Ein Muskelfaserriss zählt zusammen mit der Muskelzerrung zu den häufigsten Verletzungen im Bereich der Muskulatur. Er ist in der Regel eine Sportverletzung, bei der es zu einem Einreißen der sehr kleinen Muskelfasern kommt. Dadurch verspürt der Betroffene plötzlich einen starken Schmerz und kann die Gliedmaße nicht mehr normal bewegen.
Meist ist die Stelle betroffen, an der der die Sehne in den Muskel übergeht. Vor allem die Waden- und Oberschenkelmuskulatur sind bei verschiedenen Sportarten verstärkt von Muskelfaserrissen betroffen. Sportarten, bei denen es sehr oft zu Muskelfaserrissen kommt, sind beispielsweise der Sprint über kurze Distanzen, Squash, Fußball und andere Ballsportarten. Manchmal wird, insbesondere bei schweren Fällen, einfach von einem Muskelriss gesprochen. Auch der Ausdruck Muskelbündelriss fällt in diesem Zusammenhang gelegentlich.
Im Falle eines Muskelfaserrisses kommt es zu einem Einreißen der retikulären (netzartigen) Fasern im Muskelgewebe. Verantwortlich sind meist Sportverletzungen, die durch eine Überlastung verursacht wurden. Meist ist es eine plötzliche heftige Beanspruchung, die zum Muskelfaserriss führt, typische Verletzungsvorgänge sind daher abruptes Abbremsen oder rasches Beschleunigen.
Einige Voraussetzungen können Muskelfaserrisse begünstigen. Sie treten verhältnismäßig oft auf, wenn sich der Sportler nicht richtig aufgewärmt hat, wenn die Muskeln gerade schon stark beansprucht wurden oder wenn der Fitnesszustand nicht gut ist. Ebenfalls ist das Risiko für einen Riss größer, wenn die anatomischen Verhältnisse ungünstig sind, die Witterung nasskalt ist, oder auch wenn Krankheiten wie eine Grippe oder andere Entzündungen im Körper bestehen.
Ein Muskelfaserriss macht sich in den meisten Fällen durch einen sehr plötzlich auftretenden starken Schmerz in der Muskulatur bemerkbar. Die Wadenmuskulatur ist am häufigsten von einem Muskelfaserriss betroffen. Die Betroffenen sind meist nicht mehr in der Lage, den verletzten Muskel in gewohnter Weise zu bewegen beziehungsweise damit Kraft auszuüben. Im Falle von Muskelfaserrissen der Unterschenkelmuskulatur ist das Gehen und besonders der Zehenstand sehr schmerzhaft oder gar unmöglich.
Typischerweise fällt ein deutlicher Dehnungs-, Anspannungs- und Widerstandsschmerz auf. Nur selten setzen die Schmerzen erst einige Stunden nach der eigentlichen Verletzung ein. Die Betroffenen spüren zudem anfangs oft eine Delle im Bereich des lädierten Muskels, die später in eine Schwellung übergeht. Ein Bluterguss ist eine häufige Erscheinung beim Muskelfaserriss oder Muskelriss. Die entstandenen Risse in den Muskelfaserbündeln rufen an den betroffenen Stellen auch Entzündungserscheinungen hervor.
Ist nur ein geringer Anteil (weniger als fünf Prozent) der Muskelfasern gerissen, so handelt es sich um eine Muskelzerrung. Die Muskelfunktion ist in diesem Fall oft kaum verschlechtert.
Ausgedehnte Muskelfaserrisse können als Komplikation zu einem Anstieg des Druckes innerhalb der Muskelumhüllung führen (Kompartmentsyndrom). Dies führt zu heftigem Schmerz, eine umgehende Behandlung ist notwendig.
Die Diagnose eines Muskelfaserrisses kann oft schon durch das typische Beschwerdebild und die Vorgeschichte des Betroffenen mit dem womöglich auslösenden Ereignis gestellt werden. In den meisten Fällen treten schlagartig Schmerzen nach größeren Belastungen auf. Nach diesem Ereignis bleibt die Funktion des betroffenen Muskels über längere Zeit schmerzhaft eingeschränkt. Tastet der behandelnde Arzt den betroffenen Muskel ab, findet sich im Bereich der Muskelverletzung ein umschriebener Schmerz. Weiterhin können ein umschriebener oder abgesackter Bluterguss, deutliche Einbuchtungen in das Gewebe oder auch zusammengezogene Muskelanteile in der betroffenen Region erkennbar sein.
Genauer lässt sich der Muskelfaserriss durch eine Ultraschalluntersuchung oder eine Kernspintomographie (MRT) beurteilen. Die Muskelanteile ziehen sich erkennbar in Richtung ihres Ansatzes oder Ursprungs zurück. Kleinere Muskelfaserrisse lassen sich jedoch letztendlich nur mit Hilfe einer mikroskopischen Untersuchung diagnostizieren.
