Infusionstherapien ermöglichen eine besonders rasche und hochdosierte Aufnahme von Vitaminen und Mineralien. Häufig eingesetzt werden B-Vitamine, Magnesium, Zink, Calcium und Glutathion. Unter ärztlicher Aufsicht sind Infusionen deutlich sicherer als sogenannte Drip Bars, da Laborwerte berücksichtigt und individuelle Ursachen abgeklärt werden. Risiken bestehen z.B. bei Nierenproblemen oder einem bestimmten Enzymmangel, weshalb eine ärztliche Anamnese und ggf. Laborkontrollen wichtig sind. NAD+-Infusionen liegen im Trend, sind aber teuer, langwierig und nicht für jeden sinnvoll. Infusionen sind eine sinnvolle Ergänzung bei chronischen Belastungen, sollten aber nicht als Ersatz für eine gesunde Ernährung oder Lebensweise verstanden werden.
Dr. Steinheim: Vitamin C ist ein echtes Multitalent. Es stärkt das Immunsystem und fördert die Kollagenbildung – nicht nur in der Haut, sondern auch in Knochen und Gefäßen. Außerdem unterstützt es die Entgiftung in der Leber, verbessert die Eisenaufnahme – was vor allem bei Eisenmangel wichtig ist – und schützt unsere Zellen vor oxidativem Stress. Das sind die wichtigsten Wirkmechanismen von Vitamin C.
Dr. Steinheim: Echten Skorbut sieht man in unseren Breiten fast gar nicht mehr. Ein kurioses Beispiel war vor Kurzem Robbie Williams, der behauptet hat, bei ihm sei Skorbut diagnostiziert worden. Er hatte während einer Abnehmphase kaum gegessen und sich GLP-1-Analoga gespritzt – also Medikamente zur Gewichtsreduktion. Das kann zu einem massiven Nährstoffmangel führen, nicht nur bei Vitamin C.
Auch wenn eine echte Unterversorgung selten ist, haben viele Menschen einen erhöhten Bedarf – etwa durch Stress, Umweltbelastung, Infekte, Rauchen oder Toxinbelastung. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt 90–100 mg täglich – das ist das absolute Minimum. In Großstädten mit starker Belastung kann man aber durchaus 500–1000 mg täglich brauchen.
Dr. Steinheim: Beides ist möglich. Typische Symptome sind Müdigkeit, Infektanfälligkeit, Zahnfleischbluten, schlechte Wundheilung – also eher unspezifische Beschwerden. Wenn jemand z.B. häufiger als zweimal im Jahr krank ist und sich nur langsam erholt, kann das ein Hinweis sein. Man kann den Vitamin-C-Spiegel auch im Blut messen – das gehört allerdings nicht zur Routine beim Hausarzt.
Dr. Steinheim: Bei einer Infusionstherapie wird ein Medikament oder Wirkstoff direkt in die Vene verabreicht. Das umgeht den Verdauungstrakt und ermöglicht eine besonders schnelle und effektive Aufnahme. Ursprünglich kommt die Infusionstherapie aus der Notfall- und Intensivmedizin – also alles andere als Wellness. Sie war und ist ein medizinisches Instrument, oft sogar lebensrettend.
In den 1970er Jahren begann der US-Arzt Dr. John Myers damit, Vitamine und Mineralstoffe zur Prävention intravenös zu verabreichen – also nicht nur bei Schwerkranken. Sein berühmter "Myers-Cocktail" enthielt Magnesium, Calcium, Vitamin C und mehrere B-Vitamine. Er beobachtete dabei positive Effekte z.B. bei chronischer Müdigkeit, Infektanfälligkeit, Migräne, Asthma und Depressionen. In den 1980er Jahren wurde das Konzept weiterentwickelt und auch wissenschaftlich dokumentiert.
