Erst seit kurzem steht die vestibuläre oder Schwindel-Migräne im Blickfeld der Medizin. Dabei handelt es sich nicht um eine fest eingrenzbare Erkrankung, sondern um ein Paket von Symptomen. Die Diagnose ist schwierig und lange Zeit wurden Patienten, die über diese besondere Kombination von Symptomen klagten, nicht ernst genommen. Doch es existieren erfolgversprechende Therapien.
Inzwischen wurde die Erscheinung genau definiert. Initiatoren waren die Internationale Kopfschmerzgesellschaft und die Bárány-Gesellschaft, eine internationale Fachgesellschaft zur Erforschung von Schwindelerkrankungen. Seitdem haben speziell für diese Problematik ausgebildete Fachärzte bessere Anhaltspunkte zur Diagnose. Eine Behandlung können sie entsprechend effektiver durchführen.
Eine Schwindel-Migräne ist an einer Kombination von mehreren Anzeichen erkennbar. Dennoch ist das Krankheitsbild bei Ärzten nicht gut bekannt, so dass viele Mediziner sich schwer tun, dieses zu erkennen. Klassische Symptome der Migräne treten dabei gepaart mit unterschiedlich langen und heftigen Schwindelanfällen auf.
Typisch für Migräne sind:
Nicht jeder Patient durchläuft alle genannten Phasen, und nicht bei jedem sind sie gleich stark. Einige Betroffene sind tagelang arbeitsunfähig und benötigen starke Medikamente. Andere erholen sich nach wenigen Stunden wieder. Zuweilen treten nur die Aura-Symptome auf, während Kopfschmerzen und Übelkeit ausbleiben.
Anfälle vestibulärer Migräne können ebenfalls zwischen einer und 24 Stunden andauern. Einige Patienten haben Schwierigkeiten beim Gehen, andere leiden unter ausgeprägtem Dreh- und Schwankschwindel. Diese gehen mit einer erhöhten Sturz- und Unfallgefahr einher. Wie bei der klassischen Migräne verschlimmern sich die Beschwerden bei körperlicher Aktivität, grellem Licht und einer lauten Umgebung.
Frauen erleiden Schwindelmigräne häufig in der Phase vor der Menstruation. Nach der Menopause (nach der letzten Regelblutung) lösen bei einigen Migräne-Patientinnen die Schwindelanfälle den Kopfschmerz ab, während andere Symptome weiter bestehen bleiben. Generell sind von der Schwindel-Migräne zweimal mehr Frauen als Männer betroffen. In nur etwa 60 Prozent der Fälle tritt überhaupt Kopfschmerz auf.
Vestibuläre Migräne liegt dann vor, wenn mindestens zweimal hintereinander Schwindel gepaart mit mindestens zwei der klassischen Migräne-Symptome begleitet auftritt. Zwischen den Schwindel-Beobachtungen und der Migräne muss ein zeitlicher Zusammenhang erkennbar sein.
Wie bei der klassischen Migräne rätseln Mediziner noch immer über die exakten Ursachen der Schwindelmigräne. Vermutet werden
Auch die direkten Auslöser sind von Mensch zu Mensch verschieden. Bei einigen kann Migräne als „Entzugserscheinung“ auftreten, wenn generell viel Kaffee getrunken wird. Andere reagieren auf Wetterumschwünge, bestimmte Nahrungsmittel, zyklusbedingte Hormonschwankungen oder bestimmte Medikamente mit Migräne. Schwankungen im Serotonin-Haushalt machen die Blutgefäß-Wände für bestimmte Substanzen durchlässig. Die Folge sind punktuelle Entzündungen, die sowohl Nerven als auch feine Blutgefäße (Kapillaren) im Gehirn betreffen. Zudem zeigte sich bei Tests eine erhöhte Menge schmerzfördernder Botenstoffe im Blut.
Etwa 60 Prozent der Patienten mit vestibulärer Migräne weisen auch zwischen den Anfällen einige Besonderheiten auf. Dazu zählen Störungen der Augenbewegung (Blickrichtungsnystagmus). Vereinfacht ausgedrückt fällt es den Betroffenen zeitweise schwer, Gegenstände in der Bewegung zu fixieren und das Auge dann wieder neu auszurichten. Bei Patienten mit vestibulärer Migräne werden häufig auch Erkrankungen der Ohren oder des zentralen Gleichgewichtsorgans festgestellt.
Die Behandlung dieser Art der Migräne ist abhängig von den Symptomen, die auftreten. Diese werden vorrangig behandelt. Allerdings sind Antivertiginosa (übliche Präparate gegen Schwindel) wirkungslos. Therapiert werden Übelkeit oder Kopfschmerz.
Gute Erfolge wurden beobachtet beim Einsatz von
Nicht immer greift das gewählte Medikament bei jedem Patienten. Der behandelnde Arzt muss flexibel reagieren, die Patienten über Wochen oder Monate Geduld haben. Neben den erwähnten Mitteln können auch diverse weitere Medikamente Erfolge bringen. Die Schwindelanfälle können mit einer jeweils passenden Therapie um bis zu 70 Prozent herabgesetzt werden. Häufig verschwinden die Symptome nach einer längeren Behandlungszeit. Die Medikamente können dann sogar abgesetzt werden.
Ähnlich wie bei klassischer Migräne hilft es den Patienten, sich genau zu notieren,
Ausreichend Schlaf und Flüssigkeitszufuhr, gezieltes Stress-Management und viel Bewegung helfen, die Häufigkeit der Anfälle zu senken. Besonders regelmäßiger Ausdauersport kann kleine Wunder bewirken.
Bei einigen Patienten hat es sich bewährt, schon bei ersten Vorboten zu reagieren. Hilfreich ist beispielsweise Aspirin (blutverdünnend, entzündungshemmend) oder hochdosiertes Magnesium, jeweils mit viel Flüssigkeit einzunehmen. Einigen Betroffenen hilft dies, Anfälle abzuwenden oder die Symptome stark einzudämmen.
Lange Zeit wurden Migräne-Patienten und ihre Beschwerden nicht ernst genommen. Die "Austauschbarkeit"und die Unterschiede beim Auftreten der Symptome erschweren die Diagnose. Eine erfolgreiche Behandlung zu finden, ist bis heute ein Glücks- und Geduldspiel. Was einem Patienten hilft, greift in anderen Fällen gar nicht.
Doch inzwischen beschäftigen sich Fachärzte und ganze Institute mit der gezielten Erforschung von Migräne und ihren Sonderformen, mit Schwindelanfällen sowie der Behandlung neurologischer Störungen. Eine ganze Reihe von Medikamenten, teils aus anderen Bereichen der Medizin, haben sich in der Behandlung von Migräne und vestibulärer Migräne bereits bewährt.
aktualisiert am 19.03.2018