Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) entstehen durch eine gestörte Darmbarriere mit fehlreguliertem Immunsystem im Zusammenspiel von Mikrobiom, genetischer Anfälligkeit sowie Umwelt- und Lebensstilfaktoren. Deshalb ist eine ganzheitliche Sichtweise von zentraler Bedeutung. Gesicherte Risiko-/Schub-Trigger sind unter anderem Rauchen, NSAR, psychosozialer Stress, frühere Antibiotika-/hormonelle Kontrazeptiva-Einnahme, Urbanisierung sowie Softdrinks und ultrahochverarbeitete Lebensmittel. Das therapeutische Spektrum reicht von 5-ASA, Immunsuppressiva und modernen Biologika bis zu JAK-Inhibitoren und bei Bedarf Chirurgie. Besonders wirksam ist ein integrativer Ansatz mit Ernährung, Bewegung und Stressmanagement sowie gegebenenfalls Probiotika. Ernährungsseitig gelten eine pflanzenbasierte Vollwertkost, wenig Fleisch und wenig Zusatzstoffe sowie situationsgerecht eingesetzte Ballaststoffe als Leitplanken.
Prof. Langhorst: Eine ganzheitliche Perspektive ist bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) essenziell, da sich zunehmend zeigt, dass ihre Pathogenese multifaktoriell ist. Im Zentrum steht eine Fehlregulation des Immunsystems, die jedoch nicht primär autoimmun, sondern Ausdruck einer gestörten intestinalen Barrierefunktion ist. Die Mukosabarriere des Darms weist eine erhöhte Permeabilität auf, wodurch mikrobielle Antigene und bakterielle Bestandteile in tiefere Schleimhautschichten eindringen und dort chronisch-entzündliche Immunreaktionen auslösen können.
Beteiligt sind sowohl das angeborene als auch das adaptive Immunsystem, deren Interaktion durch genetische Prädispositionen moduliert wird. Bislang wurden über 240 Genloci identifiziert, die mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa assoziiert sind. Diese genetischen Varianten erklären jedoch nur einen Teil des Erkrankungsrisikos und verdeutlichen, dass CED nicht primär genetisch determiniert, sondern das Ergebnis einer Interaktion von genetischer Anfälligkeit, Umweltfaktoren und Störungen der Darmbarriere sind.
Eine zentrale Rolle spielen dabei das intestinale Mikrobiom, die Schleimhaut und die Integrität der epithelialen Barriere. Zahlreiche Befunde belegen, dass Umweltfaktoren, Ernährung und Lebensstil sowohl die Entstehung als auch den Verlauf der Erkrankung wesentlich beeinflussen. Entsprechend reicht eine pharmakologische Monotherapie häufig nicht aus. Eine multimodale, integrative Therapie, die neben der medikamentösen Behandlung auch Lebensstil-, Ernährungs- und Umweltfaktoren berücksichtigt, erscheint daher pathophysiologisch begründet und zunehmend evidenzbasiert.
Zahlreiche Befunde belegen, dass Umweltfaktoren, Ernährung und Lebensstil sowohl die Entstehung als auch den Verlauf der Erkrankung wesentlich beeinflussen.
Prof. Langhorst: Die Situation jedes Patienten und jeder Krankheitsverlauf sind individuell. CED entstehen aus einem komplexen Zusammenspiel multipler Einflussfaktoren, die kumulativ das Erkrankungsrisiko erhöhen und langfristig einwirken können, schon lange bevor es zur ersten Symptomausbildung, dem ersten "Schub" kommt.
Aktuelle systematische Übersichtsarbeiten und Umbrella Reviews zeigen konsistent, dass bestimmte Umweltfaktoren klar risikosteigernd wirken. So ist Rauchen einer der am besten belegten Risikofaktoren für Morbus Crohn, während es bei bestehender Colitis ulcerosa bei Raucherentwöhnung zu einem erhöhten Risiko für einen "Schub" kommt. Auch Urbanisierung – verbunden mit veränderter Luft- und Wasserqualität, geringerer mikrobieller Diversität und veränderten Lebensgewohnheiten – ist mit einem erhöhten Risiko für CED assoziiert.