Einige Verletzungen oder Erkrankungen können einem Muskelfaserriss ähnlich sehen. Dazu gehören Sehnenrisse, Muskelprellungen mit Blutergüssen sowie auch Thrombosen und Muskelentzündungen. Sogar Knochenbrüche (Ermüdungs- oder Stressfrakturen) können zu vergleichbaren Beschwerden führen.
Der Muskelfaserriss ist eine der Verletzungen, bei denen eine zeitnahe Behandlung besonders wichtig für den Heilungsverlauf ist. Bei plötzlich einsetzenden Schmerzen im Bereich der Muskulatur und Verdacht auf einen Muskelfaserriss sollte die sportliche Betätigung zunächst umgehend beendet werden. Als Sofortmaßnahme hat sich die so genannte PECH-Regel (nach Professor Böhmer) bewährt. Die Abkürzung PECH steht für Pause (also nicht mehr belasten), Eis (also Kühlen), Compression (Druck, z. B. als Druckverband) und Hochlagern. Im Verlauf sollte der betroffene Muskel geschont werden. Auch ein passives Dehnen sollte in den Anfangstagen nicht erfolgen. Es ist vorteilhaft, Gehhilfen zu nutzen. Mit Verbänden ist erst einmal eine Ruhigstellung des Muskels möglich.
Bei Bedarf können Schmerzmittel verordnet werden, die auch gegen entzündliche Vorgänge wirken, beispielsweise Diclofenac oder Ibuprofen (Medikamentengattung NSAR). Bei Muskelfaserrissen, die beispielsweise im Bereich der Wade auftreten, hat sich eine Hochlagerung des Beines bewährt, da die Schwellung dann geringer ausgeprägt ist und daher weniger Schmerzen bereitet. Physikalische Behandlungsmethoden wie Kühlen und leichtes Massieren sind für den Heilungsprozess oft förderlich und werden als angenehm empfunden.
Der Patient sollte Krankengymnastik ausüben. Sie sollte allerdings nur in einem limitierten Ausmaß erfolgen: Schmerzen sollten dabei nicht auftreten.
Weitere Maßnahmen, die versucht werden können, sind Reizstrom, Wärmeanwendungen und das Auftragen von Salbe. Ob diese Methoden wirkungsvoll sind, darüber sind sich die Mediziner noch nicht einig. Nicht selten heilt ein Muskelfaserriss von alleine, ohne dass eine spezielle Behandlung vorgenommen wird.
Eine Operation ist nur dann erforderlich, wenn der Muskel weit eingerissen ist und die Funktion vermindert ist. Der chirurgische Eingriff ist besonders bei Sportlern sinnvoll, weil sonst der Muskel nicht von alleine richtig zusammenheilt und die Kräfte nicht mehr optimal übertragen werden können. Die Operation besteht darin, den gerissenen Muskel zu nähen. Ein Bluterguss kann ausgeräumt werden. Auch nach einer OP wird der Muskel über etwa sechs Wochen ruhiggestellt, dadurch kann ein erneutes Reißen vermieden werden.
Die Prognose eines Muskelfaserrisses ist in den meisten Fällen gut. Bis der Muskelfaserriss vollständig verheilt ist kann es je nach Ausmaß der Verletzung zwischen drei und sechzehn Wochen dauern. Der Riss heilt meist sogar spontan, ohne dass eine spezielle Behandlung vorgenommen werden muss. Für eine spätere gute Funktion des Muskels ist eine geeignete Behandlung aber notwendig. Nur bei großen Rissen in der Muskulatur oder bei Leistungssportlern muss eine operative Versorgung der Verletzung erfolgen.
Als Folge des Muskelfaserrisses kann es zu umschriebenen Vernarbungen in den betroffenen Muskeln kommen, die vom Patienten normalerweise nicht wahrgenommen werden. Wird ein Muskelfaserriss nicht genügend behandelt oder wird der Körperteil zu schnell wieder beansprucht, kann es zu größeren, ungünstigen Narben kommen. Der Muskel ist dann weniger kräftig und nicht mehr so elastisch. In seltenen Fällen zeigen sich in der Folge eines Muskelfaserrisses Kalkeinlagerungen und Verknöcherungen innerhalb der Muskulatur (Myositis ossificans). Besonders kann die Verkalkung dann auftreten, wenn der Riss nicht frühzeitig angemessen behandelt wird, wenn der Betroffene zu früh mit dem Training beginnt oder zu früh eine Massage erfolgt.
Um einem Muskelfaserriss vorzubeugen, sollten Sportausübende darauf achten, sich vor der Betätigung aufzuwärmen. Falls neue Bewegungsabläufe ausgeübt werden, sollte der Körper daran allmählich gewöhnt werden, da vor allem eine Muskulatur im schlechten Trainingszustand zu Muskelfaserrissen neigt.
aktualisiert am 02.09.2021