Das Mikrobiom umfasst die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die in und auf unserem Körper leben, mit besonderem Schwerpunkt auf dem Darm, der eine Schlüsselrolle für die Verdauung, das Immunsystem und die Gesundheit spielt. Die Ernährung hat darauf einen großen Einfluss: Ballaststoffreiche Lebensmittel wie Gemüse, Vollkornprodukte, Nüsse und Samenfördern die Vielfalt und das Gleichgewicht des Mikrobioms, während verarbeitete Lebensmittel, Zucker und Alkohol das Gleichgewicht stören können. Eine bewusste und natürliche Ernährung unterstützt nicht nur die Mikroorganismen im Darm, sondern trägt langfristig zu einem gesunden Körper und einem stabilen Immunsystem bei.
Dr. Klebe: Das Mikrobiom umfasst die Vielfalt der Mikroorganismen, die in und auf unserem Körper leben. Heute wollen wir uns vor allem auf die Mikroorganismen in unserem Darm konzentrieren, da sie einen wichtigen Teil des Mikrobioms ausmachen. Unser Mikrobiom besteht aber nicht nur aus den "Darmbewohnern", sondern auch aus Mikroorganismen auf unserer Haut, in unserem Verdauungstrakt und sogar in unseren Atemwegen. Besonders auf der Haut tummeln sich zahlreiche Mikroorganismen, obwohl wir oft versuchen, alles möglichst rein zu halten, sei es durch Desinfektionsmittel oder andere Reinigungsprodukte. Dabei sind viele dieser Mikroorganismen nicht nur harmlos, sondern sogar äußerst nützlich für uns - ohne sie könnten wir gar nicht überleben.
Dr. Klebe: Ein spannender Aspekt ist die Beziehung zwischen dem Mikrobiom und unserem Immunsystem, insbesondere im Magen-Darm-Trakt, wo sich die meisten Mikroorganismen tummeln. Etwa 80% unseres Immunsystems befinden sich direkt hinter der Darmschleimhaut. Das macht Sinn, denn der Darm fungiert als Grenzschicht nach außen: Alles, was von außen in unseren Körper gelangt, wie zum Beispiel Nahrung, passiert zuerst den Darm. Unser Immunsystem sitzt also strategisch günstig direkt hinter der Darmschleimhaut, um sofort reagieren zu können, wenn etwas Fremdes oder potenziell Schädliches eindringt. Interessanterweise sind die Mikroorganismen im Darm nicht vollständig vom Immunsystem getrennt.
Die Darmschleimhaut erlaubt kleinen Ausläufern von Immunzellen, mit dem Mikrobiom in Kontakt zu treten. So kann das Immunsystem direkt überprüfen, ob alles in Ordnung ist oder ob etwas schief läuft - ob es zum Beispiel zu viele entzündungsfördernde Bakterien, Allergene oder Giftstoffe gibt. Ist dies der Fall, signalisiert das Immunsystem eine entsprechende Reaktion, indem es Entzündungsbotenstoffe ausschüttet. Diese sorgen dafür, dass weitere Immunzellen aktiviert werden und auf die potenzielle Bedrohung reagieren. So entsteht eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Mikrobiom und unserem Immunsystem, die für unsere Gesundheit entscheidend ist.
Etwa 80% unseres Immunsystems befinden sich direkt hinter der Darmschleimhaut.
Dr. Klebe: Ein gestörtes Mikrobiom bedeutet, dass die Vielfalt der Bakterien im Darm abnimmt. Ein gesundes Mikrobiom zeichnet sich durch eine hohe Diversität aus, also durch eine Vielzahl unterschiedlicher Bakterienarten. Geht diese Vielfalt verloren, spricht man von Dysbiose. Das bedeutet, dass "ungünstige" Bakterien wie Proteobakterien oder Clostridien die überwiegen. Diese Bakterien sind zwar immer in kleinen Mengen vorhanden, sollten aber nicht zu zahlreich werden. Gleichzeitig fehlen dann oft die "guten" Bakterien wie Laktobazillen und Bifidobakterien, die das Gleichgewicht im Darm aufrechterhalten. Eine Dysbiose kann sich durch Beschwerden wie Durchfall, Blähungen, Verstopfung oder Bauchschmerzen bemerkbar machen.
