Eine perniziöse Anämie ist selten und kommt vor allem im höheren Lebensalter vor. Rund ein Prozent der über 70-Jährigen ist von dieser Form der Blutarmut betroffen.
Von einer Anämie spricht man, wenn das Blut zu wenig Hämoglobin (roten Blutfarbstoff) enthält. Hämoglobin ist ein wichtiger Bestandteil der roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Es ist für den Transport von Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid im Blut zuständig.
Bei einer perniziösen Anämie ist der Hämoglobin-Wert (Hb) zu niedrig, weil die Aufnahme des Vitamin B12 (Cobalamin) nicht richtig funktioniert. Für diese Störung ist das Fehlen eines wichtigen Stoffes, des Intrinsic Factors, im Magen-Darm-Trakt verantwortlich. So entsteht ein Vitamin-B12-Mangel im Körper. Vitamin B12 wird benötigt für die Zellteilung und die Bildung der DNS (Träger der genetischen Informationen) und beeinflusst die Bildung der roten Blutkörperchen.
Die perniziöse Anämie wird auch Morbus Biermer, Biermersche Anämie oder Addison-Anämie genannt.
Grund für die perniziöse Anämie ist eine gestörte Aufnahme und damit ein Mangel an Vitamin B12. Man spricht daher auch von einer Form der Vitamin-B12-Mangelanämie. Entscheidend dafür ist ein spezielles Eiweißmolekül, der sogenannte Intrinsic Factor. Er wird von der Magenschleimhaut produziert und bindet das Vitamin B12, sodass es über die Darmwand in das Blut aufgenommen werden kann.
Fehlt es an Intrinsic Factor, wird Vitamin B12 nicht mehr ausreichend aus der Nahrung gewonnen und eine perniziöse Anämie kann entstehen. Zu wenig Intrinsic Factor kann vorhanden sein, wenn eine chronische Gastritis (Magenschleimhautentzündung) besteht. Die sogenannte Typ-A-Gastritis führt über eine Fehlreaktion des eigenen Immunsystems (Autoimmunerkrankung) zu einer Schädigung der Zellen, die den Intrinsic Factor herstellen (Belegzellen).
Aufgrund einer seltenen Erbkrankheit kann Intrinsic Factor ebenfalls fehlen. Das wird als kongenitaler Intrinsic-Factor-Mangel beziehungsweise kongenitale perniziöse Anämie bezeichnet. Außerdem kommt es nach der operativen Entfernung der Anteile des Magens, die den Intrinsic Factor herstellen, zu einem Mangel.
Im erweiterten Sinne werden andere Formen der Vitamin-B12-Mangelanämie manchmal ebenfalls als perniziöse Anämie bezeichnet. Vitamin-B12-Mangel kann verschiedene Ursachen haben. Ein häufiger Grund ist, dass zu wenig Vitamin B12 mit der Nahrung aufgenommen wird. Cobalamin ist vor allem in tierischen Produkten enthalten: Fleisch, Innereien, Fisch, Milch und Eier sind gute Vitamin-B12-Lieferanten. Vegetarier können ihren Vitamin-B12-Bedarf mit Milch, Milchprodukten und Eiern decken. Bei einer veganen Ernährung entwickelt sich leicht ein Vitamin-B12-Mangel, da Pflanzen gar keins oder nur minimale Mengen davon enthalten.
Bei Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa (chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen) kommt es häufig zu einem Cobalamin-Mangel. Eine Operation an Magen, Darm oder Galle kann die Vitamin-B12-Aufnahme ebenso in Mitleidenschaft ziehen wie eine Bauchspeicheldrüsenerkrankung oder eine Leberkrankheit. Alkoholkranke Menschen leiden häufig unter Vitamin-B12-Mangel. Auch eine dauerhafte Einnahme von Antidiabetika oder Säureblockern sowie ein langfristige Einnahme von Antibiotika kann den Vitamin B12-Spiegel senken.
Außerdem besteht ein erhöhter Vitamin-B12-Bedarf in der Schwangerschaft. Werdende Mütter und stillende Mütter sollten einen Vitamin-B12-Mangel unbedingt vermeiden, da dieser bleibende Schäden für das Kind haben kann.
Der Körper speichert Vitamin B12 vor allem in den Muskeln und in der Leber. Ist ausreichend Vitamin B12 vorhanden, kann der Körper fast fünf Jahre lang davon zehren, bis ein Mangel entsteht. Es kann also mehrere Jahre dauern, bis sich ein Vitamin-B12-Mangel bemerkbar macht.
Ein Vitamin-B12-Mangel kann völlig ohne Symptome verlaufen und lange Zeit unbemerkt bleiben. Besteht der B12-Mangel über längere Zeit, führt er zu neurologischen Symptomen wie
Auch psychische Probleme wie Depressionen kommen bei Menschen mit einem Vitamin B12-Mangel häufiger vor als bei Menschen mit einem normalen Vitamin-B12-Spiegel.
