Prof. Martin: Lange Zeit ging man davon aus, dass Typ-2-Diabetes, auch Altersdiabetes genannt, vor allem im höheren Lebensalter auftritt. Es werden jedoch immer mehr Fälle diagnostiziert, die bereits in jüngeren Jahren auftreten. Die Hauptursachen für Typ-2-Diabetes sind in der Regel Bewegungsmangel und starkes Übergewicht. Treten diese Faktoren gemeinsam auf, erhöht sich das Risiko für Typ-2-Diabetes deutlich. Es gibt auch den Typ-1-Diabetes, der häufiger bei jüngeren Menschen auftritt. Bei Typ-1-Diabetes fehlt Insulin, was häufig zu Symptomen wie häufigem Wasserlassen und Gewichtsverlust aufgrund des Insulinmangels führt. Eine Gewichtsabnahme zum Zeitpunkt der Diagnose deutet daher eher auf Typ-1-Diabetes hin. Übergewicht und Bewegungsmangel als Hauptursachen für Typ-2-Diabetes können auch zu einer Reihe weiterer gesundheitlicher Probleme führen.
Prof. Martin: Allgemein kann man sagen, dass der Typ-1-Diabetes durch einen Insulinmangel gekennzeichnet ist und typische Symptome wie Gewichtsverlust, vermehrten Durst und nächtliches Wasserlassen verursacht. Obwohl diese Krankheit häufig bei jungen Menschen auftritt, kann sie auch im fortgeschrittenen Alter auftreten. Wenn jemand an Diabetes leidet, ohne übergewichtig zu sein, sollte er dies mit seinem Arzt besprechen.
Menschen mit Typ-2-Diabetes, die in der Regel stark übergewichtig sind, leiden häufig auch an Bluthochdruck, einer Fettleber und erhöhten Blutfettwerten, insbesondere Triglyzeriden. Es kann vorkommen, dass diese Personen keine offensichtlichen Symptome haben, ähnlich wie bei Bluthochdruck, der oft asymptomatisch ist. Daher sollten alle Menschen, insbesondere diejenigen mit Übergewicht oder Diabetes in der Familie, ihren Blutzuckerspiegel regelmäßig kontrollieren lassen.
Häufig haben Patienten extrem hohe Blutzuckerwerte, ohne es zu merken. Kürzlich wurde in einer RTL-Dokumentation berichtet, dass in einem Einkaufszentrum in Solingen bei 50 Personen der Langzeitblutzuckerwert gemessen wurde. Bei 15 Personen wurden auffällige Werte festgestellt, bei drei Personen wurde ein Diabetes diagnostiziert, von dem sie nichts wussten. Eine Person musste sofort auf die Intensivstation. Diabetes ist also eine sehr gefährliche Krankheit, vor allem wenn sie unbemerkt bleibt und keine Symptome zeigt.
Bei Männern kann Impotenz ein erstes Anzeichen für Diabetes sein. Häufig suchen Männer wegen Impotenz einen Urologen auf, ohne zu wissen, dass sie seit Jahren an Diabetes leiden. Diese scheinbare Beschwerdefreiheit macht Diabetes besonders gefährlich, da sie keine eindeutigen Anzeichen für das Vorhandensein der Krankheit liefert.
Es kann vorkommen, dass diese Personen keine offensichtlichen Symptome haben, ähnlich wie bei Bluthochdruck, der oft asymptomatisch ist.
Prof. Martin: Diabetes kann anhand von drei Kriterien diagnostiziert werden. Das erste Kriterium ist der Nüchternblutzucker. Ab einem Wert von 126 mg/dl, der zweimal oder öfter gemessen wurde, ist dieses Kriterium erfüllt. Das zweite Kriterium ist der Blutzuckerbelastungstest, bei dem eine Person 75 g Traubenzucker trinkt und zwei Stunden später der Blutzucker gemessen wird. Liegt dieser Wert über 200 mg/dl, ist das zweite Kriterium erfüllt. Das dritte Kriterium ist der Langzeitblutzuckerwert, auch HbA1c-Wert genannt. Ein Wert von 6,5% oder höher deutet auf Diabetes hin. Liegen die Werte im Graubereich, werden oft zusätzliche Tests durchgeführt, um eine genaue Diagnose zu stellen.