Darüber hinaus gelten bestimmte Medikamente in Kindheit und Jugend, insbesondere Antibiotika, sowie hormonelle Kontrazeptiva, als potenziell risikosteigernde Faktoren, da sie das Mikrobiom und die intestinale Immunhomöostase beeinflussen können.
Einen weiteren relevanten Einfluss stellt die Ernährung dar: Der regelmäßige Konsum von Softdrinks und ultrahochverarbeiteten Lebensmitteln (UPFs) ist mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa verbunden. Diese Nahrungsmittel sind typischerweise reich an Emulgatoren, gesättigten Fetten und Zusatzstoffen, die die Darmbarrierefunktion und das Mikrobiom negativ beeinflussen können.
Insgesamt verdeutlichen diese Erkenntnisse, dass der bewusste und reflektierte Umgang mit modifizierbaren Umwelt- und Lebensstilfaktoren ein wesentlicher Bestandteil sowohl der Prävention als auch der ganzheitlichen Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen sein sollte.
Prof. Langhorst: Die Ursachen und Auslöser eines Krankheitsschubs bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) sind individuell unterschiedlich und beruhen meist auf einem komplexen Zusammenspiel mehrerer Einflussfaktoren. Zu den bekannten Triggern zählen unter anderem (ausgewählte Beispiele):
Wichtig ist, dass sich nicht immer ein einzelner Auslöser eindeutig identifizieren lässt. Häufig resultiert die Reaktivierung der Erkrankung aus einem individuellen Zusammenspiel hormoneller, immunologischer und psychosozialer Faktoren, die in einem bestimmten Moment die Entzündungsneigung des Darms erhöhen und so einen Schub begünstigen.
Wichtig ist, dass sich nicht immer ein einzelner Auslöser eindeutig identifizieren lässt.
Prof. Langhorst: Die Therapie der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) ist eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte der modernen Medizin. In den 1950er-Jahren gelang mit der Einführung von Glukokortikoiden (Kortison) erstmals eine verlässliche Kontrolle der Entzündungssymptome. Während in den 1960er- und 1970er-Jahren die Lebenserwartung von CED-Patienten noch deutlich unter der der Allgemeinbevölkerung lag, hat sie sich dank verbesserter Diagnostik, Therapie und Versorgung in Deutschland heute nahezu vollständig angeglichen – ein Fortschritt, der wesentlich den modernen Arzneimitteln zu verdanken ist. Bei Colitis ulcerosa bilden 5-Aminosalicylate (5-ASA), insbesondere Mesalazin und teils auch Sulfasalazin, die Basistherapie. Ergänzend kamen ab den 1980er-Jahren Immunsuppressiva wie Azathioprin und 6-Mercaptopurin hinzu, die eine steroid-sparende Langzeitbehandlung ermöglichten.
Mit Beginn des neuen Jahrtausends leitete die Einführung der Biologika eine neue Ära der CED-Therapie ein. Den Anfang machte der TNF-α-Antikörper Infliximab, der 1998 zugelassen wurde. Seither wurden das therapeutische Spektrum und das Wirkprinzip kontinuierlich erweitert – unter anderem durch Interleukin-12/23-Inhibitoren (z. B. Ustekinumab), Integrin-Antagonisten (z. B. Vedolizumab) sowie "Small Molecules" wie Januskinase-Inhibitoren (z. B. Tofacitinib). Diese modernen Immunmodulatoren ermöglichen gezielte Eingriffe in zentrale Signalwege der Entzündung.
Trotz dieser Fortschritte sprechen jedoch nicht alle Patientinnen und Patienten dauerhaft auf Biologika an: Nur etwa 35–40 % der initial Responder befinden sich nach einem Jahr noch in klinischer Remission. Die Therapie bleibt somit individualisiert und erfordert ein enges Monitoring. Medikamente stehen zwar im Zentrum der Behandlung, bilden aber nicht die alleinige Lösung – Lebensstilfaktoren, Ernährung, Mikrobiom und psychosoziale Einflüsse gewinnen zunehmend an therapeutischer Bedeutung. Auch die Chirurgie bleibt ein wichtiger Bestandteil der CED-Therapie.
