Die im Volksmund als Glasknochenkrankheit bekannte erbliche Störung Osteogenesis imperfecta ist durch brüchige Knochen gekennzeichnet. Weil ein wichtiger Stoff des Bindegewebes, das Kollagen Typ I, nicht in der richtigen Art gebildet wird, kommt es zu wiederholten Knochenbrüchen, Deformierungen und weiteren Erscheinungen. Der Begriff Glasknochen deckt sich mit den Auffälligkeiten, die in den Röntgenaufnahmen zu sehen sind: Dort zeigt sich eine Ausdünnung der Knochensubstanz, so dass sie glasartig durchscheinend ist. Von der Osteogenesis imperfecta (oftmals abgekürzt als OI) sind vier bis sieben von 100.000 Menschen betroffen. Es handelt sich somit um eine relativ seltene Erkrankung. Die Behandlung kann sich nur auf die Symptome beziehen, es kommen unter anderem eine Krankengymnastik oder eine Operation zur Marknagelung in Frage.
Die Erkrankung ist erblich. Es ist sogar genau bekannt, in welchem Teil des Erbguts eine Abweichung besteht, nämlich in den Chromosomen 7 und 17. Am häufigsten handelt es sich bei der Osteogenesis imperfecta um einen so genannten autosomal dominanten Erbgang. Die Genveränderung sorgt dafür, dass eine wichtige Bindegewebssubstanz, nämlich das Kollagen (Typ I), nicht richtig hergestellt wird. Eine falsche Aminosäure wird eingebaut, so dass das Kollagen nur in geringerer Menge produziert wird und dazu noch brüchig ist. Kollagen ist für den Aufbau von Knochen bedeutsam, aber auch für andere Gewebe des menschlichen Körpers. Somit werden durch das fehlerhafte Kollagen die Knochen instabil, und weitere Symptome treten auf.
Das Hauptsymptom der Osteogenesis imperfecta (Glasknochenkrankheit) ist die stark verminderte Stabilität der Knochen. Deshalb ereignen sich bei den Betroffenen sehr oft Knochenbrüche, und zwar auch dann, wenn nur eine geringe äußere Einwirkung besteht. Das führt insgesamt zu einer Verformung der Knochen. An den Knochen der Gliedmaßen ist es oft deutlich zu sehen. Viele Betroffene sind kleinwüchsig, sie können eine verkrümmte Wirbelsäule aufweisen (Skoliose, Kyphose) oder eine veränderte Schädelform. Oftmals ist das knöcherne Becken stärker verformt. Wenn Knochen nicht wieder richtig zusammenheilen, bildet sich ein so genanntes Falschgelenk (Pseudarthrose). Die Kontinuität des Knochens ist aufgehoben.
Doch nicht nur die Knochen sind von Veränderungen betroffen. Es kann zu typischen weiteren Erscheinungen am Körper kommen. Allgemein ist das Bindegewebe an vielen Stellen schwach, so dass es unter anderem auch zu Veränderungen der Bänder und Sehnen kommt. Gelenke können abnorm dehnbar sein. Muskeln können geschwächt sein. Es besteht eine Neigung zu Zahnschäden, denn die Zahnbildung ist mehr oder weniger stark gestört.
Das "Weiße am Auge", die Lederhaut oder Sklera, ist in vielen Fällen der Glasknochenkrankheit bläulich. Weil das Bindegewebe ausgedünnt ist, scheint die tiefer liegende Aderhaut des Auges hindurch und führt zu einer geringen bis starken Blaufärbung. Die Folge der Glasknochenerkrankung kann auch eine Kurzsichtigkeit sowie auch eine Schwerhörigkeit sein, diese meist im Sinne einer Otosklerose, einem Krankheitsbild mit Veränderung der Hörknöchelchen. Betroffene können zudem leichter einen Leistenbruch (Hernie) bekommen als andere Menschen. Ebenfalls können am Herzen Fehlbildungen vorliegen (z. B. Herzklappen, Herzscheidewand). Auch weitere Schäden innerer Organe können entstehen. Von der Glasknochenkrankheit wird jedoch keine Intelligenzminderung verursacht.
Mediziner unterscheiden mehrere Unterformen der Osteogenesis imperfecta, welche in Vererbungsgang, Verlauf und Prognose voneinander abweichen.
Die Diagnose der Osteogenesis imperfecta kann in einigen Fällen schwierig sein. Sie wird oftmals bei denjenigen Betroffenen lange nicht erkannt, die eine schwächere Verlaufsform aufweisen. Bei einer ärztlichen Untersuchung erfolgt erst einmal eine Anamnese, also ein Gespräch mit dem Patienten beziehungsweise mit dessen Eltern. Der Arzt wird ebenso nach Auffälligkeiten, Beschwerden und weiteren Erkrankungen fragen wie nach möglichen Fällen der Glasknochenerkrankung bei Verwandten. Der Arzt begutachtet die Veränderungen des Körpers, und zwar nicht nur am Skelett, sondern auch an anderen Körperteilen (z. B. ob die Lederhaut des Auges bläulich scheint). Die wichtigste Untersuchungsmaßnahme, um die Erkrankung zu diagnostizieren, ist jedoch die Röntgenaufnahme. Es zeigt sich ein verändertes Bild der Knochen, die nicht wie bei anderen Menschen im Röntgen nahezu weiß aussehen, sondern mehr oder weniger durchscheinend, fast gläsern. Auch können abnorme Verformungen erkennbar sein oder Knochenbrüche.