Prof. Martin: Ein Prädiabetes liegt vor, wenn die Blutzuckerwerte zwischen normalen und erhöhten Blutzuckerwerten schwanken. Die Diagnose Diabetes wird bei einem Blutzuckerwert von über 126 mg/dl oder höher gestellt, während Werte zwischen 100 und 125 mg/dl als Grauzone gelten, die auf einen erhöhten Nüchternblutzucker - eine Form von Prädiabetes - hinweist.
Eine noch genauere Methode ist der orale Glukosetoleranztest: Liegt der Blutzuckerwert zwei Stunden nach der Einnahme von 75 g Glukose zwischen 140 und 199 mg/dl, besteht noch kein Diabetes, aber ein Prädiabetes. Ein HbA1c-Wert über 6,5% bedeutet Diabetes, Werte zwischen 5,7 und 6,4 gelten als Prädiabetes. Personen mit Prädiabetes haben ein hohes Risiko, an Diabetes zu erkranken. Prädiabetes ist zwar noch keine voll ausgeprägte Krankheit, aber es ist wichtig, aktiv zu werden, da etwa 10% der Menschen mit Prädiabetes jedes Jahr an Typ-2-Diabetes erkranken.
Nach etwa 10 Jahren haben fast alle Menschen mit Prädiabetes einen manifesten Diabetes. Eine Änderung des Lebensstils kann jedoch sowohl bei Prädiabetes als auch bei manifestem Diabetes viel bewirken. Studien zeigen, dass eine Gewichtsabnahme von nur 10 kg bei massivem Übergewicht zu einer Verbesserung oder sogar zu einer Rückbildung des Diabetes führen kann. Etwa 50% der Menschen können ihren Diabetes in eine Vorstufe bringen – die Mediziner sprechen dann von einer Remission - , wenn sie 10 kg abnehmen, bei einer Gewichtsabnahme von mehr als 15 kg steigt die Erfolgsquote auf 90%. Daher ist es wichtig, Diabetes oder Prädiabetes frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, auch wenn keine offensichtlichen Symptome vorliegen.
Nach etwa 10 Jahren haben fast alle Menschen mit Prädiabetes einen manifesten Diabetes.
Prof. Martin: Der HbA1c-Wert, der auch als glykiertes Hämoglobin bezeichnet wird, mag auf den ersten Blick dramatisch erscheinen, aber er entspricht in gewisser Weise dem, was in der Küche passiert, wenn Lebensmittel karamellisiert werden. Wenn zum Beispiel Mandeln mit Zucker überzogen werden, kommt es zur sogenannten Maillard-Reaktion, die zu einer Bräunung führt. Ähnlich verhält es sich, wenn Zucker zu Proteinen hinzugefügt wird, was zu einer Verzuckerung führt. Das bedeutet, dass die Proteine, als Bausteine des Lebens, inaktiv werden.
Hämoglobin ist der rote Blutfarbstoff, der Sauerstoff zu den Geweben transportiert und Kohlendioxid von den Geweben zurück zur Lunge. Wenn dieser rote Blutfarbstoff verzuckert ist, bedeutet das, dass ein Teil des Hämoglobins mit Zucker verbunden ist. Bei Menschen ohne Diabetes liegt der Anteil des glykierten Hämoglobins bis 5,6%. Bei Diabetikern kann dieser Wert jedoch höher sein, was auf einen erhöhten Blutzuckerspiegel und eine erhöhte Verzuckerungsrate hinweist. Statt bei 5,2% kann der Wert auch bei 7% oder 8% liegen. Dies mag nicht dramatisch erscheinen, gibt aber wichtige Informationen darüber, wie der Blutzuckerspiegel in den letzten Wochen war.
Es ist wichtig zu verstehen, dass jedes rote Blutkörperchen eine Lebensdauer von etwa 120 Tagen hat. Daher ist der HbA1c-Wert ein guter Indikator dafür, wie der Blutzuckerspiegel in dieser Zeit war. Anstatt diesen Wert häufig zu messen, wird er alle drei Monate bestimmt. So erhält man einen Überblick darüber, wie sich der Blutzuckerspiegel über einen längeren Zeitraum entwickelt hat.
