Die Gefahr von Zeckenstichen ist im Frühjahr und Herbst am größten, insbesondere bei feuchtwarmer Witterung, da Zecken ab etwa 8°C aktiv werden und auf Feuchtigkeit angewiesen sind. Zecken bevorzugen geschützte, gut durchblutete Körperstellen wie Haaransatz, Kniekehlen oder Achselhöhlen, da sie dort ungestört Blut saugen können. Durch das rasche Entfernen der Zecke wird das Risiko einer Infektion mit zeckenübertragenen Krankheiten deutlich reduziert.
Prof. Katsounas: Das Risiko für Zeckenstiche ist insbesondere im Frühling und im Herbst erhöht. Typischerweise beginnt die Zeckensaison im März/April und dauert bis Oktober/November, abhängig von den regionalen Temperaturen. Zecken werden bei Temperaturen ab etwa 8°C aktiv, während der kalten Jahreszeit befinden sie sich in einer Art Ruhezustand. Aufgrund der zuletzt wärmeren Winter beobachten wir jedoch auch Zeckenstiche in den kälteren Monaten, wenn auch deutlich weniger. In den wärmeren Monaten bevorzugen Zecken feuchtwarme Wetterlagen – bei trockener Hitze sind sie weniger aktiv, da sie leicht austrocknen und dementsprechend auf Feuchtigkeit angewiesen sind. Daher besteht in bewaldeten, schattigen Gebieten mit hohem Gras ein erhöhtes Risiko für Zeckenstiche.
Prof. Katsounas: Zecken bevorzugen geschützte Körperregionen, die weniger Bewegung ausgesetzt sind und an denen die Haut dünner ist. Dadurch ist es für sie einfacher, in die Haut zu stechen und Blut zu saugen, ohne entdeckt zu werden. Diese Stellen sind meist feucht, warm und gut durchblutet. Typische Körperstellen für Zeckenstiche sind daher der Kopfbereich, also beispielsweise am Haaransatz oder an den Ohren, sowie die Kniekehlen, Achselhöhlen, der Bauchnabel oder der Leistenbereich. Das ist auch der Grund, warum Zecken häufig lange auf dem Körper herumkrabbeln, bevor sie stechen: sie suchen eine passende Stelle, an der sie möglichst einfach und ungestört über mehrere Tage Blut saugen können.
Prof. Katsounas: Die Wahrscheinlichkeit, sich nach einem Zeckenstich mit einer durch Zecken übertragenen Krankheit zu infizieren, hängt stark von der Region, der Zeckenart und dem Anteil infizierter Zecken ab. In Deutschland zählen die Borreliose (auch Lyme-Borreliose) und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) zu den häufigsten zeckenübertragenen Krankheiten. Ein genaues Risiko für die Manifestation einer Erkrankung ist schwer zu beziffern.
Studien zeigen, dass etwa 3-6% der Menschen, die von einer Zecke gestochen wurden, eine Borrelien-Infektion aufweisen. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig zu einer Erkrankung, da nur ein Teil der Infizierten tatsächlich Symptome einer Borreliose entwickelt. In FSME-Risikogebieten, vor allem in Süddeutschland, sind etwa 0,1 bis 5% der Zecken mit dem FSME-Virus infiziert. Auch hier ist das Risiko, nach einem Stich tatsächlich an FSME zu erkranken, relativ gering, wenn auch laut Robert-Koch-Institut (RKI) aus den aktuell verfügbaren Daten kaum genau ableitbar.
In Deutschland zählen die Borreliose (auch Lyme-Borreliose) und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) zu den häufigsten zeckenübertragenen Krankheiten.
Prof. Katsounas: Das Risiko einer Übertragung von Borrelien wird durch eine frühzeitige Entfernung der Zecke deutlich reduziert, denn: je länger die Zecke saugt, desto höher ist die Gefahr einer Übertragung. Nach 48 Stunden beträgt das Risiko 10-15%, nach 72 Stunden bereits ca. 80%. Nach 96 Stunden Saugzeit beträgt das Risiko, dass eine mit Borrelien infizierte Zecke die Erreger auf ihren Wirt übertragen hat, bei oder sogar über 95%. Zum Schutz vor Erkrankungen sind eine frühzeitige Entdeckung und entsprechende Entfernung der Zecke daher essentiell, am besten innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Zeckenstich.
