Analkarzinom

Das Analkarzinom ist ein seltener bösartiger Tumor des Anus. Der Anus (auch After) ist die Austrittsöffnung des Darmkanals. Er ist von ringförmigen Schließmuskeln umgeben und kontrolliert damit die Darmentleerung. Der Afterkanal ist etwa drei bis sechs Zentimeter lang und reicht von der Haut um den Anus bis zum inneren Übergang in die Schleimhaut des Enddarms.

Als Karzinom werden bösartige Tumorerkrankungen der Haut oder Schleimhaut bezeichnet.
Je nachdem, aus welchem Gewebe im Analkanal sich ein Analkarzinom entwickelt, unterscheidet man das Plattenepithelkarzinom (häufigste Art mit 75 bis 80 Prozent) und das Adenokarzinom.

Mit ein bis drei Prozent aller Tumoren des unteren Verdauungstraktes ist das Analkarzinom relativ selten. Bei Frauen tritt die Erkrankung etwa dreimal so häufig auf wie bei Männern. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 60 Jahren.

Die meisten Analkarzinome treten im Zusammenhang mit einer Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV) auf.

Behandlung und Prognose sind abhängig von der Größe des Analkarzinoms, der Beteiligung von Lymphknoten oder gestreuten Tumorherden (Metastasen) in entfernte Organe.

Ursachen

Die Ursache für ein Analkarzinom ist weitestgehend unbekannt. Folgende Faktoren fördern aber die Entstehung:

• die sexuell übertragbaren humanen Papillomaviren (HPV): bestimmte Typen dieser Viren begünstigen nicht nur Afterkrebs, sondern außerdem die Entstehung von Tumorerkrankungen des Gebärmutterhalses und des äußeren weiblichen Geschlechts (Vulva) - HPV sind auch für die Ausbildung von Feigwarzen verantwortlich
• geschwächtes Immunsystem, zum Beispiel bei HIV-positiven Patienten oder nach Transplantationen
• hohe mechanische Beanspruchung (Analverkehr)
• vorherige Analtumoren, Vaginaltumoren oder Gebärmutterhalstumoren
• chronische Entzündungen des Anus (Bildung von Fisteln), Risse der Afterhaut und -schleimhaut (Analfissuren)
• Rauchen

Symptome

Typische Symptome eines Analtumors sind:

• Blutungen aus dem Anus
• Auflagerungen von Blut auf dem Stuhl
• Juckreiz im Bereich des Afters
• Schmerzen beim Stuhlgang
• unregelmäßiger Stuhlgang
• veränderte Stuhlform, beispielsweise schmal geformter Stuhl (Bleistiftstuhl)

Im weiteren Verlauf kann es zu folgenden Beschwerden kommen:

• geschwollene Lymphknoten im der Leistengegend
• unkontrollierter Kotabsatz (Stuhlinkontinenz)
• Gewichtsverlust

Diagnose

Zunächst wird der Arzt in einem ausführlichen Patientengespräch die genaue Krankengeschichte erfragen. Anhand der Symptome oder gegebenenfalls auch bekannter HPV-Infektion kann eine erste Verdachtsdiagnose gestellt werden.

In der klinischen Untersuchung können geschwollene Lymphknoten im Bereich des Leistenkanals ertastet werden. In der folgenden Untersuchung des Enddarms (rektale Untersuchung) kann das Analkarzinom häufig bereits mit den Fingern ertastet werden. Meist wird ein Analtumor zufällig bei Krebsvorsorgeuntersuchungen entdeckt, bevor er Beschwerden verursacht.

Als nächster Schritt wird eine Spiegelung des Analkanals durchgeführt (Retroskopie). Dabei setzt der Arzt ein Untersuchungsgerät mit Lichtquelle ein (Endoskop), das in den After eingeführt wird. Der Arzt kann so die Schleimhaut des Analkanals genau untersuchen. Bei Auffälligkeiten können während der Untersuchung direkt Gewebeproben aus den veränderten Stellen entnommen und im Labor untersucht werden.

Kann eine eindeutige Diagnose gestellt werden, folgen weitere Untersuchungen, um das Ausmaß des Analkarzinoms einzuschätzen:

• Mit Hilfe einer Darmspiegelung wird der gesamte Dickdarm auf weitere Tumoren oder Entzündungen untersucht.
• Bildgebende Diagnosemethoden wie Ultraschall, Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) werden zur Untersuchung innerer Organe (Leber, Niere, Lunge, Herz, Lymphknoten) durchgeführt. So können gestreute Tumoren (Metastasen) und die Ausbreitung des Tumors in das umgebende Gewebe beurteilt werden.
• Im Blut können Tumormarker gemessen werden (SCC, CEA), um für spätere Untersuchungen einen Vergleich zu haben.
• Wenn humane Papillomaviren (HPV) als Auslöser des Analkarzinoms nachgewiesen werden, folgen spezielle Untersuchungen aus der Gynäkologie beziehungsweise aus der Urologie.