RTL hat übrigens auch in der zuvor genannten Reportage den HbA1c-Wert bei Menschen gemessen. Dabei stellten sie fest, dass einige Personen Werte zwischen 5,7% und 6,5% hatten, drei Personen sogar Werte über 6,5%. Diese Personen haben ein erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken, oder sind bereits an Diabetes erkrankt und sollten wahrscheinlich bald behandelt werden. Es ist daher ratsam, den HbA1c-Wert regelmäßig kontrollieren zu lassen, da er ein zuverlässiger Indikator für die Diagnose und Überwachung von Diabetes ist.
Prof. Martin: Typ-2-Diabetes tritt, wie gesagt, bei Menschen auf, die stark übergewichtig sind, einen erhöhten Insulinspiegel haben und wahrscheinlich auch an Bluthochdruck leiden. Dies wird oft als metabolisches Syndrom bezeichnet. Eine Unterscheidung ist wichtig, denn es gibt auch schlanke Patienten mit Diabetes, die versuchen, durch eine Änderung ihres Lebensstils eine Besserung zu erreichen. Bei ihnen ist der Erfolg jedoch oft begrenzt. Stark übergewichtige Menschen können ihren Diabetes oder Prädiabetes in vielen Fällen durch eine drastische Gewichtsreduktion und vermehrte körperliche Aktivität erfolgreich behandeln.
Es gibt umfangreiche Daten, die zeigen, dass eine radikale Gewichtsreduktion wirksam sein kann. Der gängige Rat, sich fettarm zu ernähren, ist dabei nicht immer zielführend. Stattdessen empfehlen wir und viele große Studien zeigen dies auch, dass ein flüssiger Mahlzeitenersatz eine wirksame Methode sein kann. Dabei ist es wichtig, einen kohlenhydratarmen Mahlzeitenersatz zu wählen. Warum? Menschen mit Typ-2-Diabetes produzieren im Vergleich zu anderen viel Insulin. Dieses Hormon senkt zwar den Blutzuckerspiegel, blockiert aber gleichzeitig die Fettverbrennung.
Es ist wichtig zu verstehen, welche Nahrungsmittel den Insulinspiegel erhöhen. Ein wichtiger Faktor ist Traubenzucker, der im bekannten Haushaltszucker enthalten ist. Aber auch Glukose, zum Beispiel in Milchzucker, hat diese Wirkung. Ganz besonders viel Glukose ist in Stärke enthalten, denn die besteht aus sehr langen Glukoseketten. Diese ist in allen Sättigungsbeilagen wie Kartoffeln, Nudeln, Brot oder Reis in hohen Mengen enthalten. Stärke wird im Darm sehr schnell in puren Traubenzucker aufgespalten werden. So hat Kartoffelpüree einen höheren glykämischen Index als Haushaltszucker, d.h. der Blutzucker und folglich die Insulinspiegel steigen sehr stark an. Auch vermeintlich gesunde Lebensmittel wie Vollkornprodukte können den Insulinspiegel beeinflussen, denn die enthalten auch sehr viel Stärke.
Deshalb raten wir unseren Patienten, Kohlenhydrate wie Kartoffeln, Reis, Nudeln und Brot zu reduzieren. Auch Vollkornprodukte bieten keine Garantie, den Insulinspiegel niedrig zu halten. Alternative Produkte wie Eiweißbrot oder alternative Nudeln können helfen, den Kohlenhydratanteil in der Ernährung zu reduzieren. Auch Obst enthält viel Traubenzucker, deshalb raten wir zu Obst ohne Zucker: Gemüse! Durch eine konsequente Reduktion der Glukose- und Kohlenhydratzufuhr kann der Insulinspiegel gesenkt und das Gewicht reduziert werden. So kann Typ-2-Diabetes erfolgreich behandelt werden.
Typ-2-Diabetes tritt, wie gesagt, bei Menschen auf, die stark übergewichtig sind, einen erhöhten Insulinspiegel haben und wahrscheinlich auch an Bluthochdruck leiden.