Prof. Katsounas: Zunächst einmal ist zu sagen, dass eine FSME-Infektion sehr häufig asymptomatisch verläuft. Bei symptomatischen Verläufen zeigt sich die FSME im Primärstadium vor allem durch grippeähnliche Symptome wie Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen und Fieber. Nach einem anschließenden, symptomfreien Intervall folgt das Sekundärstadium, das sich auf verschieden Arten manifestieren kann. Es können Kopfschmerzen und Fieber auftreten, aber beispielsweise auch Bewusstseins- und Sprachstörungen, Lähmungserscheinungen und ein auffällig gesteigertes Bewegungsverhalten.
Prof. Katsounas: Das wichtigste klinische Anzeichen für eine Borreliose ist die sogenannte Wanderröte, fachsprachlich Erythema migrans - eine ringförmige Hautrötung an der Stelle des Zeckenstichs, welche ein blasses Zentrum aufweist und sich vom Stich weg nach außen ausbreitet. Die Wanderröte tritt nicht bei jeder Borreliose-Erkrankung auf, aber wenn sie auftritt, ist sie beweisend für die Borreliose. Etwa jede dritte infizierte Person klagt zusätzlich über Allgemeinsymptome wie Kopfschmerzen, erhöhte Temperatur oder Gelenkschmerzen.
Bei etwa 20% der erkrankten Personen kommt es zu einem Übergang in das nächste Stadium, das in der Regel Wochen bis Monate nach der Infektion auftritt. In diesem Stadium lassen sich oft einseitige Gelenkentzündungen feststellen, die sich durch Rötungen, Schwellungen und Schmerzen bemerkbar machen. Zudem ist häufig eine Hautbeteiligung zu verzeichnen, wie Rötungen, Schwellungen oder die Acrodermatitis chronica atrophicans, die oft an den Extremitäten auftritt und zu Gewebeschwund führen kann.
Ist das Nervensystem betroffen, spricht man von einer Neuroborreliose. Es kommt zu schmerzhaften Nervenentzündungen und Lähmungen, aber auch zur sogenannten Fazialisparese, also einer einseitigen Gesichtslähmung. Selten können auch weitere Organsysteme, wie das Herz oder das Auge, betroffen sein.
Das dritte und letzte Stadium tritt bei etwa 2-5% der erkrankten Personen auf, meist Monate bis Jahre nach der Infektion. Auch hier können chronische Hautveränderungen, Gelenkschmerzen und Fatigue (Erschöpfung oder chronisches Krankheitsgefühl) auftreten, wobei neurologische Symptome häufig im Vordergrund stehen.
Die Wanderröte tritt nicht bei jeder Borreliose-Erkrankung auf, aber wenn sie auftritt, ist sie beweisend für die Borreliose.
Prof. Katsounas: Wenn Sie eine bereits steckende Zecke an sich entdecken, gilt zunächst einmal: keine Panik! Entfernen Sie die Zecke zeitnah mit einer Pinzette oder einer Zeckenkarte, indem Sie das Tier möglichst nah an der Hautoberfläche greifen und vorsichtig herausziehen. Versuchen Sie, die Zecke nicht zu quetschen, zu drehen oder zu zerreißen, denn das reizt sie und führt dazu, dass sie ihren Speichel oder ihren Darminhalt und damit auch mögliche Erreger in die Wunde abgibt. Vermeiden Sie zudem „Hausmittel“ wie z.B. das Beträufeln der Zecke mit Öl, denn auch das reizt die Zecke unnötig. Anschließend sollten Sie die Stichstelle desinfizieren und über die nächsten Wochen beobachten – falls Sie eine wanderröteverdächtige Hautirritation entdecken, suchen Sie möglichst zeitnah einen Arzt auf.
