Doppeltsehen (Diplopie) kann unterschiedliche Gründe haben. Da schwerwiegende Störungen die Doppelbilder hervorrufen können, muss eine gründliche ärztliche Abklärung erfolgen, wenn Doppeltsehen neu auftritt. Häufig sind es jedoch auch harmlose Ursachen, die das Doppeltsehen auslösen. In den meisten Fällen kommen Doppelbilder durch die Abweichung der Achsen der beiden Augen zustande. Es gibt aber auch Doppelbilder, die von einem einzelnen Auge ausgehen (monokulare Doppelbilder), beispielsweise bei Unregelmäßigkeiten der Hornhaut. Doppelbilder können nicht nur nebeneinander liegen, sondern manchmal sind die Bilder auch übereinander versetzt. Die Behandlungsmaßnahmen beim Doppeltsehen sind verschieden, da dieses auf unterschiedliche Weise zustande kommen kann. Eine Operation kann manchmal angezeigt sein, etwa bei bestimmten Fällen von Schielen. Ansonsten können einfachere Mittel wie Medikamente oder Korrekturgläser helfen.
Beidäugiges (binokulares) Sehen erfordert ein genaues Zusammenspiel der Augen, Augenmuskeln und des Nervensystems. Die optischen Informationen aus beiden Augen müssen vom Gehirn zu einem einzelnen, räumlichen Bild zusammengesetzt werden. Umgekehrt muss das Gehirn die Augenbewegungen so koordinieren, dass die Bilder der beiden Sehorgane zusammenfallen. Ist der Vorgang an einer Stelle gestört, dann kann es dazu kommen, dass Betroffene doppelt sehen.
Dieses Doppeltsehen kann aufgrund einfacher Ursachen auftreten. Der Konsum von Alkohol kann bereits dazu führen, dass doppelt gesehen wird. Ebenso ist es bei stärkerer Müdigkeit möglich. Bei beiden Ursachen führt eine verringerte Anspannung der Augenmuskeln dazu, dass die Augäpfel zwischenzeitlich nicht in die richtige Lage gedreht werden. Das Doppeltsehen verschwindet wieder, wenn sich die Person etwas anstrengt, wacher ist oder der Alkoholeinfluss wegfällt.
Einige Krankheiten im Augenbereich oder im Gehirn können aber ebenso Doppelbilder verursachen. Beim Schielen (Strabismus) bestehen Doppelbilder. Schielen ist häufig eine angeborene Abweichung der Augenstellung. Es kann aber auch erst im Laufe des Lebens eintreten. Dafür sind Krankheiten und Störungen verantwortlich. Meist handelt es sich um Störungen, die den Muskelzug der äußeren Augenmuskeln betreffen. So gibt es Muskellähmungen oder Muskelschwäche bei einigen Erkrankungen. Nervenkrankheiten wie Multiple Sklerose, eine Polyneuropathie (z. B. wegen Diabetes) oder die Muskel-Nerven-Störung Myasthenia gravis können die Nervenfunktion beeinträchtigen und Doppelbilder bedingen. In einigen Fällen sind Nerven der Augenmuskulatur aus bestimmen anderen Gründen gelähmt (Nervus oculomotorius, Nervus trochlearis, Nervus abducens).
Zu den Ursachen der Doppelbilder gehören ebenfalls Giftstoffe oder Nebenwirkungen von Medikamenten, eine Migräne (mit Aura), Alkoholmissbrauch sowie Entzündungen (etwa Entzündung an den Augenmuskeln beziehungsweise in der Augenhöhle oder am Sehnerv). Infektionen, bei denen Doppelbilder eintreten können, sind die Hirnentzündung (Enzephalitis) und Hirnhautentzündung (Meningitis), Syphilis (Lues), Borreliose, Herpes zoster (Gürtelrose), Herpes ophthalmicus (Gürtelrose am Auge) oder Diphtherie. Ein spezieller Fall ist die Vergiftung mit Botulinumtoxin (Botulismus), das aus einer Bakterienart stammt und bei verdorbenen Lebensmitteln vorkommen kann.
Ein hervortretender Augapfel (Exophthalmus) führt in schweren Fällen zum Doppeltsehen. Außerdem können Tumore im Augenbereich oder im Gehirn zu Störungen führen, die auch Doppeltsehen beinhalten. Eine Horton-Krankheit, also die entzündliche Veränderung der Schläfenarterien (Arteriitis temporalis), kann ebenfalls zu Doppelbildern führen.
