Eine Polyneuropathie ist eine allgemeine Nervenstörung, die nicht nur einen, sondern viele Nerven betrifft. Sie ist die Folge einer Erkrankung, die sich im ganzen Körper abspielt (systemischer Prozess). Aus der Fachsprache übersetzt bedeutet der Begriff Polyneuropathie in etwa "Erkrankung vieler Nerven". Betroffen sind die peripheren Nerven, also die Nerven im menschlichen Körper außerhalb des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark).
Die Folgen einer Polyneuropathie können Sensibilitätsstörungen, Schmerzen, Schwäche (durch Atrophie) und Lähmungen sein. In vielen Fällen treten sie an den Füßen und Beinen sowie an den Armen und Händen auf. Polyneuropathien können als Folge verschiedener Erkrankungen auftreten.
In Europa und Nordamerika ist Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) die häufigste Ursache. Man spricht von einer diabetischen Polyneuropathie. Ein weiterer häufiger Grund für eine Polyneuropathie ist die Alkoholkrankheit. Auch bestimmte Medikamente, Stoffwechselerkrankungen, Vitaminmangel und Entzündungen können die Nerven schädigen und eine Polyneuropathie verursachen. Weltweit ist Lepra die Hauptursache von Polyneuropathien.
Insgesamt sind über 500 Ursachen bekannt, die zu einer Polyneuropathie führen können. In etwa 20-30 % der Fälle lässt sich die Ursache der Erkrankung nicht festzustellen.
Ebenso vielfältig wie die Ursachen können die Symptome sein. Periphere Nervenfasern können motorisch (die Bewegung steuernd), sensibel (Empfindungen weiterleitend) und vegetativ (unbewusste Vorgänge steuernd) sein. Entsprechend kommt es jeweils zu bestimmten Ausfällen, wenn ein Nerv durch die Polyneuropathie geschädigt ist.
Polyneuropathien können nach unterschiedlichen Kriterien unterteilt werden. Sie werden z.B. nach der Verlaufsform unterteilt:
Polyneuropathien sind die häufigsten Erkrankungen des peripheren Nervensystems. Man schätzt, dass etwa 4 % der Erwachsenen mittleren und höheren Alters an einer Polyneuropathie leiden. Die Häufigkeit steigt mit zunehmendem Alter.
Akute Polyneuropathien treten vor allem als Folge von Entzündungen auf. Zu den Hauptursachen einer akuten Form der Polyneuropathie gehören:
Viel häufiger als akute Polyneuropathien sind chronische Neuropathien. Dass die Nerven des menschlichen Körpers im Sinne einer Polyneuropathie geschädigt werden, kann viele Ursachen haben. Am häufigsten tritt die Nervenschwäche als ein Symptom der Erkrankung Diabetes mellitus oder des Alkoholmissbrauchs auf. Diese beiden Ursachen liegen bei je etwa 30 Prozent der Betroffenen als Grund vor. Doch weitere Erkrankungen oder Störungen können ebenfalls zu einer Polyneuropathie führen. Insgesamt sind über 500 verschiedene mögliche Ursachen bekannt. Eine Polyneuropathie, deren Ursache nicht ermittelt werden kann, wird als idiopathische Polyneuropathie bezeichnet. Das ist bei circa 20-30 Prozent der Betroffenen der Fall.
Die Ursachen einer chronischer Polyneuropathie sind:
Die häufigste Ursache für eine chronische Polyneuropathie ist der Diabetes mellitus. Dabei lagern sich schädliche Stoffwechselprodukte in den Nerven ein und es kommt zu Ausfällen. Auch führt der Diabetes zu Schäden in kleinen Blutgefäßen (Mikroangiopathie), so dass das Nervengewebe unterversorgt wird. Eine Polyneuropathie, die Folge dieser Erkrankung ist, wird als diabetische Polyneuropathie bezeichnet.
Bei der alkoholischen Polyneuropathie schädigt zum einen der Alkohol direkt die Nerven, zum anderen fehlt Vitamin B (Thiamin), das für die Nervenfunktion benötigt wird.
Durchblutungsstörungen können bei bestimmten Rheumaerkrankungen auftreten. Die Nerven werden nicht mehr im ausreichenden Maße mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Daraus resultieren Funktionseinbußen und in schweren Fällen stirbt Nervengewebe ab.