In sehr schweren Fällen (meist Typ II) kann die Osteogenesis imperfecta bereits bei einem Kind im Mutterleib festgestellt werden, etwa mittels Ultraschall. Insbesondere bei spät auftretenden Formen der Erkrankung (etwa bei Typ I) kann wiederum eine Knochendichtemessung aufschlussreich sein.
Betroffene mit Glasknochen werden im Übrigen regelmäßig untersucht, um den Verlauf zu kontrollieren. So können die Therapiemaßnahmen an die jeweilige Schwere angepasst werden. Im Kindes- und Jugendalter sollte wenigstens jährlich eine Überprüfung erfolgen, bei Erwachsenen wenigstens alle drei Jahre.
Eine Brüchigkeit der Knochen besteht unter anderem auch bei Osteoporose sowie Rachitis/Osteomalazie. Solche Erkrankungen, die auch in der Kindheit möglich sind, müssen von der Osteogenesis imperfecta abgegrenzt werden. Für die Behandlung und die Prognose der Osteogenesis imperfecta spielt es auch eine Rolle, um was für einen Typ der Krankheit es sich handelt. Es gibt hier auch immer wieder Zwischenformen, so dass die Einordnung zu den einzelnen Typen der Glasknochenkrankheit schwierig sein kann.
Die Glasknochenkrankheit ist eine erblich bedingte Erkrankung, eine Heilung ist somit nicht möglich. Durch verschiedene Maßnahmen kann aber eine symptomatische Behandlung der Beschwerden erfolgen.
Die Krankengymnastik oder Physiotherapie ist eine wichtige Maßnahme bei der Behandlung der Glasknochenkrankheit. Durch diese gezielte und regelmäßige Bewegung können Muskeln aufgebaut werden. Es ist somit besser, sich auf die richtige Weise zu bewegen, als untätig zu sein und damit Knochenbrüchen vorbeugen zu wollen. Ebenfalls sehr nützlich kann Schwimmen sein.
Medikamente können die Festigkeit der Knochen verstärken und somit auch eine bessere Physiotherapie ermöglichen. Allen voran können Mittel aus der Gruppe der Biphosphonate gegeben werden. Diese hemmen nicht zuletzt auch mögliche Schmerzen und sorgen dafür, dass Betroffene sich mehr bewegen. Biphosphonate werden vor der ersten Mahlzeit des Tages eingenommen oder als Infusion gegeben. Bei Medikamenten müssen die möglichen Nebenwirkungen beachtet werden. Eine wesentliche Nebenwirkung der Biphosphonate sind Schäden im Verdauungstrakt, beispielsweise in der Speiseröhre (wenn nach der Einnahme das Mittel aus dem Magen wieder hochgelangt).
Außerdem kann vorbeugend darauf geachtet werden, dass Betroffene genügend Calcium sowie Vitamin D aufnehmen. Beides spielt für die Knochenstabilität auch bei der Osteogenesis imperfecta eine Rolle.
Es kann sinnvoll sein, Gliedmaßen von außen zu stabilisieren. Dazu werden so genannte Orthesen verwendet. Diese Stützstrukturen können unterschiedlich aussehen und beugen Brüchen und Formveränderungen der Knochen vor. Einige Betroffene mit Osteogenesis imperfecta sind zudem auf Gehhilfen oder auf den Rollstuhl angewiesen.
Operationen dienen bei der Glasknochenkrankheit dazu, die verformten Knochen zu begradigen und zu stärken oder auch Frakturen (Brüche) zu behandeln. Meistens kommt ein so genannter Marknagel zum Einsatz, also eine längliche Struktur, die in einen Röhrenknochen eingesetzt wird. Heutzutage wird vielfach ein Teleskopnagel eingesetzt, der parallel zum Knochenwachstum ebenfalls länger wird. Marknägel können in den meisten Fällen dauerhaft im Knochen bleiben, um eine lebenslange Stabilisierung zu ermöglichen, das gilt ganz besonders für die Teleskopnägel.
Die Prognose von Patienten, die an der Glasknochenkrankheit (Osteogenesis imperfecta) leiden, hängt vor allem davon ab, welcher Erkrankungstyp besteht. Der Verlauf kann auch innerhalb eines bestimmten Typs variieren. Je später die Neigung zu Knochenbrüchen einsetzt, desto günstiger ist in der Regel auch die Prognose.
In vielen Fällen werden die eintretenden Knochenbrüche etwa ab der Pubertät weniger. Oft sind die Betroffenen jedoch von den Formveränderungen durch die Glasknochen so beeinträchtigt, dass sie nicht mehr gut stehen, gehen und laufen können. Diese Betroffenen können nur bestimmte Berufe ausüben, die sie im Sitzen verrichten, und können auf Gehhilfen verschiedener Art angewiesen sein.
aktualisiert am 15.12.2020