Die Sehschule ist eine Abteilung oder Einrichtung, die sich mit bestimmten Sehstörungen wie z. B. dem Schielen befasst. Hauptsächlich werden Kinder in der Sehschule untersucht und behandelt, doch auch bei dem einen oder anderen Erwachsenen ist eine Vorstellung in der Sehschule angezeigt. Die Sehschule findet sich zumeist an eine Augenklinik oder auch an eine Augenpraxis angegliedert. Der Bereich nennt sich Orthoptistik, das Personal wird als Orthoptistinnen und Orthoptisten bezeichnet. Sie arbeiten eng mit den Ärzten zusammen. Das Aufgabengebiet der Sehschule erstreckt sich von der Erkennung und Untersuchung über die Behandlung bis hin zur Vorbeugung von Erkrankungen wie dem Schielen. Zumeist soll eine Schwachsichtigkeit (Amblyopie) verhindert werden, also der Zustand, dass ein Auge unwiederbringlich schlechter sieht. Dies ist bei schielenden Kindern der Fall, wenn ihr Gehirn ein Auge gewissermaßen ausschaltet, um keine Doppelbilder zu haben.
Die Sehschule hat ihren auf den ersten Blick unpassend erscheinenden Namen dadurch, dass dort früher tatsächlich das Sehen trainiert wurde. Die Patienten mussten oft langwierige Übungen durchführen, damit das richtige Sehen geschult werden konnte. Inzwischen ist dies nicht mehr erforderlich, doch der Schwerpunkt der Erkrankungen in der Orthoptik ist etwa der gleiche geblieben.
Neben Einrichtungen der Orthoptik werden manchmal auch andere Stellen Sehschulen genannt, beispielsweise Augenschulen, in denen die Augen trainiert werden können. In diesem Artikel soll jedoch nur auf die Sehschule im engeren Sinne eingegangen werden, die sich z. B. mit schielenden Patienten befasst. Manche Kliniken bezeichnen ihre Sehschule auch als Schielambulanz.
Die Sehschule hat ihren Aufgabenbereich darin, bestimmte Probleme an den Augen möglichst früh aufzudecken und sie zu behandeln beziehungsweise zu korrigieren. Da viele Sehstörungen bei Kindern nicht ohne Weiteres von Laien erkannt werden können, sollten alle Kinder bis zum zweiten Lebensjahr einmal durch die Sehschule (Orthoptik) beurteilt werden. So ist bei Störungen, die bei der vorbeugenden Untersuchung in der Sehschule erkannt wurden, eine rechtzeitige gezielte Behandlung möglich. Noch früher werden Kinder in der Sehschule vorgestellt, die eine erhöhte Gefahr für Störungen wie Schielen, hochgradige Fehlsichtigkeit oder Schwachsichtigkeit (Amblyopie) haben. So untersuchen die Orthoptisten z. B. oft Kinder im Alter von circa drei Monaten, bei denen in der Familie eine solche Störung auftrat. Selbstverständlich werden auch Kinder in der Sehschule beurteilt, die selbst einen merklichen Augenfehler haben (z. B. Schielen, sehr große Augen, Augenzittern, Trübungen oder Aufhellungen, hängende Lider). Das gilt auch für Erwachsene, wenn sie z. B. ein Schielen entwickelt haben oder Doppelbilder bemerken.
Kinder sehen in der Zeit nach der Geburt noch nicht scharf. Sie müssen sich das optimale Sehvermögen erst noch aneignen. Der Prozess verläuft im ersten Lebensjahr am schnellsten und stärksten, doch er geht noch bis zum Alter von ungefähr sechs Jahren weiter. Unter anderem muss das räumliche Sehen entwickelt werden, die beiden Augen müssen also gut zusammenspielen. Das Gehirn muss aus den koordinierten Bildern der Augen ein einzelnes, räumliches Abbild der Umgebung zusammensetzen. Damit dies gelingt, ist ein Mindestmaß an richtiger Augenfunktion notwendig. Bereits kleine Störungen wie Fehlstellungen oder höhere Fehlsichtigkeiten können sich gravierend auswirken. Da ein Auge unschärfer sieht beziehungsweise das Kind (z. B. beim Schielen) erst einmal Doppelbilder wahrnimmt, kommt es häufig zu einer so genannten Schwachsichtigkeit (Amblyopie). Dies zu verhindern, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Sehschule beziehungsweise Orthoptik.
Insbesondere wenn ein Verdacht auf eine Sehstörung beim Kind besteht, sollte es in der Sehschule vorgestellt werden. Einige Kinder haben unübersehbar ein Schielen (Strabismus) oder ein Augenruckeln (Nystagmus). Viele Sehstörungen geben aber weniger deutliche Hinweise. Zu den Merkmalen, die bei Sehstörungen von Kindern auftreten können, gehören Zukneifen der Augen, Blinzeln, gerötete oder tränende Augen und häufiges Reiben. Kinder mit Sehproblemen gehen oft nahe an Objekte heran, um sie besser erkennen zu können. Auch häufiges Stolpern, Ungeschicktheit oder eine schiefe Kopfhaltung können Andeutungen eines Sehproblems sein.
Etwas ältere Kinder können Probleme mit dem Lesen und Schreiben bekommen. Sie klagen z. B. über Augenbrennen, Kopfschmerzen oder ganz konkret verschwommenes Sehen oder Doppelbilder sowie Blendungsempfindlichkeit. Auch Unruhe, Aggressivität oder Konzentrationsprobleme gehören zu den Folgen einer Sehstörung im Kindesalter.