Entzündungen aufgrund der folgenden Infektionen können die Ursache für eine chronische Polyneuropathie sein:
Autoimmunerkrankungen wie der systemische Lupus erythematodes können auch eine Polyneuropathie verursachen.
Vitaminmangelerkrankungen können die Nerven schädigen. Vor allem ein Vitamin-B12-Mangel kann zu einer funikulären Myelose (Degeneration der Nervenfasern durch Schädigung des Myelins, die Schutzschicht der Nervenzellen) und zu einer perniziösen Anämie führen.
Nicht nur Vitaminmangel, auch ein Mangel an bestimmten Nährstoffen, kann eine Polyneuropathie auslösen. Dazu gehört zum Beispiel ein Thiaminmangel, der auftreten kann, wenn die Ernährung einseitig ist und hauptsächlich aus weißen Reis besteht.
Zu den schädlichen Stoffen gehören Medikamente wie Zytostatika (Chemotherapeutika gegen Krebs), das Antiepileptikum Phenytoin, einige Antibiotika wie Chloramphenicol, Linezolid, Nitrofurantoin und Sulfonamide und das Malariamittel Chloroquin. Inzwischen ist bekannt, dass auch Statine, die zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt werden, eine Polyneuropathie verursachen. Die Polyneuropathie bildet sich jedoch nach dem Absetzen der Medikamente wieder zurück.
Auch Gifte, die bei der Arbeit oder in der Umwelt auftreten, wie Blei, Arsen, Thallium und phosphorhaltige Substanzen können eine Polyneuropathie auslösen.
Da einige Substanzen nicht richtig aus dem Blut gefiltert werden können, lagern sie sich ab und schaden den Nerven. Das betrifft auch Personen, die über lange Zeit eine Dialyse benötigen. So kann eine Nierenfunktionsstörung zu einer Schädigung der peripheren Nerven führen.
Hereditäre Nervenerkrankungen sind verschiedene Erkrankungen des peripheren Nervensystems mit verschiedenen klinischen Symptomen und genetischen Ursachen. Eine häufige Form dieser Erkrankungen ist die Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung (CMT), auch als hereditäre motorische und sensorische Neuropathie (HMSN) bekannt. Diese Erkrankung kommt etwa bei einer von 2.500 Personen vor.
Einige Krebserkrankungen können die Nerven schädigen. Das sind Krebserkrankungen, die direkt in die Nerven eindringen oder Druck auf die Nerven ausüben und dadurch die Nerven schädigen (z. B. multiples Myelom).
Die Schilddrüse hat entscheidenden Einfluss auf den Hormonhaushalt des Menschen. Eine Schilddrüsenunterfunktion wirkt sich auf viele körpereigene Systeme aus und kann eine Ursache einer Polyneuropathie sein.
Damit die Beschwerden der Polyneuropathie auftreten, müssen die Schäden nicht direkt an den Fasern der Nervenzellen bestehen. Sie können auch die umgebenden Nervenhüllzellen betreffen (Schwann-Zellen beziehungsweise Myelin-Scheiden) oder das Bindegewebe um die Nerven herum.
Die Symptome einer akuten Polyneuropathie entwickeln sich schnell (innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen). Sie beginnen oft abrupt in beiden Beinen und breiten sich schnell bis in die Arme aus. Zu den Anzeichen gehören
Häufig ist auch die Atemmuskulatur betroffen, was zu Atemproblemen führt.
Chronische Polyneuropathien beginnen in vielen Fällen schleichend, Patienten bemerken erst oft gar nicht, dass Nerven langsam geschädigt werden.
Folgen der Nervenschädigung sind verschiedene Ausfälle. Typisch sind Sensibilitätsstörungen. An den betroffenen Bereichen werden Berührung und Schmerz nicht mehr oder nur noch abgeschwächt gespürt. Betroffen sind anfangs vor allem die Füße. Umgekehrt können Schmerzen oder Kribbelgefühle ausgelöst werden. Ebenso kann die Muskelkraft vermindert sein oder es kommt zu Ausfällen von speziellen Funktionen von Nerven.
