Stuhlinkontinenz (der medizinische Fachbegriff lautet anorektale Inkontinenz) bedeutet, dass die Entleerung von Darminhalt und Gasen nicht mehr kontrolliert werden kann. Es kommt zu ungewolltem Abgang von Stuhl.
Die Stuhlinkontinenz kann angeboren oder erworben sein, sich also im Laufe des Lebens entwickeln. Menschen jedes Alters können betroffen sein, die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. In Deutschland leiden etwa 800.000 Menschen unter Stuhlinkontinenz. Allerdings schämen sich viele Patienten für ihre Erkrankung und trauen sich nicht, zum Arzt zu gehen, so dass vermutlich die Dunkelziffer von betroffenen Menschen viel höher ist.
Die Ursachen einer Stuhlinkontinenz sind vielfältig, meistens sind mehrere Faktoren an der Entstehung beteiligt. Grundsätzlich können Menschen jeden Alters betroffen sein. Mit zunehmendem Alter lässt jedoch die Beckenbodenmuskulatur nach, wodurch der Schließmuskel oft nicht ausreichend gespannt gehalten werden kann. Frauen haben in der Regel eine schwächer ausgebildete Beckenbodenmuskulatur als Männer. Daher tritt die Stuhlinkontinenz bei alten Menschen und Frauen häufiger auf.
Die Ursachen der Stuhlinkontinenz sind vielfältig. Die Störung kann angeboren oder erworben sein.
Die sogenannte primäre Stuhlinkontinenz entwickelt sich durch eine Nervenschädigung (neurogene Inkontinenz). Ein Ausfall im Nervensystem mit der Folge einer Stuhlinkontinenz kann aufgrund folgender Ursachen vorliegen:
Zu einer Stuhlinkontinenz führt ebenfalls eine Schädigung oder Schwächung der Schließmuskulatur, zum Beispiel durch:
Weitere Ursachen der Stuhlinkontinenz können sein:
Eine Stuhlinkontinenz bei Kindern wird Enkopresis genannt. Häufige Ursache ist hier eine Verstopfung, bei der es durch den Druck schließlich zu einer Darmentleerung kommt. Auch psychische Faktoren können eine Rolle spielen.
Patienten mit Stuhlinkontinenz sind nicht in der Lage, ihren Darminhalt und Darmgase bewusst zurückzuhalten. Bei vielen Ursachen, insbesondere wenn sich die Stuhlinkontinenz aufgrund einer Nervenschädigung entwickelt, bemerken Betroffene den Stuhldrang nicht mehr. Der Stuhlabsatz erfolgt unkontrolliert. Ist die Schließmuskulatur nicht voll funktionsfähig, bemerken Betroffene den Stuhldrang, aber können ihn nicht zurückhalten.
Je nach Schwere der Erkrankung kommt es zu folgenden Symptomen, eingeteilt in drei Stufen:
In unterschiedlich starkem Ausmaß können Patienten, abhängig von der Ursache, außerdem unter folgenden Symptomen leiden:
Die Diagnose bei Patienten, die ihren Darm nicht mehr kontrollieren können, setzt sich aus einer ausführlichen Krankengeschichte, einer klinischen Untersuchung und bildgebender Diagnostik zusammen. Im Patientengespräch erfragt der Arzt besonders folgende Punkte:
In der klinischen Untersuchung erfolgt das Abtasten und Abhören des Bauches durch den Arzt. Er achtet auf Vergrößerungen oder Veränderungen der Organe und auf Darmgeräusche, die auf eine erhöhte oder erniedrigte Darmmotorik hindeuten. Im Analbereich wird die Funktion der Schließmuskulatur in Ruhe und in angespanntem Zustand untersucht. Rektal (am Darmausgang und Enddarm) kontrolliert der Arzt, ob sich Hämorrhoiden, vorgefallene Darmschleimhaut oder sonstige Zubildungen oder auch Verletzungen befinden.
Im Anschluss wird eine Darmspiegelung durchgeführt. Mit einer spezialisierten Kamera (Endoskop), die in den After eingeführt und bis in den Dickdarm vorgeschoben wird, können Zubildungen wie Tumoren oder Polypen oder auch Entzündungen der Darmschleimhaut entdeckt werden. Bei Unklarheiten werden zeitgleich mit entsprechenden Instrumenten Proben aus dem veränderten Gewebe entnommen und im Labor unter dem Mikroskop untersucht.
Die weiterführende Diagnostik kann folgende Maßnahmen umfassen:
Viele Betroffene mit Stuhlinkontinenz scheuen sich, über ihre Probleme zu sprechen. Aus Scham trauen sich einige nicht, zum Arzt zu gehen. Dies sollte bei Schwierigkeiten, den Darminhalt zu kontrollieren, unter keinen Umständen ein Hindernis sein. Die Stuhlinkontinenz ist in der westlichen Welt nicht selten und es gibt wirksame Therapien. Der Arzt wird dem Betroffenen mit allen Ängsten und Sorgen zur Seite stehen. Geeignete Ärzte dafür sind Proktologen.
Die Behandlung der Stuhlinkontinenz richtet sich nach der Ursache, aber auch nach dem Schweregrad der Erkrankung. Häufig ist es eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen.