Eine Fehlsichtigkeit ist der häufigste Grund für ein schlechtes Sehen kindlicher Augen. Die möglichen Fehlsichtigkeiten sind Kurzsichtigkeit und Weitsichtigkeit sowie Stabsichtigkeit (Hornhautverkrümmung, Astigmatismus). Kurzsichtigkeit bedeutet unscharfes Sehen in der Ferne, Weitsichtigkeit ist verschwommenes Sehen in der Nähe. Bei einer Stabsichtigkeit ist die Hornhaut (einzeln oder zusätzlich zur Kurz- oder Weitsichtigkeit) so in einer Richtung gekrümmt, dass Punkte als Striche gesehen werden. Alle diese Fehlsichtigkeiten lassen sich mit Hilfe von Produkten wie Brillen oder Kontaktlinsen ausgleichen.
Eine weitere Ursache von Sehproblemen und häufiger Grund für den Besuch in der Sehschule ist das Schielen. Es handelt sich um eine Abweichung des Auges von der richtigen Achse. Schielen (Strabismus) kann von außen deutlich zu sehen sein oder in anderen Fällen gar nicht auffallen (latentes Schielen oder Mikrostrabismus).
Erkrankungen im Auge können das Sehen beeinträchtigen. Zu solchen Erkrankungen, die auch im Kinderalter möglich sind, gehören die Trübung der Augenlinse (Grauer Star, Katarakt), ein im Verhältnis zu hoher Augeninnendruck (Grüner Star, Glaukom) oder Netzhauterkrankungen, die z. B. auch erblich sein können. Die genannten Erkrankungen können nicht durch eine Korrektur ausgeglichen werden (z. B. eine Brille), sondern bedürfen einer anderen Behandlung.
Sieht ein Auge schlecht, dann kann es bei Kindern zu schweren Folgen für das langfristige Sehvermögen kommen, die über die ursprüngliche Krankheit hinausgehen. Diese Störung nennt sich Amblyopie oder Schwachsichtigkeit. Weil das Auge nicht gefordert wird oder das Gehirn die Informationen von dem Auge ausblendet, ist die Sehschärfe irgendwann unwiederbringlich herabgesetzt. Wenn ein Auge betroffen ist, dann fehlt dem Kind das räumliche Sehen und die Entwicklung wird beeinträchtigt. Um die Gefahr einer Schwachsichtigkeit rechtzeitig festzustellen und aufzuhalten, dafür ist die Sehschule zuständig.
Die Orthoptistin oder der Orthoptist muss zunächst bestimmen, ob eine Fehlsichtigkeit des Patienten besteht und welches Ausmaß sie hat. Dazu geschieht ein Sehtest, mit dem auch die bestmögliche Brillenkorrektur ermittelt wird. Vor allem bei Kindern muss auch oft eine so genannte Skiaskopie durchgeführt werden. Dies ist eine Untersuchung, bei der mittels einer Art Schattenprobe an der Netzhaut herausgefunden wird, was für eine Fehlsichtigkeit besteht. Häufig ist eine Weitstellung der Pupillen mittels Tropfen notwendig, um genaue Ergebnisse zu ermitteln. Falls eine Brille oder Kontaktlinsen vorhanden sind, sollten diese zur Untersuchung mitgebracht werden. Das kann den Sehtest vereinfachen und eine Messung der Korrekturstärke ermöglichen.
Von großer Bedeutung sind in der Sehschule die Untersuchungen auf Schielen wie die Messung des Schielwinkels. Auch wird die Augenbeweglichkeit untersucht. Auf ein Augenruckeln wird geachtet (Nystagmus). Von einem Augenarzt wird eine Untersuchung dahingehend vorgenommen, Erkrankungen der Augen feststellen oder ausschließen zu können.
Wurde eine Brille angepasst, dann sollte der Patient diese erst einmal für einige Wochen benutzen und sich dann erneut zum Sehtest beziehungsweise zur Sehschule begeben. Wenn er mit einem Auge immer noch schlecht sieht, kommt eine Behandlung durch die Orthoptisten in der Sehschule in Betracht.
Eine der wichtigsten Behandlungsmethoden aus der Sehschule ist das Tragen einer Okklusion (Abdeckung) im Alltag. Es ist bei einer drohenden oder bestehenden Schwachsichtigkeit (Amblyopie) eines Auges angezeigt. Häufig handelt es sich um ein Okklusionspflaster auf der Brille. Die Okklusion wird entweder vor das Auge gesetzt, das besser sieht oder dominant ist, oder sie wird in einem bestimmten Rhythmus abwechselnd vor das eine und das andere Auge gesetzt. Das blickdichte Pflaster oder andere Art der Okklusion sorgt dafür, dass beide Augen für das Sehen genügend trainiert werden und sich nicht nur ein dominantes Auge herauskristallisiert. Der Patient soll mit den Augen dreidimensional sehen können und, falls sich an einem Auge eine Erkrankung entwickeln sollte, auch mit dem anderen Auge gut sehen können.
Ein Schielen (Strabismus) lässt sich außerdem durch ein Prismaglas beziehungsweise eine Prismenbrille ausgleichen. Das Prisma sorgt dafür, dass die Lichtstrahlen so abgelenkt werden, dass das Gehirn keine Schwierigkeiten mehr hat, die optischen Informationen beider Augen zusammenzubringen.
In manchen Fällen ist bei einem Schielen eine Operation notwendig, die von Augenärzten durchgeführt wird.
Die Untersuchung in der Sehschule durch die Orthoptistin oder den Orthoptisten hat in aller Regel keine Komplikationen. Spezielle Behandlungen können gewisse Komplikationen haben, beispielsweise bei einer viel zu lange dauernden Okklusion die Entwicklung eines schlechten Sehens auf dem zugedeckten Auge.
aktualisiert am 11.12.2020