Sind Fasern sensibler Nerven betroffen, kann es zu folgenden Beschwerden kommen:
Solche Erscheinungen werden als Missempfindungen (Parästhesien) zusammengefasst. Fehlt das Spüren von Schmerz, dann kann es leicht zu Wunden kommen, die nicht bemerkt werden. Kleine Verletzungen oder Brandwunden können auf diese Weise mitunter gefährlich werden, beispielweise beim diabetischen Fußsyndrom.
Da die Betroffenen die Position ihrer Gelenke nicht wahrnehmen können, haben sie Schwierigkeiten beim Gehen und stehen unsicher. Dabei werden ihre Muskeln oft nicht genutzt, was letztendlich zu Schwäche und Verkümmerung führt. Dies kann zu Steifheit und anhaltender Verkürzung (Kontrakturen) führen. Auch können die motorischen Nerven geschädigt werden. Das äußert sich in:
Ein frühes, häufig auftretendes Zeichen ist der Ausfall der Muskelreflexe.
Wenn vegetative (autonome) Nerven geschädigt sind, kommt es auch zu Störungen des vegetativen Nervensystems wie:
Ebenfalls können die Hirnnerven betroffen sein. Dann kann sich die Polyneuropathie beispielsweise äußern in:
Außerdem kann es im Zuge der Polyneuropathie an inneren Organen zu Störungen kommen.
Die Beschwerden bei einer Polyneuropathie hängen von der zugrundeliegenden Ursache ab. Bei der Form, die durch Diabetes verursacht wird, treten häufig zuerst Störungen an den Füßen und Beinen auf. Angeborene Syndrome mit Polyneuropathie haben typische Symptome, die oft von weiteren Auffälligkeiten begleitet werden können. Diese sind meist die direkte Folge von Nervenstörungen wie Seh- und Höreinschränkungen oder spastischen Lähmungen, begleitet von Muskelkontraktionen. Häufiges Trinken von viel Alkohol kann zum Korsakow-Syndrom führen, das neben der Polyneuropathie vor allem durch Amnesie (Gedächtnisverlust) gekennzeichnet ist.
Patienten mit Diabetes oder mit einer Alkoholkrankheit sollten darauf achten, ob frühe Hinweise auf eine Polyneuropathie auftauchen. Dazu können ein Kribbel- oder Taubheitsgefühl gehören, insbesondere in den Beinen. Diese Symptome müssen ärztlich abgeklärt werden.
Um eine Polyneuropathie und ihre Ursache zu diagnostizieren, werden Untersuchungen aus mehreren medizinischen Fachgebieten durchgeführt.
Die wichtigsten Unterschungen bei einer Polyneuropathie sind:
Der Arzt fragt den Patienten nach seinen Symptomen und möglichen Ursachen (Anamnese), um mehr darüber zu erfahren. Die Symptome, ihre Dauer und eventuelle Vorerkrankungen geben Hinweise darauf, was die Nervenstörung verursacht hat. Der Arzt prüft, ob es Anzeichen für Diabetes, Alkoholismus oder eine Infektionskrankheit gibt. Außerdem erkundigt er sich, ob der Patient Kontakt mit Giftstoffen hatte oder Medikamente nimmt. Auch nach familiären Auffälligkeiten wird gefragt.
Laboruntersuchungen werden nach einer Blutentnahme durchgeführt, um die Blutwerte zu analysieren. Anhand dieser Werte kann beurteilt werden, ob eine Erkrankung zu der Polyneuropathie geführt hat.
Auch eine Urinprobe kann sinnvoll sein.
Blut- und Urinuntersuchungen können Hinweise auf die Ursache der Polyneuropathie geben, z. B. Diabetes, Nierenschwäche oder Schilddrüsenunterfunktion.
Von großer Wichtigkeit ist die neurologische Untersuchung. Die Nerven werden hierbei auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft, in der Regel durch einen Facharzt, der sich mit Nervenerkrankungen beschäftigt (Neurologe). Mit verschiedenen Tests ermittelt er eventuelle Empfindungsstörungen für Berührungen, Schmerz und Temperatur, die Tiefensensibilität (das Spüren der Körperlage) und das Vibrationsempfinden.
Eine genauere Diagnostik ist mittels elektrophysiologischer Untersuchungen möglich. Hier erfährt der Arzt mehr über die genaue Schädigung der Nerven und der Muskeln.