Heute sind Infusionen vor allem in den USA, aber auch in Europa populär. Der Grund? Viele Menschen fühlen sich gestresst, müde und suchen schnelle, effektive Lösungen. Die Vorstellung, Vitalstoffe direkt ins Blut zu bekommen – bequem im Sessel mit Musik und einem Tee – wirkt natürlich verlockend.
Bei einer Infusionstherapie wird ein Medikament oder Wirkstoff direkt in die Vene verabreicht.
Dr. Steinheim: B-Vitamine sind unsere Nervenvitamine – sie helfen bei Stress, Erschöpfung, Konzentrationsproblemen. Magnesium entspannt die Muskeln, unterstützt bei Schlafproblemen und Migräne. Zink stärkt das Immunsystem, Calcium hilft bei Allergien durch Stabilisierung der Mastzellen. Mein persönlicher Favorit ist Glutathion – ein starkes Antioxidans, das bei Entgiftung und Zellschutz eine wichtige Rolle spielt. Auch Aminosäuren können sinnvoll sein, etwa zur Unterstützung der Leber.
Dr. Steinheim: Bei Infusionen umgeht man den Verdauungstrakt und kann wesentlich höhere Dosen direkt ins Blut geben. Gerade bei Infekten oder starker Erschöpfung kann eine hochdosierte Vitamin-C-Infusion schnell wirken und sogar einen beginnenden Infekt stoppen. Außerdem vertragen viele Menschen Vitamin C oral nicht gut – es kann zu Magenreizungen kommen, besonders wenn man reine Ascorbinsäure einnimmt. Das Problem lässt sich mit Infusionen vermeiden - da ist die Infusion eine gute Alternative.
Dr. Steinheim: Ab etwa 7,5 g Vitamin C pro Infusion spricht man von einer Hochdosis. In der Onkologie – etwa bei Patienten nach einer Chemotherapie – werden sogar 15 bis 25 g pro Sitzung eingesetzt. Das ist wissenschaftlich belegt und gut untersucht. Vitamin C wirkt dabei antioxidativ und entzündungshemmend. Es wird auch bei viralen Infekten und Sepsis eingesetzt.
Dr. Steinheim: Am häufigsten zur Stärkung des Immunsystems – bei Infekten, Allergien, Erschöpfung oder Burnout. Gerade bei Frühlingsallergien kombiniere ich es gerne mit Calcium, welches die Mastzellmembranen stabilisiert - zusammen mit Zink. Auch für die Haut – z.B. in Kombination mit Glutathion – oder zur Stressregulation ist es sehr hilfreich. Zusätzlich kann man Vitamin-D-Injektionen ergänzen.
Wichtig: Ich mische die Wirkstoffe nicht alle in einen Beutel, sondern gebe sie nacheinander. Das ist sicherer und wirksamer.
Dr. Steinheim: Bei Dosen unter 7 g ist ein Labortest meist nicht notwendig. Bei höheren Dosen sollte man aber einen bestimmten Enzymwert prüfen – die sogenannte Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase. Ist dieser Wert zu niedrig, kann es zu Nebenwirkungen kommen. Diese genetische Variante kommt häufiger bei Menschen afrikanischer oder asiatischer Herkunft vor. Grundsätzlich empfehle ich auch immer, Leber- und Nierenwerte zu kennen – damit der Körper die Stoffe gut ausscheiden kann.
In sogenannten "Drip Bars" werden meist keine Bluttests gemacht.
Bei ärztlich begleiteten Infusionstherapien ist das anders – und auch sinnvoll. Gerade bei hochdosiertem Vitamin C ist eben der gerade genannte Enzymwert wichtig, um Risiken auszuschließen. Ich mache z.B. regelmäßig Vitamin-D-Injektionen, aber nur nach Kontrolle des Spiegels. Bei Eiseninfusionen sind Blutwerte absolut notwendig – ohne Labor keine Infusion. Es gibt jedoch Infusionen mit Vitamin C, B-Vitaminen, Magnesium, Calcium, Aminosäuren oder Glutathion, die auch ohne aufwendige Diagnostik gut verträglich sind.