Zu den Behandlungsmaßnahmen, die das Leben von Betroffenen erleichtern, gehören:
Um die Fähigkeit wiederherzustellen, den Stuhl zu halten, können verschiedene Eingriffe in Frage kommen:
Die Operation erfolgt in Vollnarkose oder in Leitungsanästhesie (Spritzen von Betäubungsmittel in der Nähe bestimmter Nervenstränge).
Es bestehen mehrere Möglichkeiten der operativen Wiederherstellung der Schließfunktion des Afters.
Bei der Analplastik wird ein Schleimhaut- und Gewebedefekt mit Hautanteilen aus der Nähe, bei denen die Nerven vorhanden sind, gedeckt. Der Patient kann wieder einen Stuhldrang verspüren.
Zu einer Wiederherstellung des Afterschließmuskels (Rekonstruktion) wird die Haut und Schleimhaut zunächst eröffnet und die Ränder des Schließmuskeldefekts überlagernd vernäht. Falls der Schließmuskel lediglich dünner als normal ist, wird er ebenfalls durch Naht zusammengezogen.
Bei großen Schließmuskelschäden ist ein künstlicher Afterschließmuskel (Artificial Bowel Sphincter) notwendig. Dazu wird ein Kunststoffring, in dem sich eine Flüssigkeit befindet, um den Anus herum gelegt. Mittels eines Systems kann der Inhalt der Manschette gesteuert werden, um den Druck für den Stuhlgang zu verringern. Hierfür befindet sich dann ein Druckknopf in Schamlippe oder Hodensack.
Bei bestimmten Nervenschäden empfiehlt sich manchmal die Stimulation von Spinalnerven im Kreuzbeinbereich durch einen Schrittmacher. Zunächst wird versucht, ob der Schließmuskel eine erhöhte Kraft aufweist, wenn ein bestimmter Nerv durch Elektroden stimuliert wird (Sakralnervenstimulation). Bei positivem Ergebnis werden Elektroden im Nervenbereich eingesetzt, die mit einem Schrittmachergerät verbunden sind. Dies kann zum Beispiel am Gürtel befestigt werden und wird später bei weiter bestehender Schließfunktion durch die Elektroden in die Unterhautschicht von Bauch oder Gesäß einoperiert.
Eine dynamische Graziloplastik ist eine Rekonstruktion des Schließmuskels aus anderem, herübergezogenen Muskelgewebe (Musculus gracilis aus dem Oberschenkel). Hier muss ebenfalls ein Schrittmachersystem eingearbeitet werden.
Bei den Eingriffen kann es notwendig werden, für einen Zeitraum von mehreren Monaten einen künstlichen Darmausgang (Anus praeter) anzulegen, um den frisch operierten Afterbereich zu schonen.
Bei Komplikationen oder anderen Gegebenheiten, die nicht immer vor der OP festgestellt werden können, muss möglicherweise eine veränderte Vorgehensweise der Operation gewählt werden.
Benachbarte Organe oder anatomische Strukturen können bei der Operation verletzt werden. Dadurch kann es unter anderem zu weiteren Schließmuskelschädigungen, Blutungen und Nachblutungen kommen.
Nervenbeschädigungen können unter anderem zu Funktionseinbußen der Harnblase führen. Die Schließmuskel- oder Gewebenaht kann aufreißen, beispielsweise bei härteren Stuhlanteilen. Auch kann die Gewebenarbe schrumpfen und dadurch Probleme bereiten. Stuhlveränderungen können sich einstellen. Des Weiteren kann es zu überschießender Narbenbildung sowie zu Allergien kommen.
Die Prognose ist abhängig von der zugrundeliegenden Ursache. In leichten Fällen kann schon eine Ernährungsumstellung zu einer Veränderung des Stuhls führen und somit die Kontinenz (Fähigkeit, den Stuhl zu halten) wiederherstellen. Eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur kann durch regelmäßige Übungen häufig ausreichend stabilisiert werden, so dass Betroffene den Stuhldrang wieder kontrollieren können. In schwerwiegenden Fällen kann jedoch auch nach Operationen eine lebenslange Inkontinenz bleiben oder ein dauerhaft bestehender künstlicher Darmausgang notwendig sein.
Einige Maßnahmen können dem Entstehen einer Stuhlinkontinenz vorbeugen oder den Verlauf verbessern:
Es sollte keine Scheu bestehen, einen Arzt um Rat zu fragen. Es handelt sich nicht um eine seltene Erkrankung und viele Menschen leiden darunter. Neben dem Hausarzt sind Spezialisten, wie Proktologen, die richtigen Ansprechpartner.
Einige hilfreiche Informationen finden Sie auf der Webseite der Inkontinenz Selbsthilfe e.V.: https://www.inkontinenz-selbsthilfe.com/ursachen-der-stuhlinkontinenz
Das Gastroenterologie-Portal, Dr. med. Peter Nagel; Dr. med. Tilo Mackenroth; Dr. med. Matthias Mordeja – Stuhlinkontinenz (anale Inkontinenz): http://dasgastroenterologieportal.de/Stuhlinkontinenz_anale_Inkontinenz.html (online, letzter Abruf: 17.03.2020)
Psychrembel Online – Stuhlinkontinenz: https://www.pschyrembel.de/Stuhlinkontinenz/K0LSN (online, letzter Abruf: 17.03.2020)
aktualisiert am 15.07.2020