Prof. Martin: Die sogenannten Schlankheitsspritzen sind eigentlich Medikamente gegen den Typ-2-Diabetes. Die Wirkung auf das Gewicht wurde erst später erkannt, als Menschen feststellten, dass sie mit diesen Medikamenten abnehmen. In erster Linie werden diese Medikamente bei Menschen mit Typ-2-Diabetes eingesetzt, die nicht in der Lage oder nicht willens sind, ihren Lebensstil zu ändern. In den letzten Jahren wurden diese Medikamente in der Diabetologie sehr effektiv eingesetzt. Studien zeigen, dass die Behandlung von stark übergewichtigen Diabetikern mit diesen Medikamenten Komplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall vorbeugen und gleichzeitig eine Gewichtsabnahme bewirken kann. Allerdings ist umstritten, ob die Gewichtsabnahme das einzige Ergebnis ist oder ob noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Gerade bei Diabetes weiß man, dass diese Spritzen nicht nur das Appetitzentrum hemmen, sondern auch viele andere Faktoren beeinflussen.
Nun zu den Personen, die das Präparat ausschließlich zur Gewichtsreduktion einnehmen möchten: Während bei Diabetes eine lebenslange Einnahme erforderlich ist, sollten Personen, die das Medikament wegen eines leicht erhöhten Body-Mass-Index für eine bessere Bikinifigur einnehmen möchten, Vorsicht walten lassen. Diese Medikamente müssen wahrscheinlich ein Leben lang eingenommen werden. Es gibt gute Daten, die zeigen, dass Menschen, die mit diesen Medikamenten behandelt wurden und sie dann abgesetzt haben, automatisch wieder zugenommen haben. Studien haben gezeigt, dass das Ausgangsgewicht nach eineinhalb Jahren wieder erreicht wurde, insbesondere wenn keine Ernährungsumstellung erfolgte. Noch schlimmer ist es, wenn man nur mit diesen Medikamenten ohne Ernährungsumstellung abnimmt, denn dann verliert man wichtige Muskelmasse und nicht nur Fettmasse. Fettmasse ist gut, aber Muskelmasse zu verlieren ist schlecht.
Wenn man das Medikament absetzt, nimmt man wieder an Fettmasse zu, während die Muskelmasse reduziert bleibt. Anders ausgedrückt: Man tauscht Muskel gegen Fett aus – das ist nicht gut! Um den Muskelabbau zu verhindern, ist es wichtig, den Eiweißanteil in der Ernährung zu erhöhen. Deshalb empfehle ich dringend, diese Substanzen nur in Kombination mit einer Ernährungsumstellung und mehr Bewegung einzusetzen.
Prof. Martin: Beim Typ-2-Diabetes haben wir viele Jahre lang sehr schnell Insulin eingesetzt, vor allem bei Menschen mit massivem Übergewicht. Ich habe vorhin erwähnt, dass diese Menschen oft dramatisch an Gewicht zunehmen, weil Insulin ein Masthormon ist. Die neuen wissenschaftlichen Leitlinien sehen vor, dass die Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes erst in sehr fortgeschrittenen Stadien eingesetzt werden sollte. Leider wird dies in Deutschland immer noch häufig praktiziert. Menschen mit Typ-2-Diabetes und massivem Übergewicht benötigen nicht unbedingt Insulin.
Wenn jemand neu an Diabetes erkrankt ist und Schwierigkeiten hat, seinen Lebensstil zu ändern, beginnen wir in der Regel mit Metformin. Wenn jedoch Herz- oder Nierenprobleme vorliegen, greifen wir auf andere Medikamente zurück, darunter die zuvor erwähnten Abnehmspritzen, die zu einer Gewichtsabnahme führen. Diese Medikamente schützen nicht nur die Gefäße und das Herz, sondern werden auch individuell angepasst. Metformin ist oft der erste Schritt, da es den Appetit leicht zügelt und beim Abnehmen hilft. Bei Menschen mit Nierenschäden ist jedoch Vorsicht geboten, denn Metformin schädigt die Nieren zwar nicht, sollte aber bei vorgeschädigten Nieren nur mit Vorsicht eingesetzt werden.
