Ungefähr zwei bis vier Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von 10 bis 16 Jahren haben eine Skoliose. Eine Skoliose bezeichnet eine Seitabweichung der Wirbelsäule. Diese entsteht meist, wenn sich einzelne Wirbelkörper aufgrund eines ungleichmäßigen Wachstums der Wirbelkörper oder aufgrund von ungleichmäßig wachsender Muskulatur verdrehen. Diese Art der Skoliosen nennt man idiopathische Skoliosen, das heißt, die Ursache für das ungleichmäßige Wachstum ist nicht bekannt. Die idiopathische Skoliose ist die häufigste Skolioseart (circa 90 Prozent). Sie tritt meist im Wachstumsalter auf (vor allem in der Pubertät) und betrifft Mädchen häufiger als Jungen. Bei den verbleibenden 10 Prozent der Skoliosen, den sekundären Skoliosen, liegt eine andere Erkrankung zugrunde.
In seltenen Fällen ist eine Skoliose angeboren. Viel häufiger entsteht sie erst im Laufe der Zeit mit dem Wachstum. Dadurch, dass die eine Seite der Muskulatur schneller wächst als die andere oder der Wirbelkörper ungleichmäßig wächst, kommt es zu einer Verdrehung der Wirbelkörper. Es entsteht eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule. Diese Form der Skoliosen nennt man auch strukturelle Skoliosen. Eine funktionelle Skoliose hingegen entsteht, wenn die Krümmung der Wirbelsäule zum Beispiel durch eine Differenz in der Beinlänge und einen daraus resultierenden Schiefstand des Beckens oder durch eine schmerzbedingte Schonhaltung ausgelöst wird. Wird die Ursache beseitigt, verschwindet auch die Skoliose. Sekundäre Skoliosen sind durch andere Erkrankungen wie Muskel- oder Nervenerkrankungen sowie Lähmungen bedingt.
Häufig bereitet eine Skoliose im Kindes- und Jugendalter keine Schmerzen. Auffälligkeiten im Sichtbefund sind häufig ein Schulterschiefstand, ein Rippenbuckel (beim Nach-vorne-Beugen stehen die Rippen auf einer Seite deutlich weiter hervor), ein Lendenwulst (Hervortreten der Muskulatur des unteren Rückens beim Nach-vorne-Beugen), ein schiefes Becken oder eine Schiefhaltung des Kopfes. Die Wirbelsäulenverkrümmung kann aufgrund der Asymmetrie zu Muskelverspannungen und dadurch zu Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich oder im Rücken führen. Bei starken Wirbelsäulenverkrümmungen kann es zu Auswirkungen auf die inneren Organe kommen, da diese eingeengt werden. Das kann sogar dazu führen, dass sie nicht mehr richtig arbeiten können. Vor allem die Lunge und das Herz, aber auch Nieren, Magen oder Darm können hiervon betroffen sein.
Je nach dem, in welchem Wirbelsäulenabschnitt die Krümmungsmitte (sogenannter Scheitel) der Skoliose auftritt, wird unterschieden zwischen
Nach der Form unterteilt man die Skoliosen in:
Diese Krümmungen werden beim nach vorne gebeugten Rumpf sichtbar.
Am häufigsten tritt die Krümmung der Wirbelsäule nach rechts (rechtskonvex) im Brustwirbelsäulenbereich auf. Dadurch steht die rechte Schulter oft höher als die linke.
Da Skoliosen in den ersten Jahren oft keine Beschwerden verursachen, werden sie meist erst ab dem zehnten Lebensjahr und eher zufällig diagnostiziert. Zum Beispiel können sie bei den Vorsorgeuntersuchungen für Kinder mit vier und fünf Jahren und für Jugendliche zwischen zehn und zwölf Jahren auffallen oder durch aufmerksame Eltern erkannt werden.
Im Sichtbefund von hinten (im Stand und nach vorne gebeugt) können die oben beschriebenen Normabweichungen auffallen:
Eine vorhandene Beinlängendifferenz sollte vor dem Sichtbefund ausgeglichen werden, um zu schauen, ob die Skoliose dadurch verursacht wird.