Prof. Katsounas: Das „Töten“ der Zecke ist nicht unbedingt erforderlich, wenn die Entfernung und Entsorgung korrekt durchgeführt werden. Zecken, die überleben, können erneut stechen. Wenn Sie jedoch die Zecke nach der Entfernung sicher unschädlich machen möchten, um das Risiko von Infektionen zu minimieren, gibt es mehrere Möglichkeiten: Sie können die Zecke in einem verschlossenen Behälter oder in einem Stück Klebeband aufbewahren, falls eine Untersuchung auf mögliche Krankheiten erforderlich ist. Alternativ können Sie die Zecke in die Toilette werfen oder in einem Behälter mit Alkohol aufbewahren. Falls bei der Entfernung ein Teil der Zecke im Körper verblieben ist, suchen Sie bitte eine Arztpraxis auf, um die Zeckenreste fachgerecht entfernen zu lassen. Achten Sie in allen Fällen auf das gründliche Reinigen der Stichstelle und Ihrer Hände.
Prof. Katsounas: Suchen Sie möglichst bald einen Arzt auf, wenn Sie eine ringförmige, sich ausbreitende Rötung mit blassem Zentrum am Körper entdecken, und berichten Sie von Ihrem Zeckenstich. Auch wenn Sie grippeähnliche Symptome wie Abgeschlagenheit, Fieber oder Gliederschmerzen entwickeln, sollten Sie diese abklären lassen. Da Symptome unspezifisch und verspätet auftreten können, ist es ratsam, im Zweifelsfall einen Arzt aufzusuchen, um eine mögliche Infektion frühzeitig zu erkennen. Generell empfehle ich, den Zeckenstich zu dokumentieren, indem Sie ihn notieren oder ein Foto machen. Sie können die entfernte Zecke auch aufbewahren. Ein Zeckenstich gerät recht schnell in Vergessenheit, aber sollten Sie Symptome entwickeln, ist es für uns Ärzte hilfreich und wichtig, eine mögliche Verbindung zu einem stattgefundenen Zeckenstich herstellen zu können.
Da Symptome unspezifisch und verspätet auftreten können, ist es ratsam, im Zweifelsfall einen Arzt aufzusuchen, um eine mögliche Infektion frühzeitig zu erkennen.
Prof. Katsounas: Zunächst einmal wird der Arzt eine Anamnese erheben, also mögliche Symptome erfragen, den Zeitpunkt und Ort des Zeckenstiches versuchen zu ermitteln und dabei mögliche Risikoexpositionen, z.B. einen Aufenthalt in FSME-Risikogebieten, berücksichtigen. Dann folgt die körperliche Untersuchung. Besteht keine typische Symptomatik und es ist kein Zeckenstich erinnerlich, erfolgt in der Regel keine weitere Diagnostik zu Zecken-assoziierten Erkrankungen, sondern eine breiter gefächerte Recherche nach Ursachen für die jeweiligen Beschwerden.
Bei Verdacht auf Borreliose kann ein Bluttest durchgeführt werden, um nach Antikörpern gegen das Bakterium Borrelia burgdorferi zu suchen. Wichtig zu wissen ist, dass der Test in frühen Infektionsstadien negativ ausfallen kann, da der Körper Zeit benötigt, um Antikörper zu bilden. Im Falle eines positiven Tests wird ein Bestätigungstest, der sogenannte Western Blot, veranlasst. Besteht der Verdacht auf eine Neuroborreliose oder eine FSME-Infektion, kann eine Rückenmarkswasser-Entnahme, auch Lumbalpunktion genannt, erforderlich sein. Dabei wird eine Probe der Flüssigkeit, die das Rückenmark umgibt, entnommen und untersucht. Andere Untersuchungen, wie bildgebende Verfahren, werden in der Regel nicht routinemäßig durchgeführt, da sie, außer im Rahmen des Ausschlusses anderer Ursachen, selten hilfreiche Ergebnisse liefern.
Prof. Katsounas: Zunächst einmal gilt: machen Sie es den Zecken so schwierig wie möglich. Lange Hosen, langärmelige Oberteile und geschlossene Schuhe können helfen, Zecken den Zugang zur Haut zu erschweren. Trotzdem gilt: auch mit schützender Kleidung sollten Sie hohes Gras, Unterholz und dicht bewachsene Flächen meiden, da Zecken dort bevorzugt auf potentielle Wirte lauern. Zeckenschutzmittel können einen gewissen Schutz bieten, ihre Wirkung ist jedoch zeitlich begrenzt und nicht absolut zuverlässig. Chemische Zeckenschutzmittel sind in der Regel relativ wirksam, während bekannte Hausmittel wie Teebaumöl, Knoblauch oder Apfelessig nur einen sehr begrenzten Schutz bieten. Diese sollten, wenn überhaupt, nur ergänzend zu anderen Schutzmaßnahmen verwendet werden.