Neben Metformin setzen wir auch andere Medikamente ein, zum Beispiel die so genannten GLP-1-Agonisten, die in den Abnehmspritzen enthalten sind, oder Medikamente, die die Zuckerausscheidung über die Nieren fördern, die sogenannten SGLT2-Hemmer. Diese Medikamente haben sich vor allem bei Nierenerkrankungen und Herzschwäche bewährt. Sie werden inzwischen auch Menschen ohne Diabetes verschrieben, weil man weiß, dass sie Herz und Nieren schützen.
Prof. Martin: Die Insulintherapie ist ein sehr komplexes Thema, das für Menschen mit Insulinmangel aufgrund von Typ-1-Diabetes, einer Bauchspeicheldrüsenentzündung oder einer Bauchspeicheldrüsenoperation lebenswichtig ist. Diese Menschen müssen das fehlende Insulin von außen zuführen und benötigen daher eine gründliche Schulung, um mit der Therapie zurechtzukommen. Es ist wichtig zu verstehen, welche Nahrungsmittel sie zu sich nehmen und wie viel Insulin sie dementsprechend benötigen.
Es gibt zwei Arten von Insulin: Langzeitinsulin, das ständig benötigt wird, und Kurzzeitinsulin, das zu den Mahlzeiten verabreicht wird. Die Dosierung ist individuell und richtet sich nach den Mahlzeiten und dem aktuellen Blutzuckerspiegel. Personen mit stabilen Essgewohnheiten können eine feste Dosierung anstreben und bei Schwankungen des Blutzuckerspiegels kleine Anpassungen durchführen.
Es ist wichtig, den Blutzuckerspiegel regelmäßig zu kontrollieren. Ein entscheidender Fortschritt sind Glukosesensoren, die den Blutzucker kontinuierlich messen und auf das Handy übertragen können. Jeder, der eine intensivierte Insulintherapie durchführt, hat laut dem Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) Anspruch darauf, auch wenn es manchmal Schwierigkeiten mit der Krankenkasse geben kann. Deshalb ist es wichtig, sich für die Verordnung dieser Geräte einzusetzen, um die Therapie zu optimieren.
Es ist wichtig, den Blutzuckerspiegel regelmäßig zu kontrollieren. Ein entscheidender Fortschritt sind Glukosesensoren, die den Blutzucker kontinuierlich messen und auf das Handy übertragen können.
Prof. Martin: Aufgrund der neuesten Erkenntnisse aus umfangreichen wissenschaftlichen Studien empfehlen wir, die Kohlenhydratzufuhr zu reduzieren. Es ist wichtig, selbst zu kochen und eine Ernährung mit viel Gemüse zu wählen. Auch Obst enthält viel Zucker, daher sollte der Schwerpunkt auf Gemüse liegen. Käse und sogar Quark sind in Ordnung, aber Joghurt und Milch enthalten auch Glukose. Bei fettreduzierten Ersatzprodukten sollte man vorsichtig sein. Es ist wichtig zu betonen, dass Fett nicht der Auslöser für Diabetes ist. Diese Annahme gehört der Vergangenheit an.
Es wird empfohlen, keine fettarmen Produkte zu kaufen, da diese oft Zusatzstoffe enthalten, die den Insulinspiegel erhöhen können. Daher ist es ratsam, selbst zu kochen und stark verarbeitete Lebensmittel zu meiden. Es ist bekannt, dass stark verarbeitete Lebensmittel, die oft lange haltbar sind, Emulgatoren enthalten, die sich negativ auf das Gewicht und viele andere Krankheiten auswirken können. Eine kürzlich im British Medical Journal veröffentlichte Studie zeigt, dass hochverarbeitete Lebensmittel mit vielen Krankheiten in Verbindung gebracht werden können. Die Empfehlung für Betroffene lautet daher: Selbst kochen und versuchen, den Verzehr von Sättigungsbeilagen zu reduzieren. Auf diese Weise kann man den Weg zum Diabetes verhindern oder sogar die Medikamentenabhängigkeit bei langjährigen Diabetikern verringern. Dies erfordert allerdings eine konsequente Umsetzung.