Ein Verfahren, das eine genaue Bestimmung des Krümmungswinkels (sogenannter Cobb-Winkel) erlaubt, ist die Röntgendiagnostik im Stand. Nach der Größe des Cobb-Winkels wird unterschieden in:
Durch die Bestimmung der Skelettreife kann eine Prognose gestellt werden, inwieweit das Wachstum schon abgeschlossen ist beziehungsweise wie viel Wachstum noch erwartet wird.
Leichte Skoliosen können mit Physiotherapie behandelt werden. Durch die Dehnung verkürzter und die Kräftigung schwacher Muskulatur kann das Ungleichgewicht reduziert und somit einem Fortschreiten der Skoliose entgegengewirkt werden. Die Therapie nach Lehnert-Schroth ist eine Spezialtherapie zur Behandlung von Skoliosen.
Mittlere und starke Skoliosen werden zusätzlich zur Physiotherapie mit einem Skoliose-Korsett behandelt. Durch das Tragen eines individuell angefertigten Korsetts soll das Fortschreiten der Skoliose verhindert werden, bis das Wachstum abgeschlossen ist.
Bei Skoliosen von über 50 Grad oder wenn die Skoliose rasch fortschreitet, wird über eine Operation nachgedacht. Wenn eine Operation unumgänglich ist, wird die Wirbelsäule oft zunächst über einen längeren Zeitraum gestreckt, um Bänder und Muskulatur zu dehnen und optimal auf die Operation vorzubereiten. Bei einer Skoliose-Operation wird die Verkrümmung der Wirbelsäule, soweit dies möglich ist, korrigiert. Die Wirbelsäule wird mit Hilfe von Metallstäben und Schrauben versteift, um eine erneute Verkrümmung zu verhindern. Eine Operation wird nur in schweren Fällen und eher selten durchgeführt. Risiken und Komplikationen, die eine Operation mit sich bringen kann, sind unter anderem:
Zu welchem Zeitpunkt eine Operation jeweils sinnvoll ist und wie genau operiert wird, ist stark vom Einzelfall abhängig und sollte mit dem behandelnden Arzt individuell besprochen werden.
Je früher eine Skoliose diagnostiziert wird, desto besser kann sie behandelt und ein Fortschreiten verhindert oder abgemildert werden. Deshalb ist es ratsam, Haltungsauffälligkeiten, die man bei seinem Kind feststellt, medizinisch abklären zu lassen. Beinlängendifferenzen können durch Einlagen meist gut ausgeglichen werden, wodurch sich funktionelle Skoliosen gut korrigieren lassen. Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass Rucksäcke oder Schultaschen auf beiden Schultern getragen werden, um einseitige Belastungen der Wirbelsäule zu vermeiden. Sport und Bewegung tragen dazu bei, die wirbelsäulenstabilisierende Muskulatur zu kräftigen. Dies ist besonders dann wichtig, wenn ein Korsett getragen wird. Durch das Korsett wird der Rumpf passiv von außen gehalten und die Rumpfmuskulatur arbeitet weniger.
Kinder- und Jugendärzte im Netz – Skoliose: https://www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/skoliose/ (online, letzter Abruf: 12.11.2020)
MSD Manual, Frank Pessler – Skoliose: https://www.msdmanuals.com/de-de/heim/gesundheitsprobleme-von-kindern/knochenerkrankungen-bei-kindern/skoliose (online, letzter Abruf: 12.11.2020)
gesundheitsinformation.de – Skoliose im Jugendalter: https://www.gesundheitsinformation.de/skoliose-im-jugendalter.2647.de.html (online, letzter Abruf: 12.11.2020)
HealthCentral, Christopher I. Shaffrey – Scoliosis in Children: https://www.healthcentral.com/condition/scoliosis/scoliosis-children (online, letzter Abruf: 12.11.2020)
Amboss – Idiopathische Skoliose: https://www.amboss.com/de/wissen/Idiopathische_Skoliose (online, letzter Abruf: 10.11.2020)
aktualisiert am 12.11.2020