Häufig geht eine Dysbiose auch mit dem sogenannten Leaky-Gut-Syndrom einher. Dabei werden die Verbindungen zwischen den Darmzellen (Tight Junctions) durchlässiger und es können Stoffe, zum Beispiel Nahrungsbestandteile, leichter in den Körper gelangen. Dies kann zu einer Überreizung des Immunsystems führen und Entzündungsreaktionen auslösen. Die Symptome sind oft nicht auf den Darm beschränkt. Ein Leaky-Gut-Syndrom kann zu Sekundärsymptomen wie Brain Fog (ein Gefühl geistiger Beneblung), Gelenkbeschwerden oder Entgiftungsstörungen der Leber führen. Bestimmte Bakterienbestandteile wie Lipopolysaccharide können in den Körper gelangen und dort entzündungsfördernde Prozesse auslösen, die den gesamten Organismus belasten.
Die Folgen eines gestörten Mikrobioms können weitreichend sein. Neben den typischen Beschwerden im Magen-Darm-Trakt geht man heute davon aus, dass viele andere Erkrankungen bis hin zur Demenz ihren Ursprung im Darm haben können. In der funktionellen Medizin, die sich mit den Ursachen von Krankheiten beschäftigt, sagt man "Gesundheit oder eben auch Krankheit beginnt im Darm." Der Darm ist nicht der einzige, aber ein wesentlicher Faktor für die Gesundheit.
Dr. Klebe: Wir wissen, dass gerade bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen häufig eine Dysbiose vorliegt. Das bedeutet, dass das Gleichgewicht des Mikrobioms gestört ist. Gleichzeitig sind diese Erkrankungen aber multifaktoriell. Ich benutze gerne das Bild des "Gesundheitsfasses", um dies zu erklären: Jeder Mensch kommt mit einem mehr oder weniger großen Gesundheitsfass auf die Welt - das entspricht unserer individuellen Gesundheitskapazität. Die Größe dieses Fasses wird von vielen Faktoren beeinflusst, zum Beispiel von der Genetik. Aber auch die Umstände während der Schwangerschaft spielen eine Rolle, wie gestresst die Mutter war und ob sie ausreichend mit Nährstoffen versorgt war. Auch eine sichere Bindung in der Kindheit wirkt sich auf die Größe des Fasses aus.
Im Laufe des Lebens füllt sich dieses Fass mit sogenannten Triggerfaktoren. Das können Dinge wie Ernährung, psychoemotionale Faktoren (z.B. Stress am Arbeitsplatz, Schicksalsschläge oder Traumata), Infektionen, Bewegungsmangel oder andere Aspekte des Lebensstils sein. Diese Faktoren summieren sich, und je nachdem, wie groß das Gesundheitsreservoir von Anfang an war, läuft es schneller oder langsamer über.
Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, die zu den Autoimmunerkrankungen gehören, kommen verschiedene Dinge zusammen. Dazu gehören genetische Faktoren, aber auch psychisch-emotionale Belastungen, die einen großen Einfluss auf die gesamte Gesundheit und den Verlauf solcher Erkrankungen haben. Häufig ist bei diesen Erkrankungen auch das Mikrobiom gestört. Dies kann durch eine schlechte Ernährung oder durch den Kontakt mit Toxinen verursacht werden. Diese Aspekte bedingen sich gegenseitig: Wenn das Fass überläuft, bricht die Krankheit aus. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass die Genetik nur ein Teil der Ursache ist. Vielmehr haben wir durch unsere Lebensweise einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit. Ein "artgerechtes" und menschenfreundliches Leben trägt entscheidend dazu bei, unser Gesundheitsfass stabil zu halten.
Wir wissen, dass gerade bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen häufig eine Dysbiose vorliegt. Das bedeutet, dass das Gleichgewicht des Mikrobioms gestört ist.
Dr. Klebe: Wir wissen heute, dass es eine sogenannte Darm-Hirn-Achse gibt. Das bedeutet, dass unser Gehirn und unser Nervensystem eng mit unserem Darm verbunden sind. Interessanterweise verlaufen etwa 80% der Nervenverbindungen vom Darm zum Gehirn und nur 20% vom Gehirn zum Darm. In unserem Stresssystem gibt es zwei Gegenspieler: den Sympathikus und den Parasympathikus. Das sympathische Nervensystem ist unser Stressnerv. Wenn wir eine Gefahr wahrnehmen, aktiviert er unseren Körper zum Kampf oder zur Flucht. Im Extremfall, wenn wir uns völlig hilflos fühlen, kann das Nervensystem in einen sogenannten "Freeze"-Zustand verfallen - ähnlich wie bei Tieren.
