Eine Anämie ist eine Störung, bei der das Blut einen zu geringen Gehalt an Hämoglobin (sogenannter roter Blutfarbstoff) aufweist. Hämoglobin ist eine unentbehrliche Substanz, die für den Transport von Sauerstoff verantwortlich ist. Hämoglobin findet sich in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten).
Die normalen Werte für Hämoglobin (Hb) liegen zwischen 14 und 18 Gramm pro Deziliter (g/dl) beim Mann und zwischen 12 und 16 g/dl bei der Frau.
Anämie ist eigentlich ein Überbegriff für sehr viele Krankheiten. Allen Formen und Ursachen gemeinsam ist die Verminderung der Hämoglobinkonzentration im Blut. Die Anämie wird auch Blutarmut genannt. Entsprechend der vielen möglichen Ursachen kann die Behandlung unterschiedlich ausfallen.
Die Unterteilung in verschiedene Anämieformen erfolgt aufgrund der unterschiedlichen Ursachen der Anämien. Es existieren viele verschiedene Arten der Erkrankung, von denen hier nur einige aufgeführt werden können.
Hämoglobin besteht aus Proteinen, die über ein Eisenatom miteinander verbunden sind. Ohne Eisen kann daher kein Hämoglobin hergestellt werden. Eine Eisenmangelanämie entsteht, wenn der Bedarf an Eisen höher ist als die Eisenaufnahme. Dies kann verschiedene Ursachen haben.
Am häufigsten kommt es durch chronische Blutungen zu einem erhöhten Eisenbedarf. Betroffen sind oft Frauen durch die Menstruation, aber auch chronische Darmblutungen, Krebsgeschwüre oder bestimmte Parasiten können für eine Eisenmangelanämie verantwortlich sein. In der Schwangerschaft besteht auch ohne Blutverluste ein erhöhter Eisenbedarf, da das Blutvolumen der Mutter zunimmt und das heranwachsende Kind Eisen aus dem Blut der Mutter braucht, um selbst Hämoglobin zu bilden.
Eine mangelhafte Resorption (Aufnahme) des Eisens aus dem Darm wegen Erkrankungen oder eine mangelhafte Zufuhr lösen in selteneren Fällen Eisenmangelanämien aus. Beispielsweise müssen Vegetarier und Veganer besonders darauf achten, genug Eisen aufzunehmen.
Eine andere Form der Blutarmut ist die Anämie bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen. Hierzu zählen unter anderem Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis (Gelenkrheuma), Sarkoidose und entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa). Durch die chronisch bestehende Entzündung gehen Vorläuferzellen von roten Blutkörperchen (Erythrozyten) zugrunde, so dass die Anzahl der roten Blutkörperchen zurückgeht. Meist besteht zusätzlich eine Eisenmangelanämie.
Vitamin B12 und Folsäure werden gebraucht, um die Reifung des Zellkerns in den Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) zu ermöglichen. Das ist notwendig, damit Hämoglobin hergestellt werden kann. Herrscht ein Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure, so werden weniger Erythrozyten gebildet. Diese Form der Anämie findet sich häufig bei Alkoholikern, da durch Alkohol die Aufnahme dieser wichtigen Stoffe gestört wird.
Die perniziöse Anämie ist eine Sonderform der Vitamin-B12-Mangelanämie. Um Vitamin B12 (auch Cobalamin genannt) aus dem Darm aufzunehmen, muss es im Magen an ein bestimmtes Protein gebunden werden, den Intrinsic Factor. Bei der perniziösen Anämie besteht ein Mangel an diesem Intrinsic Factor. Grund hierfür kann z. B. eine chronische Entzündung der Magenschleimhaut sein.
Die Sichelzellanämie ist eine Erbkrankheit. Es kommt zu einer gestörten Bildung von Hämoglobin, so dass stark veränderte rote Blutkörperchen auftreten, die Sichelzellen. Bei Menschen aus Afrika ist die Erkrankung besonders verbreitet, weil das Erbmerkmal einen Schutz gegenüber Malaria darstellt - auch wenn nur eine der beiden "Erbgutseiten" betroffen ist (heterozygot) und die Sichelzellanämie sich sonst nicht bemerkbar macht.
Eine weitere Erbkrankheit ist die Fanconi-Anämie. Blutzellen werden vermindert gebildet und verstärkt abgebaut. Dies hat viele schwerwiegende Folgen, die nicht nur das Blut direkt betreffen.
Betroffene mit Anämie (Blutarmut) haben Symptome, die nach der Art der Erkrankung unterschiedlich sein können. In vielen Punkten sind die Symptome der verschiedenen Formen aber auch gleich.
Allgemein besteht beim Patienten mit Anämie eine Blässe, da weniger Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) vorhanden ist als bei anderen Personen. Umstände wie ein gebräuntes Gesicht oder eine dunkle Hautfarbe können dies überdecken. Weil bei der Anämie wenig Sauerstoff zu den einzelnen Organen und den Muskeln transportiert wird, besteht eine herabgesetzte Leistungsfähigkeit und oft muss das Herz kräftiger und häufiger pumpen als bei gesunden Personen. Hinzu können Beschwerden wie Schwindel und Kopfschmerzen kommen.
Eine Eisenmangelanämie bringt zusätzlich Beschwerden wie brüchige Nägel, ein Zungenbrennen oder eingerissene Mundwinkel mit sich. Eventuell wird ein Blutverlust als Ursache der Eisenmangelanämie festgestellt (z. B. sehr starke Periode, Blut im Stuhl). Ein Folsäuremangel kann hingegen zu Symptomen wie einer Rötung der Zunge, Magendruck und Verdauungsstörungen führen, eine Vitamin-B12-Mangel bisweilen in einer Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit beziehungsweise Demenz. Weitere Formen der Anämie führen oft ebenfalls zu charakteristischen Symptomen.
