Bei Geburt ist der Mensch keimfrei. Schon während und unmittelbar nach der Geburt kommt es zur Besiedlung mit Bakterien. Was zunächst merkwürdig erscheint, ist wichtig für die Gesundheit des Menschen. Die Bakterien übernehmen im Körper wichtige Funktionen und tragen dazu bei, dass wir gesund bleiben.
In unserem Darm leben sehr viele Bakterien. Alle Bakterien, die im Darm des menschlichen Körpers leben, werden als Darm-Mikrobiom oder Darm-Mikrobiota bezeichnet. Die Gesamtheit aller Gene dieser Mikroorganismen wird als Mikrobiom bezeichnet. Dagegen werden alle Mikroorganismen in einer bestimmten Region als Mikrobiota. Ein Begriff, der viel häufiger verwendet wird, ist Darmflora. Man schätzt, dass etwa 100 Billionen Mikroorganismen den menschlichen Körper besiedeln, die meisten befinden sich im Darm. Sie machen etwa ein bis drei Prozent unseres Gewichtes aus. Damit leben in unserem Darm mehr Bakterien als unser Körper Zellen hat. Es gibt über 10.000 verschiedene Arten. In einem Menschen sind etwa 500 bis 2000 Arten vorhanden. Es gibt Wissenschaftler, die das Mikrobiom als zusätzliches, menschliches Organ betrachten.
Vor einigen Jahren hat man festgestellt, dass eine Übertragung von Darmbakterien eines gesunden Spenders in den Darm eines Patienten mit einer bestimmten Darmerkrankung eine deutliche Besserung oder Heilung herbeiführen kann. Dieser Vorgang, bei dem Darmbakterien übertragen werden, wird als Stuhltransplantation oder fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) bezeichnet. Die Stuhltransplantation ist besonders wirksam bei der Bekämpfung der Infektion mit Clostridium difficile.
Die Darmflora übernimmt wichtige Funktionen in unserem Körper:
Eine Dysbalance der Darmflora kann mit einigen Erkrankungen einhergehen:
Die Idee, die Darmflora durch eine Stuhltransplantation von fremden Stuhl positiv zu beeinflussen, gibt es schon seiten vielen Jahren. Bereits im 4. Jahrhundert, in China, gab es erste Versuche dazu. In der neueren Zeit wurde die erste Stuhltransplantation 1958 bei einem Patienten in Denver durchgeführt. Dieser Patient litt unter einer Darmentzündung, die durch das Bakterium Clostridium difficile verursacht wurde. Obwohl die Behandlung erfolgreich war, wurde sie nicht weiter verfolgt.
Eine Behandlung mit Antibiotika kann die Darmflora so stark schädigen, dass Krankheitserreger (pathogene Keime) die Oberhand gewinnen. Insbesondere das Darmbakterium Clostridium difficile (neuer Name: Clostridioides difficile) löst eine Dickdarmentzündung aus und führt zu starken Durchfällen und Bauchschmerzen. In einigen Fällen kann man diese Dickdarmentzündung mit Antibiotika wie Metronidazol oder Vancomycin behandeln. Allerdings ist dieser Therapieversuch nicht immer erfolgreich. Vor allem bei dieser Erkrankung stellt eine Stuhltransplantation eine sehr gute Behandlungsoption dar. In einer Studie von 2013 waren die Ergebnisse der Studie so gut, dass sogar abgebrochen wurde. Man hat es ethisch nicht für richtig gehalten, der Kontrollgruppe diese Behandlung vorzuenthalten. Durch eine Stuhltransplantation können Heilungsraten von 84 bis 96 Prozent erzielt werden.
Für alle anderen Erkrankungen gibt es aktuell nicht genug wissenschaftliche Erkenntnisse, um eine Stuhltransplantation zu rechtfertigen. Da das Mikrobiom aktuell Gegenstand vieler Forschungen ist, kann es in den nächsten Jahren neue Forschungsergebnisse geben. Vorstellbar ist der Einsatz bei entzündlichen Darmerkrankungen wie Collitis ulcerosa oder Morbus Crohn.
Eine Stuhltransplantation wird nur Patienten mit einer Clostridium difficile Erkrankung angeboten. Wenn es nach einer Antibiotika-Behandlung zu einer Darmentzündung durch Clostridium difficile kommt und diese mit gängigen Antibiotika nicht behandelt werden kann, ist die Stuhltransplantation eine Behandlungsmöglichkeit. Vor einer Stuhltransplantation wird ein Antibiotikum verabreicht, um die Clostridien abzutöten. 24 bis 48 Stunden vor der Stuhltransplantation wird die Einnahme beendet. Danach kann der Stuhl, zum Beispiel über eine Darmspiegelung transplantiert werden.
Als Spender kommt oft ein Verwandter oder Freund in Frage. Für den Erfolg ist die Spender-Patienten-Beziehung nicht wichtig, aber sie steigert oft die Akzeptanz beim Empfänger der Spende. Im Laufe der Zeit hat der Einsatz nicht-verwandter Spender immer mehr zugenommen. Potenzielle Spender dürfen nicht spenden, wenn ein Risiko besteht, dass sie eine ansteckende Krankheit haben und diese auf den Patienten übertragen können. Aus diesem Grund sind die Kriterien sehr streng, um Spender werden zu können. Vor einer Stuhltransplanation werden mindestens zwei mal umfassende Stuhl- und Bluttests durchgeführt. Spender sollten grundsätzlich zwischen 18 und 65 Jahre alt sein.