Der Gegenspieler des Sympathikus ist der Parasympathikus, insbesondere der Nervus vagus, auch "Entspannungsnerv" genannt. Er ist der längste Nerv im Körper und verläuft vom Hals über den Brustkorb bis zum Magen und Darm. Der Vagusnerv ist entscheidend für die Regenerationsprozesse und die Beruhigung unseres Körpers. Bei psychisch-emotionalem Stress überwiegt jedoch der sympathische Nerv. Dies führt zu einer starken Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol. Interessanterweise kann unser Körper nicht zwischen einer echten Gefahr, wie einem Tiger, und modernen Stressfaktoren, wie einer vollen To-Do-Liste, unterscheiden. Biologisch gesehen ist die Reaktion die gleiche.
Wenn unser Körper auf Kampf oder Flucht eingestellt ist, werden die regenerativen Prozesse heruntergefahren. Die Durchblutung des Darms wird gedrosselt, da die Energie in die Muskeln gelenkt wird, um schnell reagieren zu können. Das Essen hat in solchen Momenten eine geringe Priorität. Dadurch fließen die Verdauungssäfte schlechter, die Darmbewegungen verändern sich und die Verdauung kommt ins Stocken. Darüber hinaus hat Stress oft indirekte Folgen: Wer unter Stress steht, achtet weniger auf seine Ernährung, greift häufiger zu Fertiggerichten und vernachlässigt Bewegung. Durch diese ungesunde Lebensweise wird der Darm zusätzlich belastet.
Ein weiterer Aspekt ist, dass Stresshormone das Immunsystem direkt beeinflussen können. Anhaltender Stress kann beispielsweise zu einer vermehrten Ausschüttung von Histamin führen, was das Immunsystem zusätzlich belastet. Dies kann zu einem Ungleichgewicht im Darm führen, zum Beispiel zum sogenannten Leaky-Gut-Syndrom, wie zuvor erwähnt. In der Folge können Nahrungsmittelunverträglichkeiten auftreten, die vorher nicht vorhanden waren.
Stress wirkt also wie ein Teufelskreis, in dem ein Problem das nächste bedingt. Deshalb ist es so wichtig, die psychisch-emotionale Komponente von Stress nicht zu vernachlässigen. Viele Menschen mit Darmbeschwerden beginnen mit einer Ernährungsumstellung, was sinnvoll sein kann. Wenn diese Maßnahmen jedoch nicht ausreichen, sollte der Faktor Stress genauer unter die Lupe genommen werden. Gerade Perfektionisten neigen dazu, ihre Ernährung akribisch zu kontrollieren, was wiederum zu zusätzlichem Stress führen kann. In der Praxis zeigt sich oft, dass der psychisch-emotionale Anteil von Stress in unserer Gesellschaft unterschätzt wird. Dabei ist er ein wesentlicher Baustein für eine ganzheitliche Darmgesundheit. Bei Menschen, die bereits viel für ein gesundes Leben tun, fehlt oft genau dieser Aspekt, um ein vollständiges Gleichgewicht zu erreichen.
Dr. Klebe: Medikamente können einen erheblichen Einfluss auf unser Mikrobiom haben. Besonders bekannt ist die große Gruppe der Antibiotika, die in der Vergangenheit leider oft sehr großzügig verschrieben wurden. Antibiotika bekämpfen Bakterien in unserem Körper, aber leider wirken sie nicht selektiv nur gegen die "schlechten" Bakterien, die wir loswerden wollen. Sie schädigen auch die "guten" Bakterien, die für ein gesundes Mikrobiom wichtig sind. Gerade bei Menschen, die häufig mit Antibiotika behandelt wurden, zum Beispiel wegen wiederholter Infektionen, frage ich immer gezielt nach: Wann war die letzte Antibiotikakur und wie viele waren es in den letzten Jahren? Oft kann man bei diesen Patienten schon mit Sicherheit sagen, dass ihr Mikrobiom aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Doch nicht nur Antibiotika haben einen Einfluss. Es gibt auch andere Medikamente, die in unserer Gesellschaft häufig und zum Teil unkritisch eingenommen werden. Ein Beispiel sind Magensäureblocker. Sie werden häufig bei Sodbrennen verschrieben und dann über lange Zeiträume, manchmal sogar lebenslang, eingenommen - oft ohne weitere Kontrolle. Magensäureblocker hemmen gezielt die Produktion von Magensäure. Dabei wird oft übersehen, dass die Magensäure an sich nicht unser Feind ist. Sie erfüllt wichtige Funktionen, zum Beispiel schützt sie durch das saure Milieu im Magen vor Infektionen. Außerdem ist sie für ein gesundes Gleichgewicht im gesamten Magen-Darm-Trakt unerlässlich, denn auch unsere Darmbakterien brauchen ein saures Milieu. Wird die Magensäureproduktion stark gehemmt, können diese positiven Effekte verloren gehen.