Zu den elektrophysiologischen Methoden gehören die Aktivitätsmessung am Muskel (Elektromyographie) und die Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit (Elektroneurographie). Diese erfolgt vor allem in den Beinen und Füßen. Die Elektroneurographie gehört zu den wichtigsten Untersuchungen der Polyneuropathie.
Ein Ultraschall der Nerven kann eine sinnvolle, ergänzende Untersuchung zu einer Elektromyographie darstellen.
Bei Verdacht auf eine behandelbare Polyneuropathie (z.B. Vaskulitis) wird zur Sicherung des Verdachts eine Probeentnahme aus einem Nerven veranlasst (Mukel- und Nervenbiopsie). Vor allem beim Auftreten akuter Polyneuropathien wird diese Untersuchung häufig durchgeführt. Das entnommene Gewebe wird durch ein Speziallabor beurteilt.
Eine Untersuchung des "Nervenwassers" (Liquor), das Gehirn und Rückenmark umgibt, lässt Entzündungen als Ursachen der Nervenstörung voneinander unterscheiden. Die Flüssigkeit wird mittels einer Lumbalpunktion gewonnen, indem eine Kanüle in den Raum um das Rückenmark herum hineingegangen wird. Im Blut und Urin kann außerdem festgestellt werden, ob sich Giftstoffe angesammelt haben. Auch die Entzündungsparameter im Blut werden untersucht. Zudem kann eine genetische Diagnostik in Frage kommen, wenn es bei Verwandten eine Polyneuropathie-Erkrankung oder bestimmte Anzeichen dafür gibt.
Ein modernes Verfahren ist die quantitative sensorische Testung (QST), mit der die Schmerz- und Temperaturempfindlichkeit geprüft wird. Das Verfahren ist sehr aufwändig, wird aber immer häufiger durchgeführt.
Eine Spirometrie testet die Atmungsmuskulatur und misst das Luftfassungsvermögen der Lunge sowie die Ausatmungsgeschwindigkeit.
Ein EKG kann Anzeichen von Schäden an den autonom arbeitenden Nerven des Herzens aufdecken.
Eine genetische Untersuchung wird durchgeführt, wenn bereits in der Familie Polyneuropathien aufgetreten sind.
Aufgabe der Untersuchungen ist es, herauszufinden, welches die Ursache der Polyneuropathie ist. Hier müssen die verschiedensten Störungen voneinander abgegrenzt werden. Neurologische (nervliche) Ausfälle können außerdem bei anderen Erkrankungen eintreten, etwa bei einer Minderdurchblutung oder bei Wirbelsäulenschäden wie Bandscheibenvorfall.
Die Behandlung umfasst:
Die Therapie hängt vor allem von der Ursache der Polyneuropathie ab. So können spezielle Maßnahmen gegen Diabetes, Alkoholismus, Vergiftungen oder weitere Erkrankungen erfolgen. Liegt eine erbliche Störung als Ursache vor, dann kann jedoch nur eine Behandlung der Beschwerden durchgeführt werden.
Ein Diabetes mellitus muss von den Blutzuckerwerten her gut eingestellt und kontrolliert werden. Damit kann eine Verschlechterung der Nervenfunktion aufgehalten werden. Die geeignete Ernährung und ausreichend körperliche Aktivität sind bei Diabetikern wichtige Komponenten, den Blutzucker im normalen Rahmen zu halten. Eine Ernährungsberatung oder eine Diabetes-Schulung kann sinnvoll sein. Diabetesmedikamente, die der Arzt verschrieben hat, und Insulin sollten konsequent genommen werden.
Bereits aufgetretene Symptome bei einer Polyneuropathie durch Diabetes können mit Medikamenten behandelt werden. Das Mittel Alpha-Liponsäure wird als Infusion verabreicht und bekämpft Beschwerden wie den Schmerz und das Taubheitsgefühl.
Diabetiker müssen ihre Füße besonders genau pflegen beziehungsweise pflegen lassen. Durch die Polyneuropathie können unerkannte Verletzungen zu schwerwiegenden Folgeproblemen führen. Dazu gehört die vorsichtige tägliche Reinigung der Füße, das ausreichende Fußnägelschneiden und das tägliche Beurteilen des Fußzustandes. Auch sollten Patienten eine professionelle Fußpflege durchführen lassen. Druckstellen und Risse müssen möglichst vermieden werden, zu enge Schuhe können hier Schaden anrichten.