Die Diagnose einer Anämie wird meist im Labor gestellt. Der Arzt ordnet, nach einer Befragung des Patienten nach den Symptomen (Anamnese), eine Blutuntersuchung an. Der zentrale Befund, der eine Anämie bestätigt, ist der erniedrigte Hämoglobin-Wert.
Um die Ursache der Anämie zu finden, müssen aber noch andere Parameter im Blut bestimmt werden. Ein sehr wichtiger Punkt sind die Zahl, Größe und Farbe der Erythrozyten (roten Blutkörperchen). Aus einer Eisenmangelanämie resultieren beispielsweise kleine, blassrote Erythrozyten (mikrozytäre hypochrome Anämie). Bei Folsäure- oder B12-Mangel sind die roten Blutkörperchen hingegen vergrößert und stärker rot gefärbt (makrozytäre hyperchrome Anämie).
Zur Abklärung einer Anämie (Blutarmut) sollte auch nach verborgenen Blutungsquellen gesucht werden. Bei Frauen ist es wichtig, die inneren Geschlechtsorgane zu untersuchen und zu erfragen, ob die Regelblutungen stärker als sonst sind. Wird hier keine Anomalie entdeckt, kann - wie auch beim Mann - eine Magen-Darm-Spiegelung durchgeführt werden. Falls blutende Geschwüre oder Tumore dort die Anämie verursachen, können sie damit gefunden werden.
Eine spezielle Untersuchung auf eine perniziöse Anämie ist der Schilling-Test, bei dem ein Mangel an Intrinsic Factor nachgewiesen werden kann.
Bei schweren Anämien können auch einfache Tests eine relativ sichere Diagnose stellen. Wenn die Farbe der Handlinien bei gestraffter Haut der Farbe des umgebenden Gewebes entspricht, so liegt der Hämoglobinwert mit großer Wahrscheinlichkeit unter 7,0 g/dl.
Die verschiedenen Formen von Anämien müssen durch die Untersuchungen unterschieden werden, denn die Therapie gestaltet sich je nach der Ursache unterschiedlich.
Die Behandlung der Anämie richtet sich vor allem nach der genauen Ursache der Erkrankung.
Um eine Eisenmangelanämie erfolgreich zu behandeln, muss der Eisenhaushalt ausgeglichen werden. Eine einfache Zufuhr von Eisen ist dabei nur dann sinnvoll, wenn der Mangel ernährungsbedingt ist (zum Beispiel bei Vegetariern). Hier hilft oft eine einfache Ernährungsumstellung.
Allerdings wird eine Eisenmangelanämie meist durch chronische Blutungen verursacht. Wenn eine Blutungsquelle entdeckt wurde, sollte sie behoben werden. Ein blutendes Geschwür kann in einer kleinen Operation verschlossen werden. Handelt es sich um einen blutenden Tumor, so kann eine größere Operation notwendig sein, was sich nach der Größe, der Lage und der Ausbreitung des Tumors richtet. Im Anschluss an die Entfernung der Blutungsquelle kann dann zusätzlich die Zufuhr von Eisen (meist in Form von Eisentabletten) erfolgen.
Wenn eine ursächliche Behandlung die Anämie nicht ausreichend beseitigt oder der Patient sehr stark durch die Anämie eingeschränkt wird, so kann versucht werden, die Bildungsrate der roten Blutkörperchen zu erhöhen. Dafür kann Erythropoeitin (EPO) eingesetzt werden, ein Hormon, das normalerweise von der Niere produziert wird, um die Blutbildung zu beschleunigen. Eine Zufuhr von künstlich hergestelltem EPO kann den gleichen Effekt bewirken.
Folsäure kann durch Tabletten zugeführt werden, was als Therapie meist schon ausreichend ist. Es sollte jedoch immer daran gedacht werden, dass zusätzlich ein Mangel an Vitamin B12 vorliegen könnte.
Die Zufuhr von Vitamin B12 sollte vor allem durch Spritzen in den Muskel erfolgen, da die Aufnahme im Darm bei den meisten Betroffenen gestört ist (z. B. perniziöse Anämie). Im akuten Stadium der Anämie erfolgt die Injektion noch in sehr kurzen Abständen (Tage). Das Vitamin muss lebenslang zugeführt werden. Alle drei Monate wird hierzu eine Spritze in den Muskel gestochen (wie bei einer Impfung). Bei ernährungsbedingtem Vitamin-B12-Mangel (z. B. vegane Lebensweise) ist eine Ernährungsumstellung ausreichend.
Wenn der Hämoglobingehalt schon so stark gesunken ist, dass das Leben des Patienten bedroht ist, können Bluttransfusionen durchgeführt werden, um die Sauerstofflage im Körper zu verbessern. Sie stellen jedoch nur eine Akutbehandlung dar, die Ursache für die Anämie muss bald gefunden und behoben werden.
Anämien können ohne eine entsprechende Behandlung zu einer herabgesetzten Leistungsfähigkeit und weiteren Beschwerden führen. Selten sind sie direkt lebensbedrohlich. Dennoch erhöhen bestehende Anämien das allgemeine Sterblichkeitsrisiko und müssen deshalb behandelt werden. Anämien können heutzutage im Allgemeinen sehr gut therapiert werden. Die perniziöse Anämie muss durch lebenslange Substitution von Vitamin B12 behandelt werden.
aktualisiert am 05.01.2021