Eine schwere Ursache für ein Doppeltsehen ist der Schlaganfall, also eine beeinträchtigte Blutversorgung oder Blutung im Gehirn. Eine gestörte Durchblutung an bestimmten Stellen außerhalb des Gehirns kann ebenso dazu führen, dass Betroffene doppelt sehen.
Verletzungen können zu Beeinträchtigungen führen, die Doppelbilder nach sich ziehen können. Es handelt sich um Verletzungen, bei denen Knochen, Muskeln oder Nerven so geschädigt sind, dass die Augenstellung abweicht. Zu diesen gehören beispielsweise Schädelbasisbrüche oder die so genannte Blow-Out-Fraktur (Bruch des knöchernen Bodens der Augenhöhle).
Neben den Doppelbildern durch abweichende Seh-Achsen der beiden Augen gibt es auch Doppelbilder, die von Störungen innerhalb eines einzelnen Auges ausgehen. Diese werden monokulare Doppelbilder genannt. Die Ursachen können starke Unregelmäßigkeiten der Hornhaut sein (etwa bei Narben oder der Krankheit Keratokonus) oder Veränderungen an der Augenlinse (manche Formen der Katarakt). Auch eine Verlagerung der Linse kann zu monokularen Doppelbildern führen.
Beim Doppeltsehen sieht der Patient nicht ein zusammengesetztes Bild, sondern nimmt zwei Bilder wahr. Oft sind sie nebeneinander, sie können aber auch übereinander liegen oder zur Seite und gleichzeitig nach oben oder unten versetzt sein. Oft werden die Doppelbilder beim Blick in bestimmte Richtungen schlimmer oder besser.
Bei Augenmuskellähmungen kommt es zu jeweils charakteristischen Auswirkungen. Die Trochlearisparese (Lähmung des Nervus trochlearis) bewirkt ein höherstehendes, nach außen gerolltes und nach innen gewendetes Auge, entsprechende Doppelbilder entstehen. Bei der Abduzensparese (Lähmung des Nervus abducens) kommt es zum Schielen des Auges nach innen. Die Oculomotoriusparese (Lähmung des Nervus oculomotorius) führt üblicherweise zu einem nach unten stehenden und etwas nach außen gedrehten Auge, zusätzlich hängt oft das Oberlid (Ptosis).
Manche Patienten sehen auch auf einem einzelnen Auge zwei Bilder (oder mehr Bilder). Es handelt sich dabei um monokulare Doppelbilder. Oft geht damit eine deutliche Verschlechterung der Sehschärfe dieses Auges einher oder eine starke Verzerrung des Sehens.
Für Betroffene ist es äußerst störend, doppelt zu sehen, vor allem wenn sie vorher normal gesehen haben. Die Orientierung ist erschwert, oft stoßen Betroffene bei der Bewegung an Hindernisse oder Wände. Sie fassen oft daneben, wenn sie ein Objekt greifen wollen. Diese Schwierigkeiten gibt es besonders bei Augenmuskellähmungen, weil sie zu veränderlichen Doppelbildern führen. Betroffene fallen oft auch dadurch auf, dass sie eine Kopfzwangshaltung einnehmen, um die Doppelbilder zu reduzieren. Patienten mit Doppeltsehen klagen auch über Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Übelkeit.
Aus Doppelbildern kann die Schwachsichtigkeit (Amblyopie) eines Auges entstehen. Die Gefahr hierfür besteht praktisch nur bei Kindern bis etwa zum zehnten Lebensjahr, also meist bei angeborenem Schielen. Das Gehirn schaltet eines der beiden Seheindrücke aus, so dass Betroffene nicht mehr doppelt sehen. Dadurch sieht das eine („ausgeschaltete") Auge allerdings nach einiger Zeit bedeutend schlechter, die Sehschärfe dieses Auges kann ab einem gewissen Alter des Patienten meist nicht wieder entscheidend verbessert werden.
Bei neu aufgetretenen oder länger bestehenden Doppelbildern ist es wichtig, die möglichen Ursachen voneinander abzugrenzen (Differenzialdiagnose). Dazu ist die Anamnese (Untersuchungsgespräch zwischen Arzt und Patient) wichtig, bei der der Patient seine Symptome beschreibt und angibt, seit wann sie bestehen. Daraufhin erfolgen die eigentlichen Untersuchungen des Augenarztes. Die Grundlage bildet der Sehtest und die Betrachtung der Augen unter Vergrößerung. Dann werden spezielle Tests zu den Doppelbildern durchgeführt. Die Beweglichkeit und Koordination beider Augen in alle Richtungen wird überprüft. Mit einer Taschenlampe testet der Arzt, ob die Lichtreflexe auf der Hornhaut vom Normalbefund abweichen. Durch gezieltes Auf- und Abdecken der Augen lassen sich verschiedene Abweichungen ermitteln. Auch ein Prisma (Glas, das den Lichtstrahl abknickt) kann vor das Auge gehalten werden, um Abweichungen zu ermitteln. Eine weitere spezielle mögliche Untersuchung ist der Hess-Schirm-Test, mit dem sich die Abweichungen der Augen in unterschiedlichen Blickrichtungen beurteilen lassen.
