Die Ichthyose ist eine genetische Verhornungsstörung der Haut, die durch übermäßige Verhornung und Schuppenbildung gekennzeichnet ist und oft mit Juckreiz, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen einhergeht. Die Erkrankung hat genetische Ursachen, wobei fehlende oder reduzierte Eiweiße und Fette in der Haut eine zentrale Rolle spielen. Es gibt jedoch auch erworbene Formen. Die Behandlung basiert auf regelmäßiger Hautpflege mit keratolytischen Substanzen wie Urea und aufwendigen Pflegeroutinen, während neue Therapieansätze wie Enzym-Salben und Gentherapien erforscht werden. Trotz vielfältiger Therapieoptionen beeinträchtigt die Ichthyose durch zeitliche, finanzielle und physische Belastungen oft die Lebensqualität der Betroffenen erheblich.
Dr. Süßmuth: Wir Mediziner nennen die "Fischschuppenkrankheit" auch Ichthyose. Ich vermeide möglichst den Begriff "Fischschuppenkrankheit", da dieser stigmatisierend wirken kann. Für Nicht-Mediziner ist wahrscheinlich der Begriff Verhornungsstörung verständlicher. Die Ichthyosen gehören zu den angeborenen Verhornungsstörungen, bei denen die Haut übermäßig stark verhornt und schuppt. In vielen Fällen geht sie mit einer starken Rötung der Haut einher. Es können außerdem Symptome wie Juckreiz oder Schmerzen auftreten. Die Hautveränderungen betreffen in der Regel den gesamten Körper.
Dr. Süßmuth: Die Verhornungsstörung, mit der ich mich beschäftige, hat eine genetische Ursache. Eiweiße und Fette, die sich in unserer oberen Hautschicht befinden, fehlen bei dieser Erkrankung oder sind nur vermindert vorhanden. Die Veränderungen im Erbgut werden in der Regel von einem oder von beiden Elternteilen weitergegeben. Sie können jedoch auch neu auftreten. Es gibt auch erworbene Ichthyosen, zum Beispiel im Rahmen von Infektionen oder Tumoren.
Eiweiße und Fette, die sich in unserer oberen Hautschicht befinden, fehlen bei dieser Erkrankung oder sind nur vermindert vorhanden.
Dr. Süßmuth: Es gibt Risiken, die das Auftreten von genetischen Erkrankungen erhöhen. Dazu gehören zum Beispiel vorbekannte Erbkrankheiten in der Familie. Wie sich eine Krankheit jedoch weitervererben lässt, hängt auch vom Erbgang ab. Daher lassen sich zu den Risikofaktoren keine pauschalen Aussagen treffen.
Dr. Süßmuth: Bei der Badeanzug-Ichthyose kommt es im Bereich von wärmeren Körperstellen durch die erhöhte Temperatur zu einer Fehlfunktion eines Eiweißes in der Haut. Dadurch entstehen nur an diesen Körperstellen Schuppen. Die Verteilung der Schuppung erinnert an einen Badeanzug, daher die Namensgebung.
Dr. Süßmuth: Es gibt viele unterschiedliche Varianten der Erkrankung. Bei einigen Erkrankungen sind die Hautveränderungen zu Beginn sehr stark ausgeprägt und können sich dann im Laufe des Lebens bessern. Sogar fast vollständige Abheilungen sind beschrieben. In der Regel verändert sich die Ausprägung jedoch wenig. Besondere Umstände wie Infektionen können die Ausprägung auch kurzfristig verschlechtern.
Dr. Süßmuth: Durch die Erkrankung kommt es zu zahlreichen Einschränkungen im alltäglichen Leben. Die Patienten haben durch die aufwendige Therapie mit täglichem Eincremen, welches mehrere Stunden dauern kann, eine hohe zeitliche Belastung. Hinzu kommt, dass viele Betroffene häufig und oft lange baden, um Schuppen und Salbenreste zu entfernen. Diese zeitlichen Einschränkungen wirken sich auf den Beruf und das soziale Leben aus. Hinzu kommen finanzielle Belastungen, da viele Cremes und Salben nicht von den Krankenkassen übernommen werden.