Bei Morbus Crohn kann die resektive Behandlung einer lokal begrenzten Entzündung, etwa im terminalen Ileum, zu lang anhaltender Stabilität führen. Operative Eingriffe sind darüber hinaus bei Komplikationen wie Abszessen, Stenosen oder Fisteln indiziert. Bei Colitis ulcerosa sind chirurgische Eingriffe dank moderner Pharmakotherapie seltener geworden. Notfallsituationen wie das toxische Megakolon sind heute selten; eine Kolektomie bleibt jedoch bei therapierefraktären Verläufen oder hochgradigen Dysplasien (präkanzerösen Veränderungen) eine wichtige Option.
Insgesamt zeigt sich: Die moderne CED-Therapie hat in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Fortschritte erzielt – sie heilt die Erkrankung nicht, ermöglicht aber für viele Betroffene eine dauerhaft gute Lebensqualität und nahezu normale Lebenserwartung.
Prof. Langhorst: Ein ganzheitlicher Behandlungsansatz ist von Beginn an von zentraler Bedeutung. Auch wenn er bislang nicht in allen Bereichen der medizinischen Ausbildung fest verankert ist, gilt er als plausibel, wissenschaftlich begründet und klinisch sinnvoll. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen betreffen den Menschen auf mehreren Ebenen – körperlich, psychisch und sozial – und erfordern daher ein integratives Therapiekonzept, das diese Dimensionen systematisch berücksichtigt.
Die aktuelle wissenschaftliche Evidenz belegt zunehmend die Wirksamkeit multimodaler Interventionen, die Ernährung, Bewegung, psychologische und achtsamkeitsbasierte Verfahren sowie naturheilkundliche Maßnahmen kombinieren.
Entscheidend ist, diese Ansätze frühzeitig und strukturiert in den Behandlungsprozess zu integrieren. Ob und in welchem Umfang ein konventionelles gastroenterologisches Krankenhaus solche Angebote umsetzen kann, hängt häufig von den vorhandenen personellen Ressourcen, interdisziplinären Kompetenzen und institutionellen Strukturen ab. Wichtige Bausteine sind eine qualifizierte Ernährungsberatung mit praktischer Lehrküche, Patientenschulungen und Vorträge, ein systematisches Stressmanagement mit achtsamkeitsbasierten Interventionen oder meditativen Bewegungsformen (z. B. Yoga, Qi Gong, Tai Chi). Ergänzend können naturheilkundliche Verfahren wie Wickel, Auflagen oder pflanzliche Arzneimittel unterstützend eingesetzt werden.
Die Integrative Medizin versteht sich dabei als Brücke zwischen konventioneller Therapie und komplementären Verfahren. Sie trägt die Verantwortung, die Wirksamkeit dieser Ansätze wissenschaftlich weiter zu erforschen, ihre Anwendung zu standardisieren und sie auf der Grundlage von Evidenz und Erfahrung in die klinische Praxis zu integrieren.
Prof. Langhorst: Lange Zeit wurde die Ernährung in der Medizin vernachlässigt – sie galt als Randthema, nicht als therapeutische Säule. Dies spiegelt sich deutlich in der wissenschaftlichen Literatur wider: Noch im 20. Jahrhundert fanden sich auf PubMed, der zentralen Datenbank biomedizinischer Forschung, nur wenige Publikationen zu Ernährungsthemen. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich dieses Bild jedoch grundlegend verändert – heute erscheinen jährlich mehr als 15.000 wissenschaftliche Arbeiten zur Ernährung in unterschiedlichsten Fachgebieten. Die Medizin erlebt hier einen Paradigmenwechsel: Ernährung wird zunehmend als aktiver Bestandteil der Prävention und Therapie chronischer Erkrankungen verstanden.
Auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) ist die Ernährung von zentraler Bedeutung. Einerseits spielt sie bei der Vermeidung und Behandlung von Mangelzuständen weiterhin eine wichtige Rolle – insbesondere im Hinblick auf Eisen, Folsäure, Vitamin B₁₂, Vitamin D, Zink und Selen. Andererseits wird zunehmend erkannt, dass Ernährung eine eigenständige therapeutische Intervention darstellen kann – sowohl bei Morbus Crohn als auch bei Colitis ulcerosa. Aus der aktuellen Evidenz lassen sich folgende grundsätzliche ernährungstherapeutische Prinzipien ableiten:
In Phasen mit deutlicher Entzündungsaktivität kann jedoch das Fermentationspotenzial des Mikrobioms reduziert sein, sodass ballaststoffreiche Kost dann proinflammatorisch wirken und die Beschwerden verstärken kann. In Remission oder niedriger Entzündungsaktivität ist eine ballaststoffreiche, pflanzenbasierte Ernährung hingegen das Mittel der Wahl, um die Remission zu stabilisieren und Rückfälle zu verhindern.
