Nach einem Knochenbruch kann es vor allem bei Fehlbelastung zu einer Falschgelenkbildung (Pseudarthrose) kommen. Dabei wächst der betroffene Knochen nicht wieder zusammen, und es kommt zur Instabilität und unnatürlicher Beweglichkeit an der betroffenen Stelle. Eine Behandlung, zumeist eine Operation, kann erforderlich werden, damit der Knochen wieder richtig belastet werden kann.
Ein Falschgelenk kann sich immer dann bilden, wenn ein Knochen gebrochen ist oder auch in einem operativen Eingriff durchtrennt wurde. Normalerweise heilt der betroffene Knochen im Laufe der Zeit wieder stabil zusammen. Ist dies (definitionsgemäß nach 6 Monaten) noch nicht der Fall, so wird dies als Falschgelenkbildung (Pseudarthrose) bezeichnet. Die Pseudarthrose kann bei mangelnder oder fehlender Behandlung des Bruches auftreten. Sie ist aber auch durch eine regelrechte nichtchirurgische oder operative Versorgung nicht immer zu verhindern.
Die Ursache für die gestörte Knochenheilung kann eine mechanische Belastung beziehungsweise mangelhafte Ruhigstellung des gebrochenen Knochens sein. Manchmal ist eine Einklemmung von umliegendem Gewebe zwischen den Knochenbruchstücken ursächlich. Knocheninfektionen oder Durchblutungsprobleme können eine optimale Zusammenheilung verhindern und so ebenfalls zur Pseudarthrose führen. Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Medikamente wie Cortison oder Zytostatika, Strahlenbelastung sowie ein fortgeschrittenes Lebensalter können das Risiko für eine Falschgelenkbildung erhöhen.
Im Prinzip kann eine Pseudarthrose an jedem Knochen auftreten. Häufig betroffen sind insbesondere die langen Knochen in Armen und Beinen sowie andere Knochen, die sich in beweglichen Körperteilen befinden. Typisch sind z. B. Falschgelenkbildungen der Elle oder Speiche am Arm oder des Schien- oder Wadenbeins am Bein, da das Vorhandensein eines jeweils parallel liegenden Knochens die Heilung behindern kann.
Unterschieden werden zwei Arten von Falschgelenkbildungen: die hypertrophe Pseudarthrose, bei der eher zu viel Knochengewebe sowie Knorpelgewebe neu gebildet wird, und die atrophe Pseudarthrose, bei der es durch mangelhafte Durchblutung zur Verminderung der Knochensubstanz kommt.
Beide Arten der Pseudarthrose führen zu einer fehlenden Stabilität des Knochens, der unnatürlich beweglich sein kann. In der Folge kommt es am betroffenen Körperteil zu Fehlstellungen, Muskelschwund und Gelenkproblemen. Die Funktion der Gliedmaße beziehungsweise des Körperteils ist dann oft bedeutend eingeschränkt.
Neben der Befragung des Patienten (Anamnese) und der körperlichen Untersuchung werden Röntgenbilder angefertigt, um die fehlende Kontinuität des betroffenen Knochens zu erkennen. Falls das Ergebnis nicht eindeutig ausfällt, kann eine Szintigraphie (Untersuchung mit einem sehr schwach radioaktiven Stoff) erfolgen.
Manchmal ist eine Pseudarthrose nicht von einem erneuten Knochenbruch an einer bereits mehr oder weniger gut verheilten Stelle zu unterscheiden. Eine Art Pseudarthrose kann auch angeboren sein.
Bei hypertrophen Pseudarthrosen (mit genügend vorhandenem Gewebe) kann manchmal noch durch eine Stabilisierung, z. B. in einem Gips, eine Ausheilung erreicht werden. Bei den meisten Patienten mit Falschgelenkbildung kann die ursprüngliche Festigkeit nur wiedergewonnen werden, indem operiert wird.
In vielen Fällen, insbesondere bei atrophen Pseudarthrosen (mit Gewebeschwund), ist eine Operation notwendig, um den Knochen wieder durchgängig zu machen. Zur Operation einer Pseudarthrose ist eine Vollnarkose oder eine Leitungsanästhesie (gezielte Betäubung von Nerven) erforderlich. Es ist möglich, dass am Arm oder am Bein eine stramme Manschette angelegt wird, um die Durchblutung vorübergehend zu stoppen (Blutsperre). Damit können Blutungen verringert und die Sicht auf den Operationsbereich gebessert werden.
Es bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, die Operation der Pseudarthrose durchzuführen. Die gewählte Behandlung richtet sich nach dem Befund.
Eine Marknagelung wird durchgeführt, wenn ein Falschgelenk im mittleren Bereich eines Röhrenknochens besteht. Dazu wird ein Marknagel (stabförmiges Fremdmaterial, meist Metall) in den mit Knochenmark gefüllten Innenraum des Knochens eingeführt. Es können auch mehrere Nägel eingearbeitet werden. Nur bei besonders harten Pseudarthrosen muss die Falschgelenkstelle zuvor freipräpariert und eröffnet werden.
Wenn beim jeweiligen Knochen beziehungsweise Bruch keine Marknagelung möglich ist, so werden Schrauben oder mit Schrauben fixierte Platten verwendet. Zuvor muss die Stelle des Falschgelenks freigelegt werden. Störendes Narbengewebe wird entfernt.
Gegebenenfalls muss ein so genannter Fixateur externe angelegt werden, eine Verbindungsstruktur für gebrochene Knochen, die sich außerhalb des Körpers befindet. Dies ist besonders dann sinnvoll, wenn eine langwierige Infektion die Pseudarthrose verursacht. Die Konstruktion eines Fixateur externe weist ein äußeres Metallgestell auf, das mit Schrauben am Knochen befestigt wird.
