Das Kawasaki-Syndrom ist eine seltene Erkrankung, die nach dem japanischen Arzt Tomisaku Kawasaki benannt wurde. Sie ist die häufigste erworbene (nicht angeborene) Herzerkrankung im Kindesalter. Dabei kommt es zu Entzündungen unklarer Ursache in den kleinen und mittelgroßen Arterien des Körpers. Somit ist das Kawasaki-Syndrom eine Form von Vaskulitis (Gefäßentzündung). Es wird auch zu den rheumatischen Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen (dabei richtet sich das Immunsystem der Erkrankten gegen körpereigenes Gewebe) gezählt. Betroffen sind vor allem Kinder zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. Die Mehrzahl der Erkrankungen tritt im Alter von ein bis zwei Jahren auf. Im Erwachsenenalter ist das Kawasaki-Syndrom selten. In Deutschland kommt die Erkrankung jährlich bei circa 10 von 100.000 Kindern vor. In Japan ist die Zahl 20 Mal so hoch. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist entscheidend, damit es nicht zu schwerwiegenden Komplikationen wie Schädigungen der Herzkranzgefäße oder plötzlichem Herztod kommt.
Die Ursachen des Kawasaki-Syndroms sind bis heute unklar. Vermutet werden verschiedene Faktoren, die gemeinsam auftreten. Eine genetische Veranlagung (Prädisposition) ist einer dieser Faktoren. Ein weiterer möglicher Punkt ist der Kontakt mit verschiedenen Viren. Bei Kindern mit einer solchen Veranlagung führen die Viren zu einer Reaktion des Immunsystems, die die typischen Symptome des Kawasaki-Syndroms auslöst. Vereinzelt ist das Kawasaki-Syndrom nach einer Impfung gegen das Rotavirus aufgetreten. Auch ein Pilzgift (Mykotoxin) könnte eine Rolle spielen. Es wird über die Luft verbreitet und tritt im Bereich der Landwirtschaft auf. Es gibt außerdem Hinweise, dass eine Corona-Infektion bei Kindern Symptome des Kawasaki-Syndroms auslösen könnte.
Die betroffenen Kinder wirken krank, sind abgeschlagen und antriebslos. Die Symptome des Kawasaki-Syndroms treten nicht gleichzeitig, sondern in drei aufeinanderfolgenden und sich teilweise überschneidenden Phasen auf. Unterschieden werden die akute Phase, die subakute Phase und die Erholungsphase (auch Phase der Genesung oder Rekonvaleszenz).
Die akute Phase ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
Die hier beschriebenen Symptome zeigen das Vollbild des Kawasaki-Syndroms (komplettes Kawasaki-Syndrom). Nicht immer treten alle Symptome auf (inkomplettes Kawasaki-Syndrom). Vor allem bei Säuglingen sind oft nicht alle Anzeichen vorhanden. Das führt häufig zu einer verspäteten Diagnose und Behandlung. Wird die Erkrankung spät diagnostiziert, sind die Herzkranzgefäße oft schon durch die Entzündung geschädigt. Eine gefürchtete Komplikation sind Aussackungen (Aneurysmen) an den Herzkranzgefäßen. Es kann zum plötzlichen Herztod kommen.
Die subakute Phase dauert zwei (manchmal vier bis sechs) Wochen. Beim bis dahin unbehandelten Kawasaki-Syndrom verläuft sie wie folgt:
Wurde die Erkrankung bis zur Mitte der zweiten Woche nicht behandelt, kommt es an den Herzkranzgefäßen zu Entzündungen. Aneurysmen (Aussackungen) können sich ausