In der TCM wird Rheuma als durch Witterungsfaktoren wie Wind, Kälte und Feuchtigkeit geprägtes Beschwerdebild verstanden, das oft durch nicht ausgeheilte Infekte ausgelöst wird. In der westlichen Medizin werden dagegen primär entzündliche Blutmarker zur Anerkennung herangezogen. Diagnostisch arbeitet die TCM ganzheitlich mit einer ausführlichen Anamnese, einem Zungen- und Pulsbefund sowie der Deutung schulmedizinischer Ergebnisse aus TCM-Sicht. Im Zentrum der Therapie steht die individuell angepasste chinesische Arzneitherapie (pflanzliche Rezepturen), die durch Akupunktur/Akupressur, Moxibustion, Qigong, Körpertherapien, Diätetik und unterstützende Anwendungen wie Schröpfen oder japanische Bäder ergänzt wird. Grenzen bestehen jedoch bei starker Immunsuppression.
Dr. Schmincke: Unter Rheuma versteht man landläufig Schmerzen an Muskeln, Weichteilen, Sehnen, Gelenken, für die keine äußeren "mechanischen" Ursachen genannt werden können, wie Verletzungen, Prellungen etc. Die Betroffenen geben meist dem Wetter die Schuld.
Diese schlichte Rheumadefinition ist in China genauso gebräuchlich wie bei uns. Der Rheumatologe im Westen kann "Rheuma" als "echte Erkrankung" allerdings nur anerkennen, wenn sich bestimmte entzündliche Veränderungen im Blut feststellen lassen. Was nicht bei allen Rheuma-Formen der Fall ist. Die Präzisierung des Rheumabegriffs geschieht also bei uns im Westen meist über eine Bestimmung von Entzündungsparametern im Blut. Für die Wetter-Abhängigkeit der Beschwerden interessieren sich die Rheumatologen hierzulande in der Regel nicht.
Für die Chinesische Medizin ist es wichtig, die auslösenden oder verschlimmernden Witterungsfaktoren in die Rheumadefinition mit reinzunehmen. Es gibt also Wind-Kälte-Rheuma, Wind-Feuchtigkeits-Rheuma usw. Diese Witterungsfaktoren spielen einmal bei der Frage nach der Ursache zu Beginn des Krankheitsverlaufes eine Rolle, aber auch als verschlimmernde oder Schub-auslösende Faktoren im Krankheitsverlauf.
Behandlungsmethoden: Über Akupunktur und andere äußere Methoden wie Schröpfen, Tuina, Guasha usw. sprechen wir hier nicht. Die chinesische Arznei-Therapie (CAM) steht an erster Stelle bei der Rheuma-Behandlung der TCM. Sie verfügt über einen großen Schatz an arzneilich wirkenden Stoffen (ca. 2000) (meist pflanzlicher Herkunft). Einige dieser Medikamente tragen den Witterungsfaktor, für den sie zuständig sind, schon in ihrem Namen (z.B. "Mittel zum Austreiben von Wind-Nässe").
Wie kommt der "Krankheits-Keim", der eine rheumatische Entwicklung in Gang bringt, in den Körper des Menschen? Meist über einen zunächst normalen Atemwegsinfekt, eine Erkältung, wie wir sagen. Vor allem, wenn der Organismus durch immununterdrückende Medikamente bei seinem Abwehrgeschäft behindert wird. Also durch: Abschwellspray, Immunblocker wie z.B. Ibuprofen, und auch Antibiotika. All diese Mittel sind zu ihrer Zeit oft als Nothilfe unverzichtbar, sie wirken eher als Symptom-Unterdrücker, die immunologische Störungen in der Tiefe verstecken (vor allem, wenn der Betroffene sich nicht frei nimmt zum Auskurieren des Infektes).
Nun muss man wissen, dass krankmachende Einflussfaktoren wie Wind, Kälte, Nässe-Feuchtigkeit usw. nicht nur vom Wetter herkommen, sondern auch durch innere Prozesse verstärkt werden können: Nässe durch Verschlackung, Wind durch Spannung und innere Überaktivität usw. Eine ungute Gemengelage, die irgendwann bei gegebener Auslösung (z.B. durch einen Infekt) zum Rheumaschub führt. Soweit meine kleine Einführung zum Thema Rheuma in der TCM.
Nun muss man wissen, dass krankmachende Einflussfaktoren wie Wind, Kälte, Nässe-Feuchtigkeit usw. nicht nur vom Wetter herkommen, sondern auch durch innere Prozesse verstärkt werden können...
Dr. Schmincke: Ein unter den körperlich-seelischen-immunologischen Belastungen des Lebens aus dem Ruder gelaufenes Immunsystem. Am Anfang stehen oft einfache Infekte, die nicht richtig ausgeheilt sind.