Neben Antibiotika und Magensäureblockern gibt es viele weitere Medikamente, die das Mikrobiom negativ beeinflussen können. Beispiele sind Schmerzmittel wie Ibuprofen, Kortisonpräparate oder auch die Antibabypille. Deshalb ist mein Ansatz auch der, den ich meinen Patienten vermittle: Medikamente sollten immer nach dem Prinzip "so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich" eingesetzt werden. Natürlich gibt es Situationen, in denen bestimmte Medikamente unverzichtbar sind - zum Beispiel bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder wenn jemand einen Stent im Herzen hat. Dann sind Blutverdünner unverzichtbar und können nicht einfach weggelassen werden. Dennoch kann man das Mikrobiom unterstützen, indem man andere belastende Faktoren minimiert und seinen Lebensstil bewusst anpasst. So kann man aktiv dazu beitragen, die negativen Auswirkungen von Medikamenten auf das Mikrobiom abzumildern.
Antibiotika bekämpfen Bakterien in unserem Körper, aber leider wirken sie nicht selektiv nur gegen die "schlechten" Bakterien, die wir loswerden wollen.
Dr. Klebe: Eine natürliche und darmfreundliche Ernährung spielt eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit. Dabei geht es vor allem darum, möglichst wenig verarbeitete Lebensmittel mit Zusatzstoffen und E-Nummern zu konsumieren, da diese das Mikrobiom negativ beeinflussen können. Leider essen heute viele Menschen sehr viel Fast Food und nehmen vor allem "leere Kalorien" zu sich, zum Beispiel aus Weißbrot, Toast oder Laugengebäck. Diese Produkte enthalten kaum wertvolle Nährstoffe und sollten daher reduziert werden.
Ein wichtiger Schritt zu einer gesunden Ernährung ist die Umgestaltung des Tellers. Gemüse sollte nicht nur als Beilage, sondern als Hauptbestandteil jeder Mahlzeit betrachtet werden - idealerweise sollte die Hälfte des Tellers mit buntem Gemüse gefüllt sein. Es ist sogar sinnvoll, Gemüse in alle Mahlzeiten oder als Zwischenmahlzeit zu integrieren. Gemüse ist reich an Ballaststoffen, die der Körper zwar nicht direkt verwerten kann, die aber für das Mikrobiom wichtig sind. Unsere Darmbakterien wandeln diese Ballaststoffe in kurzkettige Fettsäuren um, die nicht nur die wichtigste Energiequelle für die Darmschleimhaut darstellen, sondern auch entzündungshemmend wirken und das Nervensystem positiv beeinflussen, insbesondere durch die Aktivierung des sogenannten Vagusnervs.
Neben Gemüse sind auch andere ballaststoffreiche Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Nüsse, Samen, Linsen und Obstschalen wichtige Bestandteile einer gesunden Ernährung. Besonders ballaststoffreich sind zum Beispiel Rosenkohl, Brokkoli, Mandeln und Avocados. Zusätzlich können Ballaststoffe durch Flohsamenschalen oder Akazienfasern ergänzt werden, insbesondere bei Menschen mit empfindlichem Darm. Um den Darm an eine ballaststoffreiche Ernährung zu gewöhnen, sollte die Menge langsam gesteigert werden, bis die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlene Menge von 30 g Ballaststoffen pro Tag erreicht ist. Wir bekommen außerdem mehr Ballaststoffe in die Ernährung, indem wir Kartoffeln, Reis und Nudeln abkühlen lassen bevor wir sie essen. Dabei entsteht resistente Stärke, was ein guter Ballaststoff ist.