Alkoholiker müssen vollständig auf den Konsum des Suchtmittels verzichten. Die Gabe von Vitamin B1 (z. B. über Nahrungsergänzungsmittel) kann helfen, da häufig ein Mangel daran besteht, auch weil die Ernährungslage mangelhaft ist. Das Vitamin B kann den Körper dabei unterstützen, die Nerven wieder aufzubauen und die Schmerzen zu lindern.
Arzneimittel, die im Verdacht stehen, eine Polyneuropathie ausgelöst zu haben, müssen abgesetzt werden. Bei Vergiftungen muss ein weiterer Kontakt zu der Substanz verhindert werden. Auf der Arbeit oder in der Freizeit sollte der Umgang mit allen potenziellen Giftstoffen gestoppt werden. Eine Vergiftung etwa mit Blei oder Arsen kann mit Bindemitteln (beispielsweise Penicillamin) abgemildert werden.
Einige Infektionskrankheiten lassen sich durch spezifische Medikamente behandeln. So werden gegen Bakterien Antibiotika gegeben.
Ein Mangel an Vitaminen (z. B. B1, B12, Folsäure) oder anderen Nährstoffen kann durch die Anwendung von Medikamenten beziehungsweise Nahrungsergänzungsmitteln beseitigt werden.
Bei schmerzhaften Polyneuropathien können Medikamente eingesetzt werden. Nicht immer ist es möglich, eine Schmerzfreiheit zu erzielen. Die Schmerzen sollen durch die Medikamente auf ein erträgliches Maß gelindert werden können. Eingesetzt werden:
Medikamente der 1. Wahl
Medikamente der 2. Wahl
Medikamente der 3. Wahl
Die Medikamente haben allerdings viele Nebenwirkungen und bei einigen Erkrankungen bestehen strenge Gegenanzeigen. Dies sollte im Vorfeld der Behandlung genau abgeklärt, abgewägt und mit dem Arzt abgesprochen werden. Die Wirkung sollte jeweils im Einzelfall ausprobiert werden.
Sind die Symptome geringgradig und treten nur zwischenzeitlich auf, dann kann nach ärztlicher Rücksprache ASS (Acetylsalicylsäure, Aspirin®) angewendet werden. Dies wirkt aber oft nur mäßig.
Einfache Behandlungsmaßnahmen aus der physikalischen Therapie helfen, die Bewegung des Patienten zu verbessern. Die Mobilität kann damit erhalten werden. Außerdem kann die Durchblutung gefördert werden. Wichtige Methoden sind die Physiotherapie, Massagen, Bädertherapie inklusive Bewegungsbäder, Wärmebehandlung und Behandlungen mit elektrischem Strom.
Gegen den Schwindel und die körperliche Schwächung können ebenfalls Maßnahmen helfen. Der Schwindel beim Aufstehen lässt sich reduzieren, indem man langsam aufsteht, mit erhöhtem Oberkörper liegt und Kompressionsstrümpfe trägt. Medikamente, die den Blutdruck steigern, helfen ebenfalls gegen das Schwindelgefühl. Körperliches Training stärkt die Muskeln.
Die Verdauungsprobleme lassen sich in den Griff bekommen, indem einfache Verhaltensweisen beachtet werden und gegebenenfalls Medikamente genommen werden. Verstopfung lässt sich mit einer Ernährung mit viel Ballaststoffen und Wasser bessern. Bei Durchfall ist vor allem ein Ersatz der Flüssigkeit und der Salze wichtig, Medikamente wie Loperamid (z. B. Imodium akut®) können manchmal sinnvoll sein. Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen oder Völlegefühl können durch den Verzehr kleinerer Portionen vermindert werden, an Medikamenten helfen hier Metoclopramid (MCP, z. B. Paspertin®, Cerucal®) und Domperidon (Motilium®).
Einer Erektionsstörung kann unter anderem entgegengewirkt werden mit einer Vakuumpumpe oder mit Medikamenten wie Sildenafil (Viagra®). Manchmal kann gegebenenfalls bereits das Absetzen von Medikamenten (insbesondere Antidepressiva) die Situation bessern, sofern der Arzt dies erlaubt.
