand durchgeführt werden.
Nach Rücksprache mit dem Arzt und Physiotherapeuten können bei zunehmend erlaubter Belastung der rekonstruierten Supraspinatus-Sehne weitere Kräftigungsübungen hinzukommen. Gut geeignet ist ein starkes Gummiband zur Physiotherapie. Dieses kann beispielsweise an einem Türgriff befestigt werden. Der Patient steht aufrecht und mit der gesunden Schulter seitlich zur Tür. Der Ellbogen des operierten Armes ist 90 Grad gebeugt. Das Therapieband wird um die Hand des operierten Armes gewickelt. Dann wird der Unterarm des operierten Armes gegen den Widerstand des Bandes nach außen bewegt (Außenrotation) und langsam bremsend wieder zurückgeführt. Am Ende der Bewegung sollte immer noch eine Restspannung auf den Band zu spüren sein. Wichtig ist, dass der Schultergürtel während der Übung nicht Richtung Ohren hochgezogen wird und dass der Oberarm am Rumpf bleibt. Diese Bewegung wird fünf bis zehn Mal wiederholt.
Für die Innenrotation kann die Übung umgekehrt herum ausgeführt werden. Der Patient steht dann mit der operierten Schulter seitlich zur Tür, bewegt den Unterarm in Richtung Bauch und lässt langsam wieder nach.
Im aufrechten Sitz kann eine weitere Übung mit dem Gummiband vorgenommen werden. Mit etwas Abstand von der Tür kann das Therapieband mit beiden Händen gegriffen werden. Die gestreckten Arme sind dabei ungefähr 70 Grad weit nach vorne angehoben. Jetzt werden die Ellbogen beider Arme in dieser Bewegungsebene nach hinten gezogen und langsam bremsend wieder nach vorne geführt. Am Ende des Nachlassens sollte immer noch ein kleiner Widerstand auf dem Band spürbar sein. Diese Bewegung wird fünf bis zehn Mal wiederholt. Während der gesamten Übung ist auf eine aufrechte Körperhaltung zu achten. Der Schultergürtel bleibt dabei tief.
Welche Übungen bei einem Riss der Rotatorenmanschette helfen können, sollte im Einzelfall mit einem Physiotherapeuten oder dem behandelnden Arzt abgesprochen werden. Eine pauschale Empfehlung gibt es nicht. Die Auswahl und Intensität der Übungen ist abhängig von der Schwere der Verletzung, vom Therapieansatz (konservativ oder operativ) und vom Alter und Allgemeinzustand des Patienten.
aktualisiert am 31.01.2023