Prof. Martin: Auf dem Markt gibt es zwei verschiedene Systeme, die elektrochemisch arbeiten. Das bedeutet, dass ein Sensor in die Haut eingesetzt wird, um kontinuierlich die Gewebezuckerwerte zu messen. Diese Werte korrelieren stark mit den Blutzuckerwerten. Es wird also nicht der Blutzucker direkt gemessen, sondern der Gewebezucker. Die beiden wichtigsten Anbieter sind Dexcom und Freestyle Libre.
Diese Systeme sollten vor allem Personen tragen, die aufgrund ihres Diabetes eine intensivierte Insulintherapie durchführen. In diesen Fällen werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen. Menschen mit Typ-2-Diabetes, die nicht mit Insulin behandelt werden, müssen die Kosten jedoch selbst tragen. Auch für Menschen ohne Diabetes können diese Systeme von Vorteil sein. Ich selbst habe zum Beispiel ein solches System ausprobiert, obwohl ich keinen Diabetes habe und auch nicht übergewichtig bin. Es hat mir gezeigt, wie sich mein Blutzuckerspiegel nach dem Essen verhält und wie mein Insulinspiegel ansteigt, was zu einem Stopp der Fettverbrennung führt.
Das Tragen dieser Sensoren kann auch für stark übergewichtige Menschen hilfreich sein. Er zeigt ihnen, wie ihre Essgewohnheiten den Blutzuckerspiegel beeinflussen und wie sich das auf ihre Gewichtsabnahme auswirkt. Manche Menschen verlieren sogar deutlich an Gewicht, weil sie lernen, welche Mahlzeiten gut für sie sind und welche sie meiden sollten. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Sensoren in der Regel nur von den Krankenkassen bezahlt werden, wenn die Person einen insulinbehandelten Diabetes hat. Dennoch lohnt sich diese Investition in die Gesundheit für alle.
Das Tragen dieser Sensoren kann auch für stark übergewichtige Menschen hilfreich sein. Er zeigt ihnen, wie ihre Essgewohnheiten den Blutzuckerspiegel beeinflussen und wie sich das auf ihre Gewichtsabnahme auswirkt.
Prof. Martin: Die CGM-Systeme haben sich als zuverlässiger erwiesen als erwartet. Einige unserer Patienten messen ihren Blutzucker dann nur noch selten. Dennoch empfehlen wir dringend, bei niedrigen Werten zusätzlich zu messen, da diese Geräte eine gewisse Latenzzeit haben. Bei einer Unterzuckerung sinkt der Blutzucker ab und es dauert eine Weile, bis er im Gewebe wieder ansteigt. Gerade bei einer Unterzuckerung verengen sich die Gefäße, Adrenalin wird ausgeschüttet, was die Erholung des Gewebezuckers verzögern kann. Deshalb sind diese Geräte bei einer Unterzuckerung weniger zuverlässig.
Wer Insulin spritzt, sollte besonders vorsichtig sein. Es kann auch zu Abweichungen nach oben kommen. Deshalb empfehlen wir bei unklaren Werten, insbesondere bei Unterzuckerungen, immer eine Blutuntersuchung. Manchmal normalisieren sich die Werte im Blut schneller als im Gewebe, was zu einer unnötig hohen Glukoseaufnahme führen kann. Es ist wichtig, die Blutwerte zu kontrollieren, um eine angemessene Reaktion zu gewährleisten. Es gibt auch Latenzzeiten, in denen der Blutzucker schnell ansteigt, das Gewebe aber langsamer reagiert. Insgesamt haben wir in den letzten Jahren viele Erfahrungen gesammelt, und diese Geräte haben zu einer deutlichen Verbesserung der Blutzuckereinstellung geführt. Das ist ein großer Fortschritt in der Therapie des insulinbehandelten Diabetes.