Dr. Steinheim: Genau. Das unterscheidet uns von der Drip Bar: Dort entscheidet der Patient selbst, was er glaubt zu brauchen. Ich entscheide anhand der Symptome und Laborwerte.
Ein Beispiel: Eine Patientin kommt wegen Haarausfall. In der Drip Bar bekommt sie dann Biotin, Vitamin C und B-Vitamine. Das hilft nur, wenn wirklich ein Biotinmangel vorliegt. Liegt die Ursache aber bei der Schilddrüse, bei Eisenmangel oder hormonellen Veränderungen, bringt diese Infusion wenig. Dann ist die Enttäuschung groß. Wir schauen uns die Ursache an – und geben gezielt das, was wirklich fehlt. Infusionen müssen zur Indikation passen.
Dr. Steinheim: Sie sollten gut trinken, damit die Venen gut zu finden sind. Die Infusion sollte nicht nüchtern gegeben werden – ein leichtes Essen vorher ist ideal. Bequeme Kleidung hilft, da man 30 bis 60 Minuten sitzt oder liegt. Sonst sind keine besonderen Vorbereitungen nötig.
Dr. Steinheim: Eine reine Vitamin-C-Infusion dauert etwa 25 Minuten. Wenn ich weitere Substanzen wie Glutathion, B-Vitamine oder Aminosäuren ergänze, kann es bis zu 60 Minuten dauern. Bei Eiseninfusionen kann es auch mal bis zu 90 Minuten dauern.
Dr. Steinheim: Für Privatversicherte kann es – bei medizinischer Indikation – erstattet werden. Bei gesetzlich Versicherten ist es eine Selbstzahlerleistung. Die Preise liegen meist zwischen 100 und 200 €, je nach Inhalt. Bei aufwendigen Therapien, z.B. NAD+ oder speziellen Mischungen, kann es auch mehr kosten. Und oft sind mehrere Sitzungen nötig – z.B. bei Infekten oder Detox vier bis fünf Infusionen im Wochenrhythmus.
Was sind klassische Indikationen, die von privaten Kassen übernommen werden?
Dr. Steinheim: Z.B. Infektanfälligkeit, chronische Erschöpfung, Polyneuropathie oder akute Krankheitsphasen. Kosmetische Anwendungen wie "Beauty-Infusionen" werden nicht übernommen – das ist wie bei Botox.
Bei gesetzlich Versicherten ist es eine Selbstzahlerleistung.
Dr. Steinheim: Ja – z.B. ein Enzymmangel (G6PD-Mangel), Nierensteine oder eine stark eingeschränkte Nierenfunktion. Als Nebenwirkung kann es gelegentlich zu einem Kratzen im Hals kommen – das ist harmlos, aber unangenehm. Dann reduziere ich die Dosis oder gebe die Infusion langsamer. Wichtig ist, nicht alles in einem Beutel zu mischen – manche Substanzen vertragen sich nicht miteinander oder wirken abgeschwächt - z.B. Zink und Calcium sollten nicht zusammen verabreicht werden.
Dr. Steinheim: Wenn die Inhalte sinnvoll gewählt sind – z.B. Zink, Vitamin C, B-Vitamine bei Allergien – dann können solche Infusionen sinnvoll sein. Namen wie "Perfect Skin" oder "Immune Boost" klingen nett, aber entscheidend ist, ob ein medizinischer Bedarf besteht. Bei "Leaky Gut" etwa reicht eine Infusion nicht. Da muss die Ernährung angepasst werden, Gluten und Milchprodukte z.B. gemieden werden. Eine Infusion kann nur ein unterstützendes Element sein.