Ebenso wichtig wie Ballaststoffe sind gesunde Fette wie die entzündungshemmenden Omega-3-Fettsäuren, die für die Darmschleimhaut unentbehrlich sind. Auch Vitamine wie A und E sowie sekundäre Pflanzenstoffe, darunter Polyphenole, spielen eine wichtige Rolle für die Darmgesundheit. Da viele Menschen trotz gesunder Ernährung einen Nährstoffmangel - etwa an B-Vitaminen oder Mikronährstoffen - aufweisen, kann es sinnvoll sein, diese gezielt zu ergänzen.
Zusammenfassend bedeutet gesunde Ernährung, möglichst naturbelassen und abwechslungsreich zu essen, auf Fertigprodukte zu verzichten und bunte, ballaststoff- und nährstoffreiche Lebensmittel zu bevorzugen. Diese Vielfalt unterstützt nicht nur das Mikrobiom, sondern die gesamte Gesundheit.
Dr. Klebe: Es gibt viele wichtige Nährstoffe, die für unsere Gesundheit eine Rolle spielen. Einige davon empfehle ich grundsätzlich fast allen Menschen zu substituieren. Dazu gehören vor allem die Omega-3-Fettsäuren, insbesondere EPA und DHA. Diese kommen in relevanten Mengen nur in aquatischen Produkten wie Algen oder Fisch vor. Ich empfehle allen meinen Patienten die Einnahme von Algenöl, denn ohne gezielte Zufuhr erreichen wir nicht den Omega-3-Spiegel, den wir haben sollten. Studien zeigen, dass in der Bevölkerung ein eklatanter Mangel an Omega-3-Fettsäuren besteht. Ich empfehle heute nicht mehr, den Bedarf durch häufigen Fischverzehr zu decken, da dies zu anderen Problemen wie Schwermetallbelastungen führen kann. Das heißt nicht, dass ich von Fisch ganz abrate - ich esse selbst gelegentlich Fisch, weil ich ihn lecker finde. Aber ich tue das nicht, um meinen Omega-3-Spiegel zu erhöhen. Dafür ziehe ich Algenöl vor. In meiner Praxis messe ich auch regelmäßig den Omega-3-Gehalt in den roten Blutkörperchen meiner Patienten. Wir streben Werte zwischen 8% und 11% an, während der Bevölkerungsdurchschnitt oft nur bei 4% bis 5% liegt.
Neben Omega-3 gibt es weitere Mikronährstoffe, die für die Gesundheit wichtig sind, wie die Vitamine A und E sowie die B-Vitamine. Gerade die B-Vitamine (z.B. B6 und B12) greifen wie Zahnräder ineinander und sind alle wichtig. Deshalb empfehle ich oft einen B-Komplex, vor allem, wenn nach einer Messung ein Mangel festgestellt wird. Ich finde es sehr sinnvoll, die eigenen Nährstoffwerte messen zu lassen. So kann man gezielt supplementieren und sehen, wie sich die Werte verbessern.
Es ist wichtig zu verstehen, dass "einnehmen" nicht automatisch "aufnehmen" bedeutet. Der Körper nimmt Mikronährstoffe je nach individuellen Faktoren unterschiedlich gut auf - zum Beispiel hängt die Aufnahme stark vom Zustand des Darms ab.
Weitere wichtige Mikronährstoffe sind Vitamin D, Magnesium, Zink- und Selen. Magnesium ist an vielen enzymatischen Prozessen beteiligt und gilt als Entspannungsmineral, da es das vegetative Nervensystem beruhigt. Es kann auch den Darm unterstützen, indem es Verstopfungen löst und den Stuhl weicher macht. Allerdings sollte man darauf achten, nicht zu viel einzunehmen, da sonst Durchfall auftreten kann. Neben Vitaminen und Mineralstoffen halte ich auch sekundäre Pflanzenstoffe für wichtig. Diese versuche ich grundsätzlich über die Ernährung abzudecken. Wenn das aber in stressigen Lebensphasen nicht ausreichend gelingt, können Kombinationspräparate mit verschiedenen sekundären Pflanzenstoffen wie "Antiox Complete" hilfreich sein. Gerade für die Darmgesundheit können solche Präparate eine wertvolle Unterstützung sein.
