Nach Monaten härtester Arbeit an der Abschlussarbeit oder der Dissertation können die letzten Wochen und Tage vor dem Termin zu einem koffein-getriebenen Schlaflosigkeits-Marathon führen. Ganz besonders, wenn etwas schief zu gehen droht.

Was passiert mit dem Gehirn bei Schlafentzug?
Viele Studenten haben noch Jahre nach einer Abschlussprüfung Alpträume von letzten, vernichtenden Treffen mit Doktorvätern oder von verpassten Abgabeterminen. Oder die Festplatte des Computers gibt den Geist auf, und für eine Sicherheitskopie war (mal wieder) keine Zeit. Dann wird die Zeit knapp und die Nerven liegen blank.
Nächte durchzuarbeiten scheint vor allem im Studentenleben selbstverständlich zu sein. Was die wenigsten sich klar machen: Regelmäßiger Schlafentzug über einen Zeitraum von vier Jahren hinweg hat langfristig gesehen drastische Konsequenzen, und kann einen Teufelskreis von neurologischen Degenerationserscheinungen in Gang bringen.
Susan Redline, Professorin für Schlaf-Forschung in Boston, fand Zusammenhänge zwischen Schlafentzug und einer ganzen Reihe von neuropsychiatrischen Störungen, wie Angstneurosen und manisch-depressiven Erkrankungen.
Wird dem Körper über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder der Schlaf entzogen, hat das auch Einfluss auf den Blutdruck und auf die Neigung zu Entzündungen. Sogar die Anfälligkeit für Herzkrankheiten und Krebs kann langfristig ansteigen.
Kurzfristig gesehen drohen andere Gefahren. Ein Forschungsprojekt, das an den Universitäten Harvard und Berkely durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass konstanter Schlafentzug zu periodischer Euphorie führt. Fehlt eine Nacht Schlaf, wird der mesolimbische Pfad (ein Nervenstrang, der das „Belohnungszentrum“ im Gehirn kontrolliert) stark stimuliert. Dieser Prozess wird vor allem durch eine Ausschüttung von Dopamin, einem Neurotransmitter, ausgelöst, auch bekannt als Glückshormon. Je höher diese Dopamin-Ausschüttung als Folge einer schlaflosen Nacht ausfällt, desto größer ist der folgende Motivations- und Euphorieschub, unter Umständen steigert sich der Sexualtrieb. In der Realität ist diese Erscheinung jedoch nicht ausschließlich positiv.
Nicht nur, dass die Euphorie nur kurze Zeit andauert, die Dopamin-Überflutung fördert auch Sucht- und extrem impulsives Verhalten. Die Regionen im Gehirn, die für planvolles Vorgehen zuständig sind, quittieren vollständig den Dienst, wenn der Schlafentzug zu lange anhält. Das bedeutet, dass die betroffene Person über-optimistisch und überzogen risikofreudig reagiert.
Einige Studienergebnisse zeigen, dass bei zu häufiger Überstimulation des mesolimbischen Pfades durch Schlafentzug sogar dauerhafte Gehirnschäden entstehen können. Das liegt an der neuronalen „Plastizität“ des Gehirns, also an seiner Fähigkeit, sich neuen Situationen anzupassen. Wird es zu oft gezwungen, unter ganz bestimmten Bedingungen zu arbeiten, passt es sich diesen an beziehungsweise verändert sogar seine Funktionsweise nachhaltig.
De facto bedeutet all das für eine Prüfungssituation: Schlafentzug schadet nur. Wer zu oft „durchmacht“, schwächt sogar die neuronalen Verbindungen einzelner Sektoren des Kurzzeitgedächtnisses, das bedeutet, wenn in der Prüfung spezifische Fakten oder Zusammenhänge abgerufen werden, sind diese nicht mehr verfügbar – selbst wenn das Wissen eigentlich gut gespeichert sein müsste. Und kurzfristiges nächtelanges Lernen vor einer Prüfung bringt ebenfalls wenig, so warnen Experten. Denn Erlerntes festigt sich nur im
Schlaf wirklich nachhaltig.