Das Schleudertrauma zählt zu den Beschleunigungsverletzungen der Halswirbelsäule, die insbesondere durch Auto- oder Sportunfälle verursacht werden. Von einem Schleudertrauma ist immer dann die Rede, wenn durch einen bestimmten Unfallmechanismus der Kopf mit hoher Geschwindigkeit zunächst nach hinten und anschließend nach vorne (oder umgekehrt) geschleudert wird.
Treten nach einem solchen Unfall Symptome wie Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit und Muskelverspannungen auf, bezeichnet man dies als posttraumatisches Zervikalsyndrom, auch Halswirbelsäulen-Syndrom (HWS-Syndrom) oder HWS-Distorsion genannt.
Ein posttraumatisches Zervikalsyndrom, in der Umgangssprache mit dem Schleudertrauma gleichgesetzt, wird besonders häufig durch Auffahrunfälle mit dem Auto verursacht. Durch den Aufprall eines zweiten Autos auf das Heck des ersten wird der Kopf des Fahrers im ersten Auto heftig nach hinten und anschließend nach vorne geschleudert. Bei Passagieren des auffahrenden Fahrzeugs verläuft die Bewegung entgegengesetzt. In beiden Fällen wird die Halswirbelsäule der Fahrer sowohl stark gedehnt als auch gestaucht.
Ähnliche Verletzungsmechanismen kommen außerdem bei Sportarten wie Boxen, Tauchen oder Klettern (beim Sturz mit Abbremsung durch die Sicherung) oder beim Fahren mit Kirmes-Fahrgeschäften vor.
Durch die Verletzung der Weichteile des Halses kommt es meist innerhalb von Stunden nach dem Unfallereignis zu Kopf- und Nackenschmerzen, Nackensteife mit Muskelverspannungen und Muskelschmerzen, die in den Schulterbereich und die Arme ausstrahlen können. In einigen Fällen treten zusätzlich neurologische Zeichen wie Kribbeln der Haut, Missempfindungen, Schwindel, Übelkeit sowie Seh- und Hörstörungen auf.
Bei der Untersuchung der Kopf-Nacken-Schulter-Region zeigt sich fast immer eine deutlich verhärtete Muskulatur, die in ihrer passiven und aktiven Beweglichkeit eingeschränkt ist und auf Druck oder Dehnung sehr schmerzhaft reagiert.
Die Diagnose eines Schleudertraumas wird in der Regel schon anhand der Anamnese (Befragung durch den Arzt) gestellt. Berichtet der Patient von einem entsprechenden Unfall, in dessen Folge einige Stunden später Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit aufgetreten sind, kann der Arzt meist schon von einem posttraumatischen Zervikalsyndrom sprechen. Zusätzlich entscheidend ist die klinische Untersuchung, bei der sich eine deutlich verspannte, schmerzhafte Muskulatur im Schulter- und Nackenbereich zeigt.
Auch die aktive und passive Beweglichkeit des Kopfes und des Nackens sind eingeschränkt, das heißt der Patient kann den Kopf kaum selbst drehen und auch die Führung der Bewegung durch den Arzt ist schmerzhaft und eingeschränkt.
Häufig lässt sich durch Druck auf so genannte Trigger-Points eine Schmerzausstrahlung beispielsweise in den Arm oder tieferen Rücken auslösen. Zum Ausschluss eines Knochenbruchs der Wirbel werden zwei Röntgenbilder der Halswirbelsäule angefertigt.
Treten bei einem Patienten mit Schleudertrauma nach dem Unfall auch neurologische Symptome wie Bewusstseinsstörungen, Schluckbeschwerden, Seh- oder Hörstörungen sowie starker Schwindel mit Übelkeit und Erbrechen auf, sollten Verletzungen der Nerven und des Rückenmarks im Halsbereich ausgeschlossen werden.
Dazu kann eine Computer- oder Magnetresonanztomographie (CT bzw. MRT) durchgeführt werden, durch die der Arzt die Weichteilstrukturen und die Halswirbelsäule genauer als im Röntgenbild beurteilen kann. Diese Untersuchungen sind aber nicht die Regel und werden nach einem Schleudertrauma nur in seltenen Fällen bei entsprechendem Verdacht auf schwerere Verletzungen durchgeführt.
Das HWS-Syndrom nach einem Auto- oder Sportunfall ist eine unangenehme, jedoch selten schwerwiegende Verletzung. Die Schmerzen können in den ersten Tagen durch kühlende Umschläge und schmerzlindernde Medikamente behandelt werden. Das Anlegen einer Halskrause wird mittlerweile nicht mehr empfohlen. Statt dieser ständigen Ruhigstellung der Muskulatur sollte so bald wie möglich die aktive Beweglichkeit trainiert und gefördert werden. Das gilt natürlich nur im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten und ohne Schmerzen.
Eine physiotherapeutische Behandlung, die sowohl Muskelentspannung durch Massagen als auch das Training der Beweglichkeit beinhaltet, ist wichtig und unterstützt den Heilungsprozess. In der ersten Zeit nach dem Unfall sollte möglichst auf sehr schwere körperliche Arbeit und Leistungssport verzichtet werden.
Da das Schleudertrauma eine in der Regel leichte Verletzung der Halsweichteile, insbesondere der Muskulatur ist, heilt sie bei entsprechender Unterstützung schnell und folgenlos innerhalb weniger Tage oder Wochen ab. Sind weder Wirbel noch Nerven durch den Unfall verletzt worden, sollten die Beschwerden wie Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit spätestens nach ein bis zwei Monaten verschwunden sein.
Wie schnell der Heilungsprozess abläuft, ist jedoch von Fall zu Fall verschieden und abhängig davon, wie aktiv der Patient mit Physiotherapie und eigenen Übungen zu Hause die Heilung fördert. Bei Erkrankungen der Wirbelsäule, die schon vor dem Unfall bestanden, kann der Heilungsprozess verlängert sein.
Das Schleudertrauma heilt bei 80 bis 90 Prozent der Patienten innerhalb des ersten halben Jahres vollständig aus. Bestehen die Symptome über diesen Zeitraum hinaus, spricht man von einem chronischen HWS-Syndrom. Die Ursachen der Chronifizierung sind in der medizinischen Fachliteratur kontrovers diskutiert. Offensichtlich scheint jedoch die psychische Stabilität des Einzelnen und die Belastung durch den Unfall starke Auswirkungen auf den Heilungsprozess zu haben. Betroffene sollten daher bei chronischen Verläufen eine psychologische Betreuung in Erwägung ziehen, bei der Unterstützung und Verarbeitung im Vordergrund stehen.
aktualisiert am 15.09.2021