Gerade beim Thema Ernährung bestehen häufig Unsicherheiten. Viele Patienten schränken aus Vorsicht die Nahrungsaufnahme stark ein, was zu einem negativen Kreislauf führen kann. Eine frühe fachliche Begleitung – z. B. in Form eines Ernährungscoaching durch eine Ernährungsexpertin - hilft, Sicherheit und Klarheit zu gewinnen.
In Remission oder niedriger Entzündungsaktivität ist eine ballaststoffreiche, pflanzenbasierte Ernährung hingegen das Mittel der Wahl, um die Remission zu stabilisieren und Rückfälle zu verhindern.
Prof. Langhorst: Umwelt- und Ernährungsfaktoren spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung und dem Verlauf chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED). So wurden Luft- und Wasserqualität in großen epidemiologischen Studien als relevante Risikofaktoren identifiziert.
In der Ernährung rücken zunehmend Zusatzstoffe in den Fokus, insbesondere Stabilisatoren, Emulgatoren und Aufbereitungsstoffe wie Titandioxid. Tierexperimentelle Daten zeigen, dass diese Substanzen die Darmbarriere stören und entzündliche Prozesse fördern bzw. aufrechterhalten können. Vor diesem Hintergrund wird Bio-Qualität, Regionalität und eine überwiegend pflanzenbasierte Vollwertkost empfohlen. Fleisch sollte nur in begrenztem Umfang verzehrt werden. Traditionell war ein wöchentlicher Sonntagsbraten üblich – von einem Tier das ich mit Namen gekannt habe; eine tägliche Fleischmahlzeit wird hingegen aus mikrobiom- und entzündungsphysiologischer Sicht kritisch bewertet. Besonders problematisch ist Fleisch aus Massentierhaltung, da Tiere oft keinen Weidegang oder Sonnenlicht erhalten, mit Silage gefüttert werden und häufig antibiotikabelastet sind – Faktoren, die die qualitative Zusammensetzung und Nährstoffdichte des Fleisches negativ beeinflussen.
Die praktische Konsequenz lautet daher: Fleisch sollte sparsam und bewusst konsumiert werden. Falls Fleisch verzehrt wird, sollte es aus artgerechter Haltung stammen, idealerweise von Tieren mit Weidegang und kontrollierter Herkunft, deren Aufzuchtbedingungen transparent und nachvollziehbar sind.
Prof. Langhorst: Die wachsende Bedeutung der Ernährung in der Medizin ist eng mit der Forschung zum intestinalen Mikrobiom verbunden. Früher sprach man in diesem Kontext von der "Stuhlflora", wobei damit die Gesamtheit der Mikroorganismen gemeint ist, die den menschlichen Körper – insbesondere den Darm – besiedeln. In der Gastroenterologie, vor allem bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), liegt das Interesse primär auf den Vorgängen im Darm. Kein Organ ist dichter besiedelt als der Dickdarm, der neben Bakterien auch Viren, Pilze und Archaeen beherbergt. Hinzu kommen vom Immunsystem produzierte Glykoproteine sowie Verdauungsreste, sodass das Mikrobiom als komplexes, multifaktorielles System zu verstehen ist.
Die intensive Forschung der letzten zwei Jahrzehnte wurde durch fortschrittliche Sequenzier- und Bioinformatik-Technologien ermöglicht, die die Analyse großer Datenmengen erlauben. Eines der zentralen Erkenntnisse ist: Diversität ist essenziell. Eine geringe mikrobielle Diversität wird mit gestörter Barrierefunktion, Entzündungsneigung und Krankheitsaktivität in Verbindung gebracht. Entzündungen selbst, aber auch bestimmte Medikamente – insbesondere Antibiotika – können die mikrobiologische Diversität nachhaltig reduzieren.