Häufig treten Juckreiz oder auch Schmerzen auf. Diese können insbesondere an den Füßen bei blasenbildenden Varianten auftreten. Die Verhornung über den Gelenken kann außerdem zu Gelenkschmerzen und Bewegungseinschränkungen führen. Hinzu kommt ein weiteres, sehr häufiges Problem: die eingeschränkte Schwitzfähigkeit, welche zur Überhitzung führen kann. Dies tritt insbesondere im Sommer und bei körperlicher Aktivität auf, was zu Einschränkungen bei sportlichen Aktivitäten führen kann. Diese Aspekte haben eine eingeschränkte Lebensqualität zur Folge, wie viele wissenschaftliche Untersuchungen in den letzten Jahren gezeigt haben.
Die Patienten haben durch die aufwendige Therapie mit täglichem Eincremen, welches mehrere Stunden dauern kann, eine hohe zeitliche Belastung.
Dr. Süßmuth: Die Behandlung genetischer Verhornungsstörungen stützt sich auf drei Hauptsäulen: regelmäßiges Eincremen, Baden und die mechanische Schuppenentfernung. Harnstoff (Urea) und andere keratolytische, also "abschuppende" Stoffe sind dabei zentral. Systemtherapien wie Acitretin werden nur unter ärztlicher Aufsicht eingesetzt. Neue Therapieansätze, wie Biologika und Gentherapien, werden aktuell in Studien untersucht.
Dr. Süßmuth: Acitretin ist derzeit die einzige zugelassene systemische Therapie. Aufgrund des Nebenwirkungsprofils und der möglichen negativen Auswirkungen auf bestimmte Ichthyose-Formen, wie Verschlechterung der Dermatitis beim Netherton-Syndrom oder vermehrte Blasenbildung bei epidermolytischen Ichthyosen mit Keratin1-Mutation, ist die Anwendung begrenzt. Bei lamellärer Ichthyose werden maximal 1 mg/kg Körpergewicht empfohlen, wobei langfristig niedrigere Dosen angestrebt werden sollten. Der Einsatz im Kindesalter und bei Frauen im gebärfähigen Alter ist aufgrund unerwünschter Wirkungen begrenzt.
Dr. Süßmuth: Die Idee der Enzym-Salbe ist das Ersetzen des fehlenden Proteins. Das Protein soll in die obersten Hautschichten gelangen und dort die Funktionen übernehmen, die bei der Ichthyose fehlen. Solch eine Salbe zur Enzym-Ersatztherapie ist bislang für die Ichthyosen nicht zugelassen. Die Versuche hierzu haben im Labor an Hautmodellen stattgefunden. Andere Lokaltherapien, die z.B. die Proteaseaktivität in der Haut beeinflussen, werden in Studien untersucht.
Solch eine Salbe zur Enzym-Ersatztherapie ist bislang für die Ichthyosen nicht zugelassen.
Dr. Süßmuth: Emollienzien, also Stoffe die die Haut weich und geschmeidig machen, werden für alle Subtypen der Ichthyosen zur mehrmaligen täglichen Anwendung empfohlen, da sie das Stratum corneum, also die oberste Hautschicht, hydratisieren. Urea ist das am häufigsten eingesetzte Keratolytikum, meist in Konzentrationen von bis zu 10% für den ganzen Körper und bis zu 40% für lokalisierte Verhornungen. Es soll Schuppen lösen und die Haut feucht halten. Urea sollte im ersten Lebensjahr nicht großflächig und bei kleinen Kindern generell nur mit Vorsicht angewendet werden, insbesondere in höheren Konzentrationen ab 10%.
Auch andere Keratolytika wie Milchsäure, häufig in Kombination mit Urea, kommen zum Einsatz. Einige Kinder vertragen die isolierte Anwendung von Milchsäure aufgrund einer milderen Hautreizung besser als die Verwendung von Urea isoliert oder in Kombination mit Milchsäure. Aufgrund der beeinträchtigten Hautbarriere kann die großflächige Anwendung von Keratolytika zu einer erhöhten Resorption und systemischen Nebenwirkungen führen. Besonders bei Kindern sind salicylhaltige Produkte kontraindiziert, und auch bei Erwachsenen sollte eine großflächige Anwendung vermieden werden.