Dr. Steinheim: Ja, ein Patient hatte seit Wochen eine chronische Bronchitis. Antibiotika halfen nicht. Ich habe ihm Vitamin C, Alpha-Liponsäure, Glutathion und Zink gegeben – in getrennten Infusionen. Er berichtete, dass er danach stark geschwitzt und lange geschlafen hat – und am nächsten Tag war der Husten weg. Das hat mich wirklich beeindruckt.
Natürlich klappt es nicht immer – manche Menschen erwarten Wunder. Eine Infusion ersetzt keine gesunde Ernährung oder ausreichend Schlaf. Ich sehe sie als Ergänzung – wie Akupunktur, Ozontherapie oder Sauna. Eine Infusion ist ein Werkzeug unter vielen.
Eine Infusion ersetzt keine gesunde Ernährung oder ausreichend Schlaf.
Dr. Steinheim: Ich verwende eine betäubende Creme und sehr feine Nadeln. Aber wenn jemand trotzdem große Angst hat – z.B. ohnmächtig wird – dann ist eine Infusion nicht geeignet. Alternativ kann man liposomales oder gepuffertes Vitamin C einnehmen. Aber: Über den Magen-Darm-Trakt erreicht man nie dieselben Blutspiegel wie mit einer Infusion.
Dr. Steinheim: Profitiert haben bei mir vor allem Menschen mit akuten oder chronischen Infekten, Allergien, Erschöpfung oder Burnout. Auch bei Eisenmangel oder wenn der Magen-Darm-Trakt gestört ist, sind Infusionen sinnvoll. Infusionen können auch beim Stoffwechsel helfen, z.B. mit Carnitin oder Alpha-Liponsäure. Aber wie gesagt: Das ist immer Teil eines Gesamtplans – Ernährung und Bewegung gehören dazu.
Abraten würde ich Schwangeren – einfach, weil es keine klaren Studien dazu gibt. Und natürlich allen, die glauben, eine Infusion sei ein Wundermittel und würde gesunden Lebensstil überflüssig machen – das ist nicht der Fall. Aber grundsätzlich sind Vitamin-C-Infusionen sehr sicher, gut verträglich – und wenn die Niere funktioniert, gibt es kaum Risiken.
Dr. Steinheim: NAD+ ist kein neues Wundermittel. Es stammt ursprünglich aus der Suchtmedizin – in den 60er Jahren wurde es bei Alkohol- und Drogenentzug eingesetzt. Heute ist es vor allem durch Promis bekannt geworden. David Sinclair, ein Forscher aus Harvard, brachte NAD+ mit Zellverjüngung und Langlebigkeit in Verbindung. Seine Studien – u. a. mit Hunden – zeigten zwar mehr Energie, aber keinen klaren Effekt auf das Altern selbst. Trotzdem behauptete er öffentlich das Gegenteil – und verkaufte eigene Produkte. Das sorgte für Kritik und er trat als Präsident einer Fachgesellschaft zurück.
NAD+ erfüllt wichtige Funktionen im Körper – etwa bei der Zellenergie. Aber: Es ist ein großes Molekül und kann nicht direkt in die Zelle gelangen. Bei Infusionen wird es zu einer Vorstufe abgebaut, die dann verwertet wird. Diese Vorstufen – wie NMN oder NR – kann man auch oral einnehmen. Sinclair nimmt selbst NMN. Studien zeigen Wirkung, aber die Infusionen haben ihre Tücken: Sie dauern lange, kosten zwischen 300 und 600 € pro Sitzung, können Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Kopfschmerzen auslösen – und sind kein Wellness-Erlebnis.
Bei Long Covid, Burnout oder neurodegenerativen Erkrankungen sehe ich einen klaren Nutzen. Für gesunde Menschen ist es eher rausgeworfenes Geld – vor allem, wenn es nur um "Anti-Aging" geht. Aminosäuren, Glutathion, Vitamin C – das alles kann Energie spürbar verbessern. Und das zu deutlich geringeren Kosten und mit weniger Nebenwirkungen.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 02.06.2025.