Gleichzeitig befinden sich die Untersuchungen noch in einem frühen Stadium. Oft wurden bislang eher die richtigen Forschungsfragen formuliert, als dass vollständige Antworten vorliegen. Der nächste Schritt in der Mikrobiomforschung ist das Metabolom, also die Untersuchung der stoffwechselaktiven Komponenten des Mikrobioms. Hierbei geht es weniger darum, welche Mikroorganismen präsent sind, sondern vielmehr um die Stoffwechselprodukte, die sie produzieren, und deren funktionellen Einfluss auf den Wirt. Die Identifizierung dieser metabolischen Beiträge wird entscheidend sein, um die Wechselwirkungen zwischen Ernährung, Mikrobiom und intestinaler Gesundheit besser zu verstehen.
Prof. Langhorst: An der Darmbarriere wird kontinuierlich prozessiert, welche Substanzen aus dem Darmlumen in den Körper gelangen dürfen – und welche nicht. Ist diese Barriere gestört, können pathogene Mikroorganismen oder Toxine in das Gewebe eindringen und schwere Entzündungsreaktionen oder Infektionen auslösen. Die Integrität der Darmbarriere wird durch ein hochkomplexes, multifaktorielles System gewährleistet, das aus mehreren, eng vernetzten Ebenen besteht:
Prof. Langhorst: Früher wurden vor allem Permeabilitätstests, wie der Laktulose-Mannitol-Test, eingesetzt, um indirekt die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut zu beurteilen. Heute ermöglicht die konfokale Laser-Endomikroskopie (pCLE) in der Integrativen Medizin und Naturheilkunde eine direkte, hochauflösende Untersuchung der Darmbarriere. Bei der pCLE wird eine feine Sonde über das Endoskop an die Schleimhaut geführt. Mit einer ca. 1000-fachen Vergrößerung lassen sich Strukturen bis auf Zellebene sichtbar machen, einschließlich Krypten und Kapillaren. Ein verabreichter fluoreszierender Kontrastfarbstoff hebt die Durchblutung und die Barrierekonturen hervor. Darüber hinaus ist es möglich, Nahrungsmittel direkt an der Darmwand zu applizieren und deren akuten Einfluss auf die Barrierefunktion in Echtzeit zu beobachten.
Zusammenfassend zeigt sich, dass die Darmbarriere ein hochkomplexes, fein abgestimmtes Zusammenspiel aus Mikrobiom, Schleimschicht, Epithel, mukosalem Immunsystem und systemischer Abwehr darstellt. Moderne bildgebende Verfahren wie die konfokale Laserendomikroskopie (CLE) erlauben es heute, diese Funktion in vivo und dynamisch zu bewerten und individuelle Reaktionen auf Nahrungsmittel sichtbar zu machen.
Heute ermöglicht die konfokale Laser-Endomikroskopie (pCLE) in der Integrativen Medizin und Naturheilkunde eine direkte, hochauflösende Untersuchung der Darmbarriere.
Prof. Langhorst: Die Lebensmittel, die am häufigsten mit Unverträglichkeiten in Verbindung gebracht werden, sind gut dokumentiert. In der wissenschaftlichen Literatur sind folgende Häufigkeiten dokumentiert: Weizen löst am häufigsten eine atypische Nahrungsmittelunverträglichkeit aus, gefolgt von Hefe, Milch, Soja und Eiweiß. Dabei handelt es sich jedoch nicht um klassische, IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergien, sondern um eine Störungen der Darmbarriere.
Welche Personen auf welches Lebensmittel reagieren, ist individuell sehr unterschiedlich – ein Aspekt, der sich mit modernen in vivo-Testmethoden der Barrierefunktion – der konfokalen Laserendomikroskopie - direkt untersuchen lässt. Aktuell werden diese Ergebnisse im Rahmen einer Studie zum Reizdarmsyndrom (RDS) weiter vertieft. Erste Daten wurden bereits auf den führenden Kongressen in Nordamerika und Europa vorgestellt und stießen auf großes Interesse.
Der Forschungsschwerpunkt liegt derzeit auf funktionellen Erkrankungen wie dem RDS. Die Methode wird jedoch auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) eingesetzt, da häufig ähnliche Symptome auftreten – insbesondere Diarrhö.