Dr. Schmincke: Die Ernährung spielt natürlich eine wichtige Rolle. Nicht umsonst nimmt die Diätetik, also die Ernährungslehre, bei uns in der Klinik am Steigerwald eine zentrale Rolle im Behandlungskonzept ein. Chronisch kranke Menschen haben eine natürliche Neigung, auf ihre Ernährung zu achten. Da kann jeder seine eigenen Erfahrungen machen und spüren, was ihm gut bekommt und was weniger gut. Um vorsichtig ein paar Richtungspfeile zu setzen: Eher wenig tierisches Eiweiß. Das gilt auch für Milch-Eiweiß; also Käse, Quark, Milch. Wenn, dann eher gesäuerte Milchprodukte; wenig Zucker, eher wenig Mahlzeiten am Tag, langsam essen, schmecken, was man isst.
Und, soweit die schmerzhaften Gliedmaßen das erlauben: Bewegung; zum Beispiel spazieren im Wald oder sich einer Übungsgruppe anschließen, etwa Qigong oder Taijichuan, einen guten Lehrer suchen und täglich üben. Dies sind einfache Tipps zur Stressbewältigung und zum Lösen innerer Spannungen, die sich mit etwas Routine gut in den Alltag integrieren lassen.
Dr. Schmincke: In der Langzeitbehandlung führen wir regelmäßig diagnostische Sitzungen nach der Methode der TCM durch. Dabei können alle diagnostischen Zeichen, Pulsbefund oder Zungen-Bild oder Befindens-Veränderungen je nachdem für Verschlechterung oder Verbesserung stehen. Ungünstige Verläufe, z.B. Schmerzkrisen oder Funktionskrisen im Magen-Darm-Bereich, versuchen wir durch Anpassungen der Arzneirezeptur abzufangen.
Dr. Schmincke: Wir stellen eine umfangreiche chinesische Diagnose mit körperlicher Untersuchung und eingehender Erfassung der Vorgeschichte bis zu den Infekten der frühen Kindheit. Die diagnostische Arbeit braucht Zeit. Weil alles mit allem zusammenhängt, kann jedes Detail Aufschluss geben über den vorliegenden Krankheitsmechanismus im chinesischen Sinne und damit über die adäquate Therapie.
Modalitäten, Vorgeschichte, Allgemeinsymptome: Alles ist Gegenstand einer jeden chinesischen Diagnostik-Sitzung. In der chinesischen Diagnostik werden alle Sinne genutzt, um ein möglichst umfassendes Bild vom Patienten und seiner Krankheit zu gewinnen. Jede Lebensäußerung des Patienten kann dabei helfen, Klarheit über die Prozesse in seinem Inneren zu erlangen. Dazu können die Stimme, die Qualität der Ausscheidungen, das Temperaturempfinden, die Stimmungslage oder der Schlaf gehören.
Das ausführliche diagnostische Gespräch wird durch die Betrachtung der Zunge und die Puls-Tastung ergänzt. Dann ist es Aufgabe des Therapeuten, in der Fülle der diagnostischen Informationen den roten Faden zu finden. Wo liegen die offenbaren oder heimlichen Wendepunkte der Biographie, an denen immunologische oder psychische Belastungen die Vitalfunktionen von der richtigen Bahn abgebracht haben? Und welche Arzneirezepturen können dem Organismus helfen, diese Bahn wiederzufinden?
Das ausführliche diagnostische Gespräch wird durch die Betrachtung der Zunge und die Puls-Tastung ergänzt.
Dr. Schmincke: Der TCM-Diagnostiker interessiert sich für alle körperlichen, vegetativen und psychischen Symptome: Schlaf, Stuhlgang, Appetit, familiäre Probleme, Zunge, Puls, Schmerzqualität beim Rheuma, psychische Verfassung, usw. Meist durchdringen sich aus Sicht der Chinesischen Medizin bei der Krankheitsentstehung körperliche und seelische Faktoren. Häufig sind unsere Patienten erstaunt über die Länge der Erstanamnese und die von uns Ärzten gestellten Fragen, die sie so aus der schulmedizinischen Diagnostik selten kennen.
Dr. Schmincke: Für manche TCM-Ärzte enthalten auch die "objektiven" Befunde des Rheumatologen interessante Informationen. Therapie leitend für die chinesische Arzneitherapie sind sie allerdings erst dann, wenn wir sie aus TCM-Sicht deuten können.
Dr. Schmincke:
Dr. Schmincke: Wie zuvor bereits erwähnt, ist die chinesische Arzneitherapie unser wichtigstes therapeutisches Verfahren und stellt den zentralen Aspekt in unserem Behandlungskonzept dar. Die chinesischen Arzneipflanzen-Rezepturen sind individuell nach eingehender TCM-Diagnose zusammengestellt und werden dem jeweiligen Verlauf angepasst. Idealerweise kontrolliert der Therapeut täglich die Wirkung auf Körper und Seele des Patienten. Durch die Arzneitherapie kann sich das gesamte seelisch-körperliche Empfinden des Patienten verändern, beispielsweise Schlaf, Träume, das Ausscheidungsverhalten oder die Leistungsfähigkeit. Daher muss die Zusammensetzung der Rezepturen dem Genesungsprozess permanent angeglichen werden.
Die chinesische Arzneibehandlung lebt vom Dialog zwischen Arzt und Patient. Der Arzt muss regelmäßig erfahren, welche Veränderungen der Patient unter der Einnahme der Arznei wahrnimmt. Gleichzeitig muss der Stand der Therapie geklärt und die zu erwartenden Entwicklungen mit den nächsten Rezepturen besprochen werden.
Dr. Schmincke: Während des ganzen Behandlungsverlaufes werden nicht nur klassische Rheumarezepturen verordnet, sondern immer wieder auch Pflanzenzusammenstellungen, die der aktuelle Verlauf verlangt: Trauma auflösende Pflanzen; kräftigende Rezepturen; Pflanzen, die Magen und Darm durchgängig machen; Spannung lösende Pflanzen etc.
Dr. Schmincke: Besonders gute Behandlungs-Erfahrungen haben wir mit Kinder-Rheuma. Das gilt auch für schwere Formen der autoimmunologischen Entgleisung. Hier lautet das Therapie-Ziel oft: Heilung.
Dr. Schmincke: Ältere Patienten, die schon länger an einer entzündlichen Polyarthritis leiden, und unter einer Langzeit-Immunsuppression stehen, kommen auch zu uns. Hier ist die Behandlung anspruchsvoller und oft sehr langwierig. Auch wenn die TCM ansonsten allgemein gute Möglichkeiten bietet für ältere Menschen (zum Beispiel bei Polyneuropathie oder Neuralgien). Das Absetzen oder Reduktion der Dosis der Immunsuppression muss hier vor Behandlung gründlich mit dem Patienten abgesprochen und sorgfältig abgewogen werden. Möglicherweise wird man das Immunsystem für ein paar Monate therapeutisch "in Ruhe lassen" und sich anderen "Brandherden", z.B. im vegetativen Nervensystem oder in der Psyche, zuwenden.
Dr. Schmincke: Bei einer radikalen Immunsuppression durch den Rheumatologen sind die Möglichkeiten der chinesischen Arzneitherapie begrenzt.
Dr. Schmincke: In der Klinik am Steigerwald sind alle Ärzte approbierte Schulmediziner mit Zusatzausbildung in Chinesischer Medizin. Wir haben auch Fachärzte, u.a. ist unsere Chefärztin Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie. Des Weiteren haben wir Fachärzte für Innere Medizin und Kardiologie oder Fachärzte für Allgemeinmedizin. Insofern greifen wir bei Bedarf natürlich auf das Wissen der Schulmedizin zurück, eng angelehnt an unseren Leitspruch: "Medizin aus zwei Welten".
Wenn der Patient beispielsweise ein Bluthochdruckmittel nimmt, soll er dies zunächst weiter einnehmen. Ein Großteil unserer Hochdruckpatienten können ihre Hochdruckmittel im Verlauf einer chinesischen Therapie dann allerdings absetzen oder die Dosis reduzieren. Auch dies ist für viele Patienten bereits ein erfreulicher Therapieerfolg.
Dr. Schmincke: Bei einer stationären Behandlung nehmen die Patienten in der Regel schnell Besserungen wahr. Bis die umfassenden Therapieziele erreicht werden, kann es bei einer ambulanten Weiterbehandlung in der Regel zwischen sechs und zwölf Monaten dauern. Das ist natürlich auch stark von der Vorgeschichte des Patienten und seinem Medikamentenkonsum abhängig. Und natürlich spielt das Alter eine Rolle. Bei Kindern werden die Therapieziele erfahrungsgemäß schneller erreicht.
Bei Kindern werden die Therapieziele erfahrungsgemäß schneller erreicht.
Dr. Schmincke: Einige Heilpflanzen sind in der Schwangerschaft kontraindiziert. Im Weiteren sieht der TCM-Diagnostiker aus der Vorgeschichte und dem Untersuchungsbefund, welche Pflanzen er in diesem Fall zurückhaltend oder gar nicht einsetzen soll.
Nehmen wir ein Beispiel: Wir behandeln einen neuen Rheuma-Patienten, dem wir ein Wind-Kälte-Rheuma diagnostiziert haben. 3 Monate vor Beginn unserer Behandlung hat er einen (Kälte-induzierten) Herzinfarkt erlitten. Nachdem wir zugesagt haben, jetzt die TCM-Behandlung zu beginnen, werden wir auf jeden Fall in den nächsten drei Monaten die Gabe von den in der Wirkung "heißen" Arznei-Drogen wie Aconit-Wurzel, getrocknete Ingwer-Wurzel, Evodia-Früchte und anderes vermeiden. Danach wird man vorsichtig schauen, wie man sich an die Kälte-Thematik herantastet.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 04.11.2025.