Falls bestimmte Krankheiten als Ursache des Doppeltsehens in Frage kommen, werden diese mit weitergehenden Methoden untersucht. So können Röntgen, Gefäßdarstellung (Angiographie des Auges), Ultraschall, Computertomographie (CT) und Kernspintomographie (MRT) sinnvoll sein, ebenso wie eine Blutuntersuchung oder eine Untersuchung des Liquors (Nervenwasser, das Gehirn und Rückenmarks umgibt). Am wichtigsten ist es, Hirnerkrankungen als Ursache des Doppeltsehens auszuschließen.
Die Therapie von einem Doppeltsehen ist davon abhängig, welche Erkrankung dahinter steckt. Eine Operation ist in manchen bestimmten Fällen sinnvoll, ansonsten wird eine konservative (nichtoperative) Behandlung durchgeführt.
Beim Schielen können Prismenbrillen sinnvoll sein, bei dem der Lichteinfall an einem Auge mit einem Prismaglas verändert wird. Schielen durch eine neu aufgetretene Lähmung kann oft mit Medikamenten gebessert werden.
Eine notfallmäßige ärztliche Behandlung wird bei einem Schlaganfall sowie bei anderen schweren Erkrankungen mit Blutflussminderung notwendig. Manchmal kann eine Therapie durchgeführt werden, bei denen ein Blutgerinnsel aufgelöst wird (Lyse).
Eine Infektion mit Bakterien wird mit Antibiotika behandelt. Auch andere Entzündungen lassen sich meist mit weiteren Medikamenten behandeln. Bei Vergiftungen erfolgt eine Notfallbehandlung, unter anderem mit Gegenmitteln. Eine Vergiftung mit dem Bakteriengift Botulinumtoxin geschieht mit einer Magenspülung sowie Darmspülung und Abführmitteln und einem speziellen Gegengift. Auch ansonsten ist bei bestimmten Ursachen eine passende Therapie möglich. Diabetes als Ursache der Doppelbilder wird unter anderem durch günstige Ernährung und körperliche Bewegung sowie in vielen Fällen mit Insulin behandelt. Andere Ursachen können nicht so einfach behandelt werden, so dass oft eher abgewartet wird und nur die Doppelbilder als Symptom angegangen werden.
Eine drohende Amblyopie (Schwachsichtigkeit eines Auges, weil dessen Seheindruck unterdrückt wird) wird durch abwechselndes Abdecken behandelt. Dies wird als Okklusionsbehandlung bezeichnet. Mit der Therapie wird der Körper dazu veranlasst, dass beide Augen das Sehen nicht "verlernen".
In manchen Fällen sind bei Doppelbildern Operationen notwendig. Gravierende Verletzungen können mit einem Eingriff wieder gerichtet werden, so dass auch die Doppelbilder sich bessern. Tumore, die Doppeltsehen als Begleiterscheinung haben, werden meist mit einer Operation entfernt.
Beim Schielen mit Doppelbildern wird in manchen Fällen auch operiert. Hierbei werden die Augenmuskeln korrigiert, so dass der Muskelzug sich verändert und der Patient nicht mehr doppelt sieht.
Monokulare (nur ein Auge betreffende) Doppelbilder können teils ebenfalls mit Operationen behandelt werden wie Linsenaustausch oder Hornhauttransplantation.
Wie die Prognose aussieht, kann nicht allgemein gesagt werden und hängt von der zugrunde liegenden Störung ab. Nicht selten verschwinden die Doppelbilder wieder, oft können sie aber auch nicht wieder rückgängig gemacht werden. Einige Ursachen wie Schlaganfälle oder schwere Entzündungen können zudem noch zu weitreichenden anderen Schäden führen. Deshalb ist eine Vorstellung beim Arzt bei neu auftretendem Doppeltsehen dringend ratsam. Bei länger bestehenden Doppelbildern im Kindesalter kann es zur dauerhaften Sehverschlechterung (Amblyopie) eines Auges kommen, was durch eine gezielte Behandlung verhindert werden sollte.
aktualisiert am 26.09.2022