Für die therapeutische Entscheidungsfindung kann es dabei einen entscheidenden Unterschied machen, die richtige Ursache des Durchfalls nachzuweisen:
Dieser Unterschied ist klinisch entscheidend, da er die therapeutische Strategie und die Risikobewertung für Nebenwirkungen wesentlich beeinflusst.
Prof. Langhorst: Das Thema Ernährung als Therapiesäule bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und dem Reizdarmsyndrom verdient eine umfassende, praxisnahe Betrachtung. In unserer Klinik setzen wir konsequent auf pflanzenbasierte Vollwertkost, also auf unverarbeitete oder minimal verarbeitete Lebensmittel, während stark verarbeitete Produkte weitgehend vermieden werden. Die Umsetzung erfolgt multimodal: In der Lehrküche erlernen die Patienten praxisnah die Zubereitung geeigneter Mahlzeiten. Vorträge und Workshops vermitteln theoretisches Wissen über die Wirkung von Ernährung auf Mikrobiom, Darmbarriere und Entzündungsprozesse. Individuelle Ernährungsberatungen durch unsere qualifizierten Ökotrophologinnen ermöglichen eine personalisierte Anpassung an die Lebensumstände und Vorlieben der Patientinnen und Patienten. So sind die Patienten nach ihrem stationären Aufenthalt, der von allen Krankenkassen übernommen wird, optimiert auf ihren Alltag vorbereitet und können die Empfehlungen zielgerichtet in die tägliche Ernährung integrieren.
In unserer Klinik setzen wir konsequent auf pflanzenbasierte Vollwertkost, also auf unverarbeitete oder minimal verarbeitete Lebensmittel, während stark verarbeitete Produkte weitgehend vermieden werden.
Prof. Langhorst: Die Verwendung von Probiotika ist auch in den aktuellen Leitlinien für Colitis ulcerosa verankert, an deren Erstellung ich als Co-Autor beteiligt war. Bei Colitis ulcerosa sind zwei Probiotika etabliert:
Probiotika entfalten ihre Wirkung über mehrere gut belegte Mechanismen: So stabilisieren sie unter anderem die Darmbarriere, modulieren die Zytokinproduktion und damit die entzündliche Aktivität und erschweren gleichzeitig die Kolonisation durch pathogene Keime, teilweise durch Förderung deren Ausscheidung.
Ein wichtiger Hinweis: Im Erwachsenenalter persistieren Probiotika in der Regel nur während der Einnahme; etwa vier Wochen nach Absetzen sind sie meist nicht mehr nachweisbar. Dies ist jedoch kein Problem, da das Ziel nicht eine dauerhafte Besiedlung ist, sondern die Stabilisierung der Homöostase und die stabilisierende Wirkung auf das intestinale Ökosystem.
Die Ernährung bleibt der dominanteste Einflussfaktor auf das Mikrobiom, während Probiotika in ihrer Wirkung eher an zweiter oder dritter Stelle stehen. Antibiotika hingegen können die mikrobiellen Gemeinschaften erheblich stören. Therapeutisch können Probiotika bei passender Indikation, wie beispielsweise Colitis ulcerosa, erwogen werden. Für Morbus Crohn ist die Evidenz dagegen weniger eindeutig.
Prof. Langhorst: Die Verläufe chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED) sind individuell sehr heterogen. Einige Patientinnen und Patienten weisen eine dauerhaft aktive, chronische Erkrankung andere einen Verlauf mit wiederkehrenden Schüben und stabileren Intervallen auf. Andere erleben nur einen einzigen Schub, erhalten eine gezielte Therapie und berichten anschließend über langfristige Beschwerdefreiheit. Am anderen Ende des Spektrums stehen Personen, die mehrfach operiert werden und dennoch keine dauerhafte Stabilisierung erreichen. Dazwischen liegt ein breites Spektrum individuell geprägter Krankheitsverläufe.