Prof. Martin: Die Einstellung des HbA1c-Wertes ist der Goldstandard. Natürlich können wir mit bestimmten Geräten ein kontinuierliches Glukosemonitoring durchführen, bei dem wir darauf achten, dass die Zeit im optimalen Bereich liegt, um Hypoglykämien und Hyperglykämien zu vermeiden. Ideal wäre es, wenn etwa 70% der Zeit im optimalen Bereich liegen. Langfristig überwachen wir die Patienten mit der HbA1c-Bestimmung. Je jünger eine Person ist und je weniger zusätzliche Komplikationen sie hat, desto strenger sollte sie eingestellt werden. Insbesondere bei manifestem Diabetes mit medikamentöser Therapie, vor allem Insulintherapie, streben wir keinen HbA1c-Wert unter 6,5% an, da dies zu häufigen Unterzuckerungen führen kann.
Im Allgemeinen halten wir Werte zwischen 6,5% und 7% für optimal. Bei älteren Menschen akzeptieren wir jedoch auch Werte bis 7,5% oder sogar bis 8%. Höher sollte er aber im Regelfall auch nicht sein, da ein HbA1c über 8% auch Risiken wie Dehydratation und kognitive Beeinträchtigungen mit sich bringt. Eine moderate Verbesserung des Blutzuckerspiegels kann die kognitive Funktion, einschließlich Demenz, deutlich verbessern. Daher ist es auch bei älteren Menschen wichtig, den Blutzuckerspiegel im Auge zu behalten. Allerdings gibt es individuelle Unterschiede zwischen einem 30-jährigen und einem 80-jährigen Patienten.
Prof. Martin: Die Lebenserwartung von Menschen mit Diabetes ist, basierend auf Daten aus der Vergangenheit, generell verkürzt. Wir haben jedoch signifikante Verbesserungen bei beiden Diabetes-Typen 1 und 2 gesehen. Es ist wichtig zu betonen, dass die Lebenserwartung nicht ausschließlich von der Blutzuckerkontrolle abhängt, sondern auch von anderen Parametern, die bei diesen Personen sorgfältig untersucht werden müssen.
Insbesondere wissen wir, dass Diabetes das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall, also lebensbedrohliche Erkrankungen, deutlich erhöht. Menschen mit Typ-2-Diabetes haben etwa das gleiche Risiko für einen Herzinfarkt wie Menschen ohne Diabetes, die bereits einen Herzinfarkt hatten. Dies wird oft als "Herzinfarkt-Äquivalent" bezeichnet. Studien aus den nordischen Ländern, insbesondere aus Dänemark, haben gezeigt, dass dieses Risiko bei Berücksichtigung aller Risikofaktoren deutlich gesenkt und fast auf das Niveau der Normalbevölkerung gebracht werden kann. Im Mittelpunkt steht dabei das LDL-Cholesterin. Für Menschen mit Diabetes wird ein LDL-Wert unter 100 mg/dl empfohlen, der in der Regel nur durch die Einnahme von Statinen erreicht werden kann. Deshalb verschreiben wir vielen Patienten mit Typ-2-Diabetes und zunehmend auch mit Typ-1-Diabetes solche Statine, um den LDL-Wert zu senken.
Bei Patienten mit bereits bestehenden Ablagerungen in den Gefäßen wird sogar ein LDL-Wert unter 70 mg/dl, nach Herzinfarkt unter 55 mg/dl angestrebt. Zusammen mit einer guten Diabetes- und Blutdruckeinstellung sowie dem Verzicht auf Rauchen können diese Maßnahmen dazu beitragen, die Lebenserwartung von Menschen mit Diabetes auf das Niveau von Menschen ohne Diabetes zu bringen oder zumindest anzunähern.
Es ist wichtig, dass Ärzte und Patienten sich nicht nur auf die Blutzuckereinstellung konzentrieren, sondern auch alle anderen Risikofaktoren berücksichtigen, die zu einem Herzinfarkt führen können. Dazu gehören neben dem Diabetes das Rauchen, ein Bluthochdruck und erhöhte LDL-Cholesterinwerte. Das ist eine große Herausforderung für uns Ärzte und auch für die Patienten, um die bestmögliche Gesundheit zu erreichen.
Die Lebenserwartung von Menschen mit Diabetes ist, basierend auf Daten aus der Vergangenheit, generell verkürzt.