Entwickelt sich eine perniziöse Anämie, kann sie sich durch Schwindelgefühle mit Kollapsneigung, durch Ohrensausen und Kopfschmerzen bemerkbar machen. Menschen mit einer Anämie fühlen sich häufig müde, abgeschlagen und weniger leistungsfähig. Sie sehen blass aus. In ausgeprägten Fällen kann eine Gelbsucht entstehen. Ein typisches Anzeichen einer perniziösen Anämie sind zudem ein gerötete, brennende Zunge und eine entzündete Mundschleimhaut (Hunter-Glossitis).
Allerdings macht sich eine Anämie erst dann mit Beschwerden bemerkbar, wenn sie bereits weit fortgeschritten ist und länger besteht. Der Körper kann sich lange Zeit an den niedrigen Hämoglobin-Spiegel im Blut anpassen. Selbst wenn die Normwerte an Hämoglobin zur Hälfte unterschritten werden, müssen keine nennenswerten Symptome auftreten.
Falls sich eine ursächliche Magenschleimhautentzündung (Gastritis) bemerkbar macht, können Völlegefühl und Verdauungsbeschwerden auftreten. Diese Anzeichen fehlen jedoch häufig.
Eine Anämie wird mit einer Blutprobe ermittelt. Normalerweise liegen die Hämoglobin-Werte (Hb) zwischen 14 und 18 Gramm pro Deziliter (g/dl) beim Mann und zwischen 12 und 16 g/dl bei der Frau. Liegen die Werte darunter, spricht man von einer Anämie. Eine Vitamin-B12-Mangelanämie liegt vor, wenn zu einem niedrigen Hämoglobinwert noch ein niedriger Vitamin-B12-Wert diagnostiziert wird. Weitere Werte, die für den Arzt zur näheren Bestimmung interessant sind, sind der MCV-Wert (Maß der Blutkörperchen) sowie der Gehalt an Methylmalonat oder Homocystein im Blut. Da die Auslöser einer perniziösen Anämie häufig in Magen und Darm zu finden sind, kann auch eine Magen- und Darmspiegelung zur Ursachenforschung herangezogen werden.
Der sogenannte Schilling-Test, ein spezieller Test auf perniziöse Anämie, der die gestörte Aufnahme von Vitamin B12 nachweist, kommt heute kaum noch zur Anwendung. Dem Patienten wird oral und als Injektion radioaktiv markiertes Vitamin B12 verabreicht. Über die Menge, die im Lauf von 24 Stunden über den Urin ausgeschieden wird, kann auf die Vitamin-B12-Aufnahme geschlossen werden. Ist die Aufnahme zu gering, wird der Test wiederholt, indem zusätzlich der Intrinsic Factor gegeben wird. Steigt die Ausscheidung von Vitamin B12 daraufhin im Urin an, liegt die Ursache des Vitamin B12-Mangels im Magen.
Die Häufigkeit eines Vitamin-B12-Mangels steigt mit dem Alter. Es wird geschätzt, dass bei bis zu 15 Prozent aller Menschen über 70 ein Mangel an Vitamin B12 vorliegt. Doch nur ein Prozent von ihnen hat eine perniziöse Anämie.
Bei einer perniziösen Anämie, die mit einem fehlenden Intrinsic Factor einhergeht, muss lebenslang Vitamin B12 injiziert werden, weil der Körper das Vitamin nicht auf anderem Weg aufnehmen kann. Da das Vitamin im Körper gut speicherbar ist, reicht meist eine monatliche oder vierteljährliche Dosierung.
Ein Vitamin B12-Mangel, der nicht durch eine gestörte Aufnahme bedingt ist, kann durch ausgewogene Ernährung ausgeglichen werden. Einfacher ist dies, wenn regelmäßig Fleisch auf dem Speiseplan steht. Vegetarier und vor allem Veganer müssen zusätzlich Vitamin B12 in Tablettenform einnehmen, um den Mangel zu beheben.
Besteht der Vitamin-B12-Mangel noch nicht zu lange und wird in einem frühen Stadium behoben, ist die Prognose gut. Anders sieht es bei länger bestehenden Mangelzuständen aus. Dann kann es bereits zu irreversiblen (bleibenden) Schäden gekommen sein.
Deximed, Natalie Anasiewicz – Vitamin-B12-Mangel und perniziöse Anämie: https://deximed.de/home/b/blut/patienteninformationen/anaemien/vitamin-b12-mangel-und-pernizioese-anaemie/ (online, letzter Abruf: 05.01.2021)
DocCheck Flexikon, Dr. med. M. Cumhur Vardarli, Dr. Frank Antwerpes; Ibrahim Güler; Dr. med. Norbert Ostendorf – Schilling-Test: https://flexikon.doccheck.com/de/Schilling-Test (online, letzter Abruf: 05.01.2021)
Deutsche ApothekerZeitung, Dr. med. Ingo Blank – Was ist eigentlich...eine perniziöse Anämie?: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2008/daz-32-2008/was-ist-eigentlich-eine-pernizioese-anaemie (online, letzter Abruf: 05.01.2021)
TK (Die Techniker), Martin Waitz; Maria Anna Schoppmeyer – Was ist eine Vitamin-B12-Mangel-Anämie?: https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-medizin/bluterkrankungen/was-ist-eine-vitamin-b12-mangel-anaemie-2022010 (online, letzter Abruf: 05.01.2021)
aktualisiert am 05.01.2021