Wenn zu viel Gewebe zugrunde gegangen ist oder zu wenig Knochensubstanz vorhanden ist, muss gegebenenfalls Knochengewebe übertragen werden. Das Ursprungsgewebe für eine solche Knochenübertragung wird oftmals aus Beckenknochen genommen. Da nicht selten relativ viel Material herausgenommen wird, kann es zu verminderter Stabilität im Ursprungsknochen kommen. Manchmal wird auch Fremdknochen oder Knochenersatzmaterial zur Überbrückung des Falschgelenks verwendet.
Am Ende des Eingriffs zur Behandlung der Pseudarthrose wird ein Verband angelegt. Es kann auch ein Gips, eine Schiene oder anderes zusätzlich stabilisierendes Verbandmaterial notwendig sein.
Je nach Befund werden später Schrauben, Platten und weitere Stabilisierungsstrukturen wieder herausgenommen. Beschwerden können es bisweilen auch notwendig machen, dieses Material zu entfernen.
Falls die Knochenabschnitte in einer abnormen Position zueinander stehen, so werden sie im Rahmen des Eingriffs wieder gerade gerichtet.
Falls eine Infektion an der Stelle der Pseudarthrose besteht, müssen nach Entfernung des entzündlichen Gewebes oft Antibiotikaträger wie beispielsweise Schwämmchen oder Kugelketten eingelegt werden. Diese werden dann gegebenenfalls in einem weiteren Eingriff wieder herausgeholt, und Knochengewebe kann eingebracht werden.
Bei besonders ausgedehntem Defekt muss bisweilen eine Verschiebung von Knochen (Knochentransfer) zur Falschgelenkstelle erfolgen. Dazu wird durch einen speziellen Fixateur das Knochengewebe aus den gesunden Bereichen nach und nach in den Defektbereich gezogen.
Falls sich zusätzlich zeigt, dass das umliegende Weichgewebe ungenügend verheilt, müssen weitere Behandlungsmaßnahmen, z. B. aus der plastischen Chirurgie, erfolgen.
Die Komplikationsrate einer OP bei Pseudarthrose kann je nach Befund etwas erhöht sein, da schon vorgeschädigtes Gewebe vorliegt. Durch die Operation können Strukturen in der Nähe geschädigt werden. Es kann zu Blutungen, Nachblutungen und Blutergüssen kommen. Infektionen, Wundheilungsstörungen und Narbenbildungen können auftreten. Durch Verletzung von Nerven kann es unter anderem zu Sensibilitätsstörungen oder Lähmungserscheinungen kommen. Durch eine eventuelle Blutstauungsmanschette können Druckschäden oder Lähmungen verursacht werden. Die Knochen können in einer falschen Position zueinander einheilen. Auch kann es zur erneuten Falschgelenkbildung kommen (Rezidiv). Manchmal kommt es zu Verschleiß, zur verminderten Beweglichkeit oder zur Steifigkeit von Gelenken. Knochen und Muskeln können durch die Bewegungseinschränkung schwächer werden. Auch ist es nicht ausgeschlossen, dass es zum so genannten Sudeck-Syndrom kommt, bei dem der Knochen stark abgebaut wird und sich eine schmerzhafte Entzündung ergibt. Eine Durchblutungsverminderung mit Folgeschäden kann auftreten. Allergische Reaktionen jeden Schweregrades sind möglich. Bei weitergehenden Eingriffen können sich noch andere Komplikationen ergeben.
Hinweis: Dieser Abschnitt kann nur einen kurzen Abriss über die gängigsten Risiken, Nebenwirkungen und Komplikationen geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Gespräch mit dem Arzt kann hierdurch nicht ersetzt werden.
Allgemein ist eine Pseudarthrose (Falschgelenk) eine langwierige Erkrankung, die sich nicht von alleine wieder gibt. Meist kann nur durch eine Operation erzielt werden, dass die Knochenstelle wieder zusammenwächst und stabil wird. Die Heilung kann auch nach der Operation erschwert sein, wenn z. B. eine starke Gewebeschädigung besteht. Dennoch kann in vielen Fällen mit einer entsprechenden Operation ein gutes Ergebnis erreicht werden.
In vielen Fällen müssen Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen, beispielsweise Marcumar® oder Aspirin®, vor einer Operation abgesetzt werden. Dies geschieht immer in Absprache mit dem Arzt.
Falls der Eingriff unter ambulanten Bedingungen erfolgt, so sollte der Patient für 24 Stunden kein Auto mehr selbst fahren und keine Maschinen bedienen. Daher sollte er sich abholen lassen. Ebenfalls sollten bedeutsame Entscheidungen vertagt werden.
Bei stärkeren Schmerzen kann durch den Arzt ein Schmerzmedikament gegeben werden. Nach dem Eingriff muss, falls betroffen, Bein oder Arm einige Zeit lang besonders geschont werden. Eine Hochlagerung unterstützt den Heilungsverlauf. Die anderen Gelenke sollen viel bewegt werden. Krankengymnastik ist sinnvoll. Sport und andere Aktivitäten mit Belastungseinwirkung auf den betroffenen Knochen dürfen erst dann ausgeübt werden, wenn der Arzt keine besondere Gefährdung mehr darin sieht.
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen mit Röntgen sind sehr wichig und sollten gewissenhaft eingehalten werden.
Bei Besonderheiten, die auf Komplikationen hindeuten könnten, sollte der Arzt kontaktiert werden, um eine eventuell notwendige Behandlung durchführen zu können.
aktualisiert am 30.09.2022