Dr. Klebe: Präbiotika sind Nahrungsbestandteile, die unser Mikrobiom "füttern". Sie dienen den Bakterien in unserem Darm als Nahrung. Ein Beispiel für präbiotische Lebensmittel sind Ballaststoffe, wie sie in Flohsamenschalen enthalten sind. Wer seinem Körper Flohsamenschalen zuführt, gibt den Darmbakterien eine Grundlage, von der sie sich ernähren können. Probiotika hingegen sind die Bakterien selbst, die wir unserem Körper zuführen. Ein klassisches Beispiel ist Joghurt mit Bakterienkulturen. Aber auch fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut, Kimchi oder fermentiertes Gemüse wie Blumenkohl oder Rote Bete enthalten probiotische Bakterien. Wichtig ist, dass diese Produkte nicht pasteurisiert werden, da sonst die Bakterien abgetötet werden. Auch fermentierte Getränke oder Nahrungsergänzungsmittel wie probiotische Kapseln enthalten solche Bakterienkulturen, häufig in Form von Lactobazillen oder Bifidobakterien.
Vor der Einnahme von Probiotika ist es jedoch wichtig, die Grundlage für eine gesunde Darmflora zu schaffen. Ich erkläre das oft mit einem Bild: Blumen wachsen auch nicht, wenn man ihre Samen auf Beton streut. Auch das beste Probiotikum kann nicht wirken, wenn die Basis - also die Ernährung - nicht stimmt. Deshalb ist eine darmgesunde Ernährung so wichtig. Sie beinhaltet die richtigen Makro- und Mikronährstoffe, wenig entzündungsfördernde Lebensmittel wie Weißmehl oder glutenreiche Produkte, Meidung von Transfetten und zu viel Zucker -sowie die gezielte Behebung von möglichen Nährstoffdefiziten.
Erst wenn diese Basis geschaffen ist, können Probiotika sinnvoll eingesetzt werden, um das Mikrobiom zusätzlich zu unterstützen. Wer sich weiterhin ungesund ernährt, kann nicht erwarten, dass Probiotika die negativen Effekte einer schlechten Ernährung ausgleichen. Darmgesund leben bedeutet, dem Mikrobiom durch den eigenen Lebensstil langfristig ein artgerechtes und gesundes Umfeld zu bieten.
Erst wenn diese Basis geschaffen ist, können Probiotika sinnvoll eingesetzt werden, um das Mikrobiom zusätzlich zu unterstützen.
Dr. Klebe: Wenn ich mit Menschen arbeite, die wirklich etwas verändern wollen, berichten sie mir oft schon nach wenigen Wochen von spürbaren Verbesserungen. Sie sagen, dass ihre Blähungen weniger geworden sind, dass sie mehr Energie haben, dass sie weniger Schmerzen in den Gelenken haben und dass ihr Stuhlgang regelmäßiger ist, ohne Durchfallphasen. Diese Erfolge können relativ schnell eintreten. Aber um das Mikrobiom nachhaltig zu verändern, braucht es mehr Zeit. Ich würde sagen, wir sprechen hier von Monaten, in denen die Ernährung konsequent umgestellt werden muss. Erst dann erreicht man eine Konstanz, bei der sich zum Beispiel eine Dysbiose - also eine ungünstige Bakterienzusammensetzung - nachhaltig verändert. Das geht nicht von heute auf morgen.
Wichtig ist, dass es nicht um eine kurzfristige Ernährungsumstellung geht, sondern um eine langfristige Veränderung des Lebensstils. Kurzfristige Diäten oder Entgiftungskuren bringen keine nachhaltigen Erfolge. Deshalb ist es wichtig, Geduld zu haben und die Veränderungen, die man schnell spürt, langfristig in den Alltag zu integrieren. Viele meiner Patienten berichten mir, dass sie weniger Infekte haben und sich insgesamt energiegeladener fühlen.
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel war ein Patient mit Morbus Crohn. Er kam zunächst in die Akutsprechstunde und wir sprachen darüber, ob er schon einmal eine Ernährungsberatung hatte. Seine Antwort war: Nein. Bei der üblichen Behandlung stehen oft die Medikamente im Vordergrund, während der Lebensstil zu wenig Beachtung findet. Bei diesem Patienten hatte zuvor niemand auf einen möglichen Nährstoffmangel geachtet, obwohl dies bei einer entzündeten Darmschleimhaut naheliegend ist. Es gab auch keine Hinweise darauf, welche Nahrungsmittel seine Beschwerden verstärken könnten.
Nach der Ernährungsumstellung und dem Ausgleich der Nährstoffmängel spürte er eine deutliche Besserung. Seine Frau sagte sogar: "Du bist endlich wieder du selbst." Das ist für mich eine sehr starke Aussage und zeigt, wie viel eine gezielte Ernährungsumstellung bewirken kann. Die Darmbeschwerden sind stabiler geworden und auch wenn die Krankheit nicht geheilt ist, hat sich der Zustand deutlich verbessert. Solche Beispiele zeigen, wie wichtig ein langfristiger und ganzheitlicher Ansatz für die Gesundheit ist.
