Die Ergotherapie ist ein Therapiekonzept für Kranke oder Menschen mit Behinderung, dessen Ziel die Wiedererlangung oder Erhaltung der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit im Alltag ist. Dazu werden Fähigkeiten im motorischen, sozialen, psychischen und kognitiven (gedanklichen, geistigen) Bereich geschult, verbessert oder wiedererlernt. Die Ergotherapie richtet sich an Patienten jeden Alters, die durch Krankheit oder Verletzungen in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind.
Die Ergotherapie ist ein offiziell anerkanntes Heilmittel, das dem Patienten vom Arzt im Rahmen der Behandlung einer Erkrankung oder zur Rehabilitation verschrieben werden kann. Sie ist in einigen Grundzügen der Physiotherapie ähnlich und findet Anwendung bei Patienten verschiedenster Bereiche, beispielsweise in der Kinderheilkunde, Neurologie, Geriatrie, Chirurgie oder Orthopädie.
Das Therapiekonzept ist darauf ausgelegt, die Handlungskompetenzen des Patienten zu erhalten, verbessern oder - falls eine Heilung nicht möglich ist - durch andere Maßnahmen zu kompensieren. Eine ergotherapeutische Behandlung zielt darauf ab, den Patienten in seinem beruflichen und sozialen Umfeld möglichst selbstständig zu machen und ihm Kompetenzen zur Bewältigung seines Alltags zu vermitteln.
In der Therapie werden verschiedenste Übungen, Spiele oder handwerkliche Tätigkeiten durchgeführt, die kognitive und motorische Fähigkeiten schulen. Die Patienten werden im Umgang mit möglichen Hilfsmitteln wie beispielsweise Gehhilfen oder Prothesen trainiert.
Die Ergotherapie für Kinder kommt als unterstützende Maßnahme zur Entwicklungsförderung zum Einsatz. Ziel ist es, die Kinder und Jugendlichen zu kompetenten und möglichst selbstständigen Individuen heranwachsen zu lassen. Besonders bei motorischen, sensorischen oder sozialen Defiziten können Kinder durch spezielle Therapieansätze in der Entwicklung ihrer Handlungskompetenz gefördert werden.
Die Ursachen solcher Einschränkungen bei Kindern können sehr unterschiedlich sein und reichen von angeborenen Entwicklungsstörungen über Schäden durch Sauerstoffmangel während der Geburt bis hin zu psychischen Erkrankungen. Die Therapieschwerpunkte sind daher je nach zu behandelnder Störung sehr unterschiedlich.
Besonders bei Kindern ist es wichtig, sie nicht mit schwierigen Aufgaben zu überfordern, sondern ihre Fähigkeiten in spielerischen Übungen zu schulen. Dazu gehören handwerkliche und gestalterische Aufgaben wie Malen oder Holzarbeiten, motorische Aufgaben wie Balancieren oder Turnen oder das Training geistiger Fähigkeiten mithilfe von Rätseln. Außerdem muss für die angemessene Therapiegestaltung das soziale Umfeld des Kindes, also die Einbindung in Familie, Schule und Freizeitaktivitäten, beachtet werden.
Darüber hinaus kann auch eine Zusammenarbeit der Ergotherapeuten mit Kinderärzten und Kinder- und Jugendpsychiatern sinnvoll sein. Die Eltern sollten so viel wie möglich in die Therapieplanung und -durchführung mit eingebunden werden. Dies unterstützt, dass die Förderung des Kindes auch in der Familie stattfindet und die Eltern Anleitungen und Hilfestellungen für den Umgang mit ihrem Kind erhalten. Braucht das Kind aufgrund seiner Einschränkung Hilfsmittel im Alltag wie beispielsweise eine Prothese oder einen Rollstuhl, so werden das Kind und optimalerweise auch die Eltern im Rahmen der Ergotherapie im Umgang mit diesen Geräten geschult.
Patienten mit neurologischen (nervlichen) Erkrankungen oder Störungen, die beispielsweise nach einem Schlaganfall oder durch eine Demenz aufgetreten sind, können von der Ergotherapie stark profitieren. Verlorengegangene Funktionen können durch intensives Training mit einem Ergotherapeuten wiedererlernt oder zumindest verbessert werden. Dazu gehören die motorischen Fähigkeiten wie beispielsweise die Feinmotorik der Hand oder die Sprache. Auch Patienten mit Bewegungseinschränkungen, die durch Krankheiten wie dem Morbus Parkinson oder der Multiplen Sklerose aufgetreten sind, können durch ergotherapeutische Behandlung ihre motorischen Fähigkeiten verbessern. Oftmals lässt sich das Fortschreiten der Erkrankung bremsen.
Treten durch die Krankheiten für den Patienten Einschränkungen im Alltag auf, können Ergotherapeuten Hilfsmittel empfehlen oder speziell anfertigen. Diese Mittel können die Bewältigung des Alltags erleichtern und die Selbstständigkeit des Patienten weitestgehend erhalten. Dazu gehören unter anderem besondere Gehhilfen für Parkinson-Patienten oder speziell angefertigtes Besteck.
Menschen in einem hohen Lebensalter leiden häufig unter vielen verschiedenen Erkrankungen, die alle Fachbereiche der Medizin betreffen können. Zu den häufigsten Erkrankungen im höheren Alter, die zu Einschränkungen im Alltag führen, zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und rheumatische Erkrankungen.
Bei einer Ergotherapie für den älteren Menschen geht es also vor allem darum, seine Selbstständigkeit im Alltag und die motorischen und sensorischen Fähigkeiten möglichst lange zu erhalten und durch Training und spezielle Hilfsmittel zu fördern. Dabei steht auch die Optimierung der Wohnungseinrichtung im Vordergrund. Gerade für Menschen mit Bewegungseinschränkungen ist es wichtig, dass die Wohnung keine Stolperfallen wie hohe Türschwellen oder lose Teppiche hat.
Alle Geräte des Alltags sollten gut erreichbar sein, was möglicherweise die Anpassung der Kücheneinrichtung und des Bades erfordert. Besonders für die Körperpflege stehen viele Hilfsmittel zur Verfügung, wie etwa ein Badewannenlift oder spezielle Haarbürsten mit einem verlängerten Stiel.
Eine ergotherapeutische Behandlung kommt auch für Patienten mit Unfallverletzungen, mit chronischen rheumatischen Erkrankungen oder nach Amputationen in Frage. Dabei geht es vor allem darum, die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten oder wiederherzustellen, möglichst schmerzfreie Bewegungsabläufe zu erlernen und den Umgang mit Hilfsmittel oder Prothesen zu trainieren.
Bei Menschen mit rheumatischen Erkrankungen ist das Training von Haltung und Feinmotorik entscheidend. Nach Verletzungen der Muskulatur oder der Gelenke ist es wichtig, die Funktionsfähigkeit zu trainieren, unter Umständen mit Hilfe spezieller Schienen oder Orthesen. Patienten, die durch einen Unfall oder eine Krankheit eine Gliedmaße amputieren lassen mussten, werden durch Ergotherapie im Umgang mit ihrer neuen Situation geschult und auf das Benutzen einer Prothese vorbereitet.
Im Bereich der Chirurgie, Orthopädie und auch Rheumatologie arbeitet die Ergotherapie eng mit der Physiotherapie zusammen, die sich vor allem auf das Training von Bewegung und die Behandlung mit physikalischen Anwendungen spezialisiert hat.
aktualisiert am 08.12.2020