Prof. Martin: In den letzten Jahren hat es wichtige Entwicklungen im Bereich des Typ-1-Diabetes gegeben. Insbesondere haben wir jetzt Zugang zum kontinuierlichen Glukosemonitoring, das uns einen umfassenden Überblick über die Blutzuckerwerte gibt. Das ist vor allem für Menschen mit Insulinmangel ein großer Vorteil, denn sie können jetzt entspannter leben, ohne ständig Angst vor Unterzuckerung haben zu müssen, auch wenn sie sich mehr bewegen. Dank dieser Technologie können sie ihren Blutzuckerspiegel viel besser kontrollieren.
Auch im Bereich des Typ-2-Diabetes gibt es große Veränderungen. Wir haben festgestellt, dass die intensivierte Insulintherapie, die in Deutschland bei übergewichtigen Menschen weit verbreitet ist, nicht unbedingt nützlich ist. Neue wissenschaftliche Ergebnisse haben gezeigt, dass die Ernährung stärker im Vordergrund stehen sollte wie früher. Eine bemerkenswerte Studie aus England hat gezeigt, dass durch eine radikale Ernährungsumstellung bei Typ-2-Diabetikern der Diabetes in 50% der Fälle – zumindest für mehrere Jahre - komplett verschwinden konnte. Dies zeigt, welch große Erfolge durch die Ernährung erzielt werden können. Sollte dies nicht ausreichen, stehen auch neue Medikamente zur Verfügung.
Es ist wichtig zu betonen, dass Insulin die einzige Behandlungsmöglichkeit für Menschen mit Insulinmangel wie beim Typ-1-Diabetes ist. Menschen, denen beispielsweise die Bauchspeicheldrüse aufgrund einer Entzündung oder eines Tumors entfernt wurde, benötigen weiterhin Insulin. Bei anderen ist dies nicht unbedingt der Fall.
Prof. Martin: Die Insulintherapie für Personen mit Insulinmangel wird zweifellos weiter intensiviert werden. Derzeit sind geschlossene Regelkreissysteme auf dem Markt, die ständig verbessert werden. Diese Systeme bestehen aus Sensoren und Pumpen, die miteinander kommunizieren. Der Sensor überwacht den Blutzuckerspiegel und der Algorithmus steuert die Pumpe entsprechend, um Insulin abzugeben. Auch wenn diese Systeme noch nicht alles automatisch regeln können und die Benutzer weiterhin ihre Mahlzeiten genau angeben müssen, arbeiten sie doch recht zuverlässig. Zukünftige Entwicklungen müssten aber eine automatische Erkennung der Mahlzeiten ermöglichen, was eine noch genauere Anpassung des Insulins erlauben würde.
Bei Typ-2-Diabetes zeigen neue Medikamente wie Tirzepatid vielversprechende Ergebnisse und könnten ältere Medikamente wie Semaglutid und Dulaglutid ersetzen. Diese neuen Medikamente zielen darauf ab, den Blutzucker und das Gewicht noch effektiver zu reduzieren. Die steigende Rate von Übergewicht und Adipositas stellt jedoch eine Herausforderung dar. Die öffentliche Wahrnehmung und die Gesundheitspolitik sollten sich stärker auf die Rolle der Ernährung konzentrieren, insbesondere auf die Reduzierung von Zucker und Kohlenhydraten, anstatt sich ausschließlich auf Fett zu konzentrieren.
Leider stehen dem wirtschaftliche Interessen, wie die Vermarktung fettarmer Produkte zu höheren Preisen, entgegen. Dies zeigt sich auch im Nutri-Score, einem Bewertungssystem für Lebensmittel, das oft widersprüchliche Ergebnisse liefert. So wird Olivenöl, das in wissenschaftlichen Studien vor Herzinfarkten schützt mit den schlechtesten Note D oder E bewertet, wobei Gummibärchen - da sie wenig Fett enthalten – ein B erhalten. Solche Ernährungsempfehlungen können dazu führen, dass immer mehr Menschen übergewichtig werden und die Zahl der Diabeteserkrankungen weiter steigt, was erhebliche gesellschaftliche Probleme mit sich bringt. Es ist daher dringend notwendig, dass sich Gesellschaft und Politik diesen Herausforderungen stellen.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 08.04.2024.