Eine gezielte, lokal begrenzte Anwendung ist bei PPKs jedoch erlaubt und kann bei manchen Ichthyosen in Einzelfallentscheidungen in Erwägung gezogen werden. Auch die Creme-Grundlage ist nicht außer Acht zu lassen, da sie die Anwendbarkeit, die Praktikabilität im Alltag und das Hautgefühl maßgeblich beeinflussen. Das Neue Rezeptur-Formularium (NRF) bietet zahlreiche passende Rezepturen für Ichthyosen, unter anderem mit Urea 5 bis 10%. Hydrophile Cremes können bei milder Schuppung und wärmeren Temperaturen hilfreich sein (z.B. NRF 11.71), während lipophile Cremes (z.B. NRF 11.129) oder Salben bei stärkerer Schuppung und bei PPKs empfohlen werden können.
Viele Betroffene haben jedoch bereits langjährig Erfahrungen mit einer Rezeptur oder einem Fertigprodukt und benötigen keine neuen Therapien. Prinzipiell gilt es, dass die Lokaltherapie sehr individuell ist und die Erstanwendung immer an einem kleinen Areal erprobt werden sollte. Zudem gibt es die Möglichkeit, je eine Körperhälfte im Halbseitenversuch über einen gewissen Zeitraum mit zwei verschiedenen Präparaten zu behandeln, um das individuell geeignetere Präparat zu identifizieren.
Dr. Süßmuth: Betroffene mit Ichthyose dürfen und sollen sich ganz regulär und ausgewogen ernähren. Es gibt einige Formen der Ichthyose, die mit Nahrungsmittelallergien assoziiert sind. Dann müssen manchmal einzelne Nahrungsmittel gemieden werden. Manchmal berichten Patienten auch, dass die Entzündung der Haut sich bei Aufnahme bestimmter Nahrungsmittel verschlechtert. Dann handelt es sich jedoch nicht um eine klassische Allergie.
Betroffene mit Ichthyose dürfen und sollen sich ganz regulär und ausgewogen ernähren.
Dr. Süßmuth: Das regelmäßige Eincremen beugt Symptomen wie Juckreiz vor und schützt die Haut vor Infektionen mit Bakterien und Pilzen. Das Kühlen der Haut, insbesondere im Nacken, mit Wassersprays und kalten Lappen kann vor einer Überhitzung schützen.
Dr. Süßmuth: Untersuchungen an der Haut und im Blut von Betroffenen mit Ichthyose haben gezeigt, dass sich Überschneidungen zu anderen entzündlichen Erkrankungen, u.a. der Schuppenflechte, zeigen. In der Literatur finden sich viele Fallberichte zu Antikörpertherapien, die bislang nicht für die Ichthyosen, jedoch aber für andere Erkrankungen zugelassen sind. Die erste Euphorie zu diesen Therapien konnte bislang jedoch keinen einheitlichen Benefit für eine große Gruppe von Patientinnen und Patienten zeigen. Einzelne Betroffene mögen jedoch von bestimmten Therapien profitieren. Daher kommen diese modernen Therapien bei hohem Leidensdruck oder bei zusätzlich vorliegender Hauterkrankung wie einer Neurodermitis oder Schuppenflechte zum Einsatz.
Dr. Süßmuth: In der Grundlagenforschung beschäftigt man sich weiterhin mit der Untersuchung möglicher ursachenbasierter Therapieansätze (Pathogenese). Auch neue Mutationen und neue Krankheitsbilder aus dem Formenkreis der genetisch bedingten Verhornungsstörungen werden weiterhin beschrieben. Darüber hinaus beschäftigen sich viele Forscherinnen und Forscher mit Untersuchungen zur Versorgungssituation der Ichthyosen und neuer Messinstrumente, die in klinischen Studien den Therapieerfolg messen können.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 28.11.2024.