Ziel einer integrativen Behandlung ist es, Patienten schrittweise in eine stabile Remission zu führen, sodass sie symptomfrei bleiben und ihre Lebensqualität langfristig verbessern können. Langzeitbeobachtungen zeigen, dass dies bei vielen Patientinnen und Patienten gelingt. Die Evidenzlage unterstützt zunehmend die Rolle nicht-pharmakologischer Interventionen als komplementäre Maßnahmen zur konventionellen Therapie. Dazu zählen:
Diese Maßnahmen können die Wirksamkeit der konventionellen Medizin messbar verbessern. Klinisch zeigt sich dies in Form von höherer Krankheitsstabilität, reduzierter Schubrate und erhöhter Lebensqualität für die Betroffenen.
Prof. Langhorst: Psychosozialer Stress spielt eine zentrale Rolle bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) und beeinflusst über die Darm-Hirn-Achse direkt den Krankheitsverlauf. In den Leitlinien ist anerkannt, dass psychosozialer Stress, zum Beispiel in Form von emotional als auch zeitlich bedingtem Stress, die Krankheitsaktivität modulieren kann. Daher ist es zielführend, therapeutisch begleitetes Stressmanagement zu erlernen. Zahlreiche Methoden, wie Achtsamkeitstraining, Meditation oder körperbasierte Entspannungsverfahren, sind wissenschaftlich untersucht. Entscheidend ist, eine Technik zu wählen, die zur Person passt, und diese regelmäßig anzuwenden, um die Stressresilienz zu erhöhen. Langfristig kann dies zu einer stabileren Krankheitskontrolle führen.
Patienten berichten, dass sie durch solche Maßnahmen eine "Therapie für eine dickere Haut" erlernen – also eine gesteigerte Widerstandskraft gegenüber Stress entwickeln. Die positiven Effekte erstrecken sich dabei über den Darm hinaus: Neben einer potenziell geringeren Schubrate profitieren Betroffene auch von verbesserter allgemeiner Gesundheit, Lebensqualität und möglicherweise erhöhter Lebenserwartung. Vor diesem Hintergrund ist der gezielte therapeutische Einsatz von Stressmanagement nicht nur plausibel, sondern auch evidenzbasiert sinnvoll.
Daher ist es zielführend, therapeutisch begleitetes Stressmanagement zu erlernen.
Prof. Langhorst: Die Frage, wie man mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) am besten umgeht, ist individuell sehr unterschiedlich. Ein erster, für alle sinnvoller Schritt besteht darin, Kontakt zur DCCV (Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung) aufzunehmen. Die DCCV ist eine etablierte Selbsthilfeorganisation mit mehr als 20.000 Mitgliedern, die seit über 40 Jahren qualitativ hochwertige Unterstützung und verlässliche Informationen bietet.
Zu Beginn fühlen sich viele Betroffene durch die Diagnose einer CED überfordert. Die DCCV vermittelt Sicherheit, Orientierung und Bestärkung und beantwortet zentrale Fragen zur Erkrankung. Eine Mitgliedschaft ermöglicht zudem den Bezug des Mitgliedermagazins "Der Bauchredner", das viermal jährlich erscheint – ich habe gerade die Freude als eingeladener Schriftleiter den Bauchredner 4/25 zum Thema Integrative Medizin bei CED zu gestalten - sowie Zugang zu Fortbildungen und Expertenveranstaltungen, neben vielen anderen Themen z. B. auch zu Integrativer Medizin und Naturheilkunde.
Parallel ist es entscheidend, einen vertrauensvollen Gastroenterologen zu finden, bei dem man sich offen über Beschwerden, Therapieoptionen und Lebensstilfragen austauschen kann. Besonders zu Beginn der Erkrankung aber auch im Verlauf ist die Frage nach der individuell richtigen medikamentösen Behandelung von zentraler Bedeutung. Ein ganzheitlicher Ansatz, der medikamentöse Therapie mit nicht-pharmakologischen Maßnahmen kombiniert, unterstützt die eigene Wirksamkeit und Handlungsfähigkeit der Betroffenen. Zu den nicht-pharmakologischen Verfahren, die im Rahmen der Integrativen Medizin Anwendung finden, zählen dabei insbesondere:
Ziel ist es, Schritt für Schritt ein vertieftes Verständnis der eigenen Erkrankung zu entwickeln und so zur Expertin bzw. zum Experten in eigener Sache zu werden.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 21.10.2025.