Die wichtigste Maßnahme zum Schutz vor Zecken ist das gründliche Absuchen des Körpers und der Kleidung. Besonders sollte man darauf achten, Kinder nach dem Spielen im Freien auf Zecken zu untersuchen – legen Sie hierbei ein Augenmerk auf die bereits erwähnten, bevorzugten Stichstellen wie den Kopf- und Halsbereich, die Achselhöhlen, die Kniekehlen und die Leistengegend. Auch Haustiere, die draußen unterwegs waren, sollte man auf Zecken untersuchen.
Es ist zudem ratsam, eine möglichst zeckensichere Umgebung zu schaffen: Ein gepflegter Garten mit gemähtem Rasen sowie Steinwegen kann bereits helfen, das Risiko für Zeckenstiche zu minimieren. Sollte Ihr Garten ans Unterholz angrenzen, kann eine Barriere aus Steinen oder Schotter hilfreich sein, um Zecken fernzuhalten, da Zecken diese pflanzenfreien Zonen nicht überqueren. In FSME-Risikogebieten wird die Impfung gegen FSME empfohlen. Diese schützt zwar nicht vor Zeckenstichen, aber vor der Erkrankung, die durch den Stich übertragen werden kann. Gegen Borreliose gibt es noch keinen Impfstoff.
Die wichtigste Maßnahme zum Schutz vor Zecken ist das gründliche Absuchen des Körpers und der Kleidung.
Prof. Katsounas: In den letzten Jahren haben die Auswirkungen des Klimawandels auf die Zeckenpopulation und durch Zecken übertragene Krankheiten zunehmend Aufmerksamkeit erhalten. Neben heimischen Arten werden auch neue Zeckenarten, wie die ursprünglich in wärmeren Regionen beheimatete Hyalomma-Zecke, in Deutschland und den Nachbarländern gesichtet. Diese Arten könnten andere Krankheiten übertragen. Zudem nehmen Häufigkeit und Aktivität weniger verbreiteter Zeckenarten aufgrund veränderter klimatischer Bedingungen zu. Die langfristigen Auswirkungen auf das Infektionsrisiko und ob tropische Zecken in Deutschland heimisch werden, sind noch unklar und Gegenstand aktueller Forschung.
Ein Beispiel ist das Projekt „Erregerspektrum von Zecken in Sachsen-Anhalt“ (EZeSA)(1, 2). Beteiligt sind die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (3), die Ruhr-Universität Bochum (4) und das Bernhard-Nocht-Institut (5) für Tropenmedizin in Hamburg. In diesem Projekt werden Zecken von Forstarbeitern gesammelt und auf Krankheitserreger untersucht. Zudem werden Trockenblutproben der Arbeiter getestet und eine Befragung zu Symptomen durchgeführt. Ziel ist es, das Expositions- und Infektionsrisiko besser einzuschätzen und Präventionsmaßnahmen zu verbessern.
Zudem ist die Forschung an einem Borreliose-Impfstoff vielversprechend. Der führende Kandidat wird derzeit umfassend getestet, und das Pharmaunternehmen plant, 2026 Zulassungsanträge zu stellen. Vielleicht können wir bald neben FSME auch Borreliose effektiv durch eine Impfung verhindern.
Danke für das Interview!
(1)Ärzteblatt: Projekt untersucht Übertragung von Krankheitserregern durch Zecken
(2)Landesforschungsförderung: 2023 rund zwölf Millionen Euro für 73 Vorhaben bewilligt
(3)Universitätsklinikum Magdeburg: Wie gefährlich sind Zecken in Deutschland wirklich?
(4)Ruhr-Universität Bochum: Wie gefährlich Zecken in Deutschland wirklich sind
(5)Bernhard-Nocht-Institut: Wie gefährlich sind Zecken in Deutschland wirklich?
Prof. Katsounas: Ich möchte Frau Isabella Traut, der Koordinatorin des EZeSA-Projektes, herzlich für ihre Unterstützung bei der Auswahl der für dieses Interview relevanten Inhalte danken.
Letzte Aktualisierung am 24.09.2024.