Spender werden auf viele Erkrankungen untersucht, darunter auch auf diese:
Ausschlusskriterien für potenzielle Stuhlspender sind unter anderem:
Ist ein Spender geeignet, muss vor einer Transplantation beachtet werden, dass der Spender:
Am Abend vor der Stuhltransplantation nimmt der Spender vor dem Schlafen ein Abführmittel. Am nächsten Morgen sammelt er eine faustgroße Menge des Stuhls in einem dafür vorgesehenen Behälter ein. Grundsätzlich werden 30 Gramm Stuhl von einem gesunden Spender mit 300 Milliliter einer Kochsalzlösung aufgemischt und anschließend filtriert und von Verdauungsresten befreit. Verabreicht werden natürlich nicht die Fäkalien, sondern die lebenden Darmorganismen. Diese Suspension kann anschließend im Rahmen einer Darmspiegelung in den Darm eingespritzt werden. Neben der Möglichkeit, die Stuhlspende über eine Darmspiegelung zu erhalten, gibt es inzwischen auch andere Verfahren, die angeboten werden. Eine Möglichkeit ist, Kapseln zu schlucken. Die Patienten schlucken 30 Kapseln verteilt über zwei Tage.
Der Patient muss sich am Abend vor der Stuhltransplantation auf die Darmspiegelung vorbereiten. Er bekommt eine Spüllösung wie bei der Vorbereitung für eine Dickdarmspiegelung zur Vorsorge.
Nach der Stuhltransplantation gibt es nichts Wesentliches zu beachten. Zur Beobachtung bleiben die meisten Patienten eine Nacht lang im Krankenhaus.
Der genaue Wirkmechanismus der Stuhltransplantation ist nicht genau bekannt. Man geht davon aus, dass das Mikrobiom des Patienten mit verschiedenen Mikroorganismen neu besiedelt wird und dadurch Clostridium difficile zurückgedrängt wird. Man kann sich das so vorstellen, dass es wieder zu einem gesunden Gleichgewicht vieler verschiedener Mikroorganismen kommt.
Viele Fragen sind aber immer noch ungeklärt. Man weiß nicht, welches die besten Bakterien für eine Stuhltransplantation sind. Welche Bakterien am besten anwachsen und welche langfristigen Folgen eine Stuhltransplantation auf den Patienten hat.
Aktuell wird die Stuhltransplantation nur zur Behandlung einer Infektion mit Clostridium difficile empfohlen. Hier liegt die Erfolgsrate bei etwa 90 Prozent. Damit ist die Stuhltransplantation für diese Erkrankung eine Behandlung mit Antibiotika deutlich überlegen. Es gibt auch Behandlungsversuche von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa. In Studien zeigt sich bei bis zu 40 Prozent der Patienten eine Besserung. Die Ergebnisse scheinen aber nicht anhaltend zu sein. Nicht eindeutig sind die Ergebnisse bei der Behandlung von Reizdarm.
Bei der Behandlung der Clostridien-Colitis merken Patienten bereits nach zwei bis drei Tagen den Erfolg der Behandlung. Die Patienten fühlen sich besser, Durchfall und Bauchschmerzen hören auf.
Bei der Behandlung anderer Erkrankungen wie der Colitis ulcerosa, ist die Behandlungsdauer deutlich länger. Oft stellt sich erst nach zwei Monaten eine Besserung ein. Der Erfolg scheint aber nicht nachhaltig zu sein.
Obwohl die Stuhltransplantation ein sicheres Verfahren ist, gab es 2019 einen Patient, der nach einer Stuhltransplantation verstorben ist. Der übertragene Stuhl enthielt resistente Bakterien. Mit dem Stuhl haben Ärzte unwissentlich auch einen mulitresistenten Keim des Bakteriums Escherichia coli eingepflanzt. Der Keim konnte sich ungebremst ausbreiten und sprach auf viele Antibiotika nicht mehr an.
Aus diesem Grund muss die Auswahl eines Spenders nach strengen Kriterien erfolgen. Dies ist auch der Fall. Das Spenderscreening soll besonders infektiöse Risiken minimieren. Ebenso wird der Stuhl auf multiresistente Erreger getestet.
Insgesamt ist die Stuhltransplantation ein sicheres Verfahren. Allerdings liegen Daten zur Langzeitsicherheit noch nicht vor.
In Deutschland gibt es viele Kliniken, die eine Stuhltransplantation durchführen. Meistens wird diese Behandlung von den gastroenterologischen Abteilungen der Krankenhäuser durchgeführt. Ebenso gibt es einige Zentren, die sich auf Stuhltransplantationen spezialisiert haben.
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The New England Journal of Medicine, Els van Nood, M.D.; Anne Vrieze, M.D.; Max Nieuwdorp, M.D., Ph.D.; Susana Fuentes, Ph.D.; Erwin G. Zoetendal, Ph.D.; Willem M. de Vos, Ph.D.; Caroline E. Visser, M.D., Ph.D.; Ed J. Kuijper, M.D., Ph.D.; Joep F.W.M. Bartelsman, M.D.; Jan G.P. Tijssen, Ph.D.; Peter Speelman, M.D., Ph.D.; Marcel G.W. Dijkgraaf, Ph.D. – Duodenal Infusion of Donor Feces for Recurrent Clostridium difficile: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1205037 (online, letzter Abruf: 16.06.2020)
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Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – Fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT, Stuhltransplantation): Risiko für die Übertragung von multiresistenten Erregern: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RI/2019/RI-FMT.html (online, letzter Abruf: 16.06.2020)
aktualisiert am 16.06.2020