Nach der Erfassung der Untersuchungsbefunde erfolgt eine Einteilung des Tumors in verschiedene Stadien (Staging). Die Einteilung erfolgt je nach Ausbreitung, Lymphknotenbefall und anderen betroffenen Organen (TNM-Stadienenteilung des Analkarzinoms). Anhand der Untersuchungsergebnisse werden folgende Codes vergeben:

• Tx – Primärtumor (Ursprungstumor) nicht zu beurteilen
• T0 – kein Primärtumor zu ermitteln
• T1 – Tumor bis zwei cm
• T2 – Tumor mehr als zwei cm bis fünf cm
• T3 – Tumor über fünf cm
• T4 – Tumor, der in umgebende Organe wie Scheide, Harnblase oder Harnröhre eingewachsen ist

• NX – benachbarte (regionäre) Lymphknoten nicht zu beurteilen
• N0 – keine Lymphknotenmetastasen (Tumor nicht in die Lymphknoten gestreut)
• N1 – Metastasen in perirektalen (um den Mastdarm befindlichen) Lymphknoten
• N2 – Metastasen in Beckenlymphknoten oder Leistenlymphknoten einer Seite
• N3 – Metastasen in Lymphknoten um den Mastdarm und in der Leiste oder beidseits Befall der Leisten- oder Beckenlymphknoten

• MX – nicht zu beurteilen, ob Fernmetastasen vorliegen (andere Organe befallen sind)
• M0 – keine Fernmetastasen nachzuweisen
• M1 – Fernmetastasen vorhanden

Behandlung

Die Behandlung des Analkarzinoms ist abhängig von dem Stadium des Tumors, der Lage im Analkanal und der Beteiligung von Lymphknoten oder Metastasen in anderen Organen. Von Bedeutung ist es auch, ob es sich um ein Wiederauftreten des Tumors oder eine Ersterkrankung handelt. Unterschieden werden die chirurgische Entfernung des Tumors, Radiotherapie, Chemotherapie und neuere Methoden.

Chirurgische Entfernung des Tumors

Kleine Analkarzinome ohne Lymphknotenbeteiligung, die nicht tief eingewachsen sind und im Randbereich des Afters liegen, können chirurgisch entfernt werden.

Für Tumore, die ins umgebende Gewebe wachsen, ist eine größere Operation notwendig, bei der der gesamte Mastdarm (Rektum) operativ entfernt werden muss. Patienten erhalten im Anschluss einen künstlichen Darmausgang. Diese radikale Operation wird in der Regel nur durchgeführt, wenn einen andere Therapie nicht erfolgreich ist oder es zu einem Rückfall kommt.

Radiotherapie

Bei einer Radiotherapie (Bestrahlung) wird das Tumorgewebe mit starken Röntgenstahlen gezielt bestrahlt. Ziel ist, die Tumorzellen zu zerstören oder am Wachstum zu hindern.

Chemotherapie

Die Chemotherapie ist eine Behandlung, bei der Medikamente eingenommen oder vom Arzt in die Vene gespritzt werden. Über den Blutweg verteilen sich die Wirkstoffe, erreichen Tumorzellen und zerstören sie oder verhindern die Ausbreitung.

Neue Methoden

Sehr erfolgreich wird mit kombinierter Bestrahlung und Chemotherapie (Radiochemotherapie) therapiert. Diese ist heutzutage eine Standardtherapie. Der Haupttumor im Anus und die Lymphknoten im Becken und Leistenbereich werden bestrahlt. Gleichzeitig wird eine Chemotherapie durchgeführt, um alle Krebszellen, die sich im Körper ausgebreitet haben, abzutöten. Die Therapie wird für fünf bis sieben Wochen in mehreren Sitzungen durchgeführt. Da sich Analkarzinome oft nur langsam zurückbilden, ist das Ergebnis der Behandlung erst nach etwa drei Monaten endgültig zu beurteilen.

Ein vielversprechender Ansatz ist die Immuntherapie. Dabei wird das körpereigene Immunsystem stimuliert und so der Krebs bekämpft. Der Wirkstoff Nivolumab wird bereits erfolgreich in der Therapie von bösartigem Lungenkrebs oder Hautkrebs eingesetzt. In Studien konnte erste Erfolge mit Nivolumab in der Behandlung des Analkarzinoms erreicht werden. 

Vorbeugung

Es gibt keine Möglichkeit, die Bildung eines Analkarzinoms sicher zu verhindern, aber folgende Maßnahmen reduzieren das Risiko der Entstehung.

Ein wichtiger Auslöser des Analkarzinoms sind sexuell übertragbare humane Papillomaviren (HPV). Zum Schutz einer Übertragung ist auf eine Vorbeugung mit Kondomen zu achten. Seit 2007 gibt es außerdem eine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) gegen HPV bei Mädchen in einem Alter von 9 bis 17 Jahren, denn neben Analkarzinomen sind diese Viren auch an der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs oder Vulvakrebs beteiligt. Bei jungen Mädchen ist das Ansteckungsrisiko am höchsten. Die Impfung wird für Mädchen bis 17 Jahren von der Krankenkasse übernommen.

Sobald Sie Symptome wie blutigen Stuhl oder Juckreiz im Analbereich spüren, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Die ärztliche Diagnose ermöglicht es, ein Analkarzinom auszuschließen oder rechtzeitig zu erkennen. Je früher ein Analkarzinom behandelt wird, desto besser sind die Heilungsaussichten.

Rauchen steht in engem Zusammenhang mit der Entstehung verschiedener Krebserkrankungen. Versuchen Sie, das Rauchen einzustellen und möglichst auch Passivrauchen zu verhindern

Prognose

Viele Patienten können nach der Diagnose ein langes, erfülltes Leben führen. 70 bis 90 Prozent der Patienten leben nach Diagnosestellung noch fünf Jahre oder länger. Grundsätzlich ist die Prognose jedoch abhängig von der Größe des Tumors, der Beteiligung von Lymphknoten oder Metastasen in entfernten Organen. Je eher die Erkrankung behandelt wird, desto besser sind im Allgemeinen die Heilungsaussichten.

Für die Verbesserung der Langzeitprognose sind im Anschluss an die Behandlung regelmäßige Kontrolluntersuchungen notwendig, um ein erneutes Auftreten des Tumors zu erkennen. Der Darm wird endoskopisch untersucht (Darmspiegelung) und im Blut nach Tumormarkern gesucht. Mit Hilfe von Ultraschalluntersuchungen der Leber oder Röntgenaufnahmen der Lunge können Metastasen erkannt werden.