Dr. Klebe: Ich möchte nicht sagen, dass jeder komplett auf Gluten verzichten sollte. Es gibt viele Menschen, die Gluten gut vertragen. Ich empfehle aber, einen gesunden Umgang damit zu finden. Man sollte nicht morgens, mittags und abends nur Weißmehlprodukte wie Toast, Laugengebäck oder Weißbrot essen. Stattdessen sollten die Hauptmahlzeiten aus Vollwertkost bestehen: Vollkornprodukte, viel frisches Gemüse, gesunde Fette und Eiweiß. Ballaststoffreiches Gemüse ist besonders wichtig, weil es unserem Körper gut tut.
Verarbeitete Lebensmittel mit vielen Zusatzstoffen wie Fertigprodukte sollten wir möglichst meiden. Wenn ich auf die Packungsbeilage schaue und die Hälfte der Zutaten nicht verstehe, lasse ich lieber die Finger davon. Solche Produkte enthalten oft viele E-Stoffe und andere schwer verständliche Inhaltsstoffe, die uns nicht gut tun. Ähnlich kritisch sehe ich Zucker und Alkohol. Zucker ist in vielen Lebensmitteln versteckt - oft dort, wo man ihn nicht vermutet. Ein Blick auf die Zutatenliste zeigt oft versteckte Zuckerarten wie Fruktosesirup.
Hier gilt: Je natürlicher die Ernährung, desto besser. So reduziert man das Risiko, Zusatzstoffe zu sich zu nehmen, die den Darm schädigen können. Auch Alkohol sollte nur in Maßen genossen werden. Er kann entzündungsfördernd wirken und schädigt unser Mikrobiom. Eine bewusste Ernährung mit naturbelassenen, unverarbeiteten Lebensmitteln hilft, die Darmgesundheit zu fördern und langfristig fit zu bleiben.
Je natürlicher die Ernährung, desto besser.
Dr. Klebe: Zunächst möchte ich betonen, dass es darum geht, ein artgerechtes Leben für uns Menschen zu schaffen. Unsere heutige Gesellschaft ist aus meiner Sicht in vielerlei Hinsicht nicht mehr artgerecht. Das zeigt sich vor allem darin, dass wir oft viel Anspannung, aber wenig Entspannung in unserem Alltag haben. Deshalb ist es wichtig, wieder mehr Entspannung zu integrieren - zum Beispiel durch regelmäßige Pausen und die Auseinandersetzung mit unseren psycho-emotionalen Themen. Es geht auch darum, einen Sinn im Leben zu finden, mit sich selbst und der Umwelt verbunden zu sein, Freundschaften zu pflegen - all das trägt dazu bei, unsere Stressachse herunterzufahren. Das wirkt sich nachhaltig positiv auf unsere Darmgesundheit aus.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist ein artgerechter Lebensstil, zu dem auch ausreichend Schlaf gehört. Schlaf ist für unsere Regeneration unerlässlich, da viele Prozesse im Tief- und REM-Schlaf ablaufen. Durch immer mehr Zeit vor dem Computerbildschirm, zu wenig Tageslicht und viele sitzende Tätigkeiten bewegen wir uns oft zu wenig. Dabei wissen wir, dass Bewegung auch einen Einfluss auf unser Mikrobiom hat. Deshalb ist es sinnvoll, möglichst viele Wege aktiv zurückzulegen, anstatt das Auto zu benutzen. Spaziergänge helfen nicht nur, das Tageslicht zu nutzen, sondern fördern auch die allgemeine Gesundheit. Auch eine Abendroutine kann unterstützend wirken, z.B. den Laptop ab 20 Uhr nicht mehr zu benutzen. Ist dies dennoch notwendig, hilft eine Blaulichtfilterbrille, um den Schlaf-Wach-Rhythmus nicht zu stören.
Darüber hinaus spielt eine gesunde und artgerechte Ernährung eine zentrale Rolle. Sie unterstützt sowohl die Darmgesundheit als auch das Nervensystem. Mit diesen Maßnahmen können wir langfristig viel für unsere Gesundheit tun und ein ausgeglicheneres Leben führen.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 13.01.2025.