Eine Therapieform, die aus der Elektro- oder Reizstromtherapie hervorgegangen ist, ist die hochfrequente Muskelstimulation. Diese auch als Hochtontherapie bezeichnete Maßnahme sendet über Elektroden sehr hohe Töne durch den Körper. Dies hilft Patienten, die Symptome zu lindern, insbesondere wenn ein Diabetes die Ursache ist. Da es bisher nicht ausreichend Studien gibt, die die Wirksamkeit beweisen, wird das Verfahren jedoch nicht von der Krankenversicherung bezahlt.
Ebenfalls kann die elektrische Behandlung TENS (transkutane elektrische Nerven-Stimulation) angewendet werden. Das TENS-Gerät sendet Stromimpulse aus, die zu einer Herabsetzung der Schmerzen führen. Auch hier ist die Wirksamkeit nicht wissenschaftlich bewiesen.
Eine Fülle von alternativen Heilmethoden stehen im Rahmen der Erscheinungen der Polyneuropathie zur Verfügung. In der Homöopathie können gegen die Polyneuropathie verschiedenste Mittel zum Einsatz kommen. Das hängt von der Art der Schmerzen und deren Auslöser ab. Durch die Nervenstörung bedingte stechende Schmerzen oder Brennen lassen sich unter anderem durch das homöopathische Mittel Aconitum behandeln. Daneben gibt es viele weitere Homöopathika zu speziellen Ursachen und Symptomen. Einige Kombinationen von Schüßlersalzen können außerdem angewendet werden.
Auch pflanzliche Wirkstoffe können eingesetzt werden. Zu den Möglichkeiten gehören Helmkraut, Nachtkerzenöl oder die äußere Anwendung von Cayennepfeffer (Chili).
Eine Entgiftung durch verschiedene Wirkstoffe gilt in der ganzheitlichen Heilkunde bei Polyneuropathie als sinnvoll. Helfen können auch die Akupunktur sowie weitere Maßnahmen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin.
Die meisten Polyneuropathien sind nicht heilbar, aber beeinflussbar. In Einzelfällen und abhängig von der Ursache können Polyneuropathien geheilt werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die zugrunde liegende Erkrankung möglichst früh erkannt wird, um eine erfolgreiche Behandlung zu ermöglichen. Kommt es zu einer dauerhaften Schädigung der sensiblen Nervenfasern, ist die Polyneuropathie nicht mehr heilbar. In etwa 20 bis 30 Prozent der Fälle kann keine Ursache gefunden werden. In den Fällen, in denen die Ursache nicht bekannt ist, wird nur eine symptomatische Therapie durchgeführt.
Die Polyneuropathie selbst verkürzt die Lebenserwartung nicht. Die Lebenserwartung kann jedoch durch die Grunderkrankung wie Diabetes oder Alkoholismus verkürzt sein.
Der Polyneuropathie lässt sich nur bedingt vorbeugen. Jedoch hat die Früherkennung der Nervenschädigung einen hohen Stellenwert. Menschen, die ein erhöhtes Risiko für die Polyneuropathie haben, sollten auf Symptome achten, die auf die Störung hinweisen können (Schmerzen, Taubheits- oder Kribbelgefühl). Diabetiker beurteilen regelmäßig ihre Füße, um zu verhindern, dass sich ein schweres diabetisches Fußsyndrom entwickelt. Kleine Verletzungen werden nämlich in vielen Fällen durch die Nervenausfälle nicht bemerkt und könnten so ungehindert schwere Folgeschäden verursachen.
Beim Diabetes kommt es darauf an, ob der Blutzucker richtig eingestellt ist. Der Blutzuckerwert sollte gewissenhaft kontrolliert werden. Wichtig ist, dass Diabetiker bei einem Arzt in Behandlung sind, der immer wieder Kontrolluntersuchungen durchführt.
Auch zur Vorbeugung dienen bei Diabetikern körperliche Bewegung und eine gesunde, an die Situation angepasste Ernährung.
Regelmäßige oder starke Konsumenten von Alkohol sollten ihr Verhalten hinterfragen, denn eine der vielen möglichen Folgen kann die Neuropathie sein. Hier kann es sich lohnen, eine Sucht behandeln zu lassen und in eine Selbsthilfevereinigung zu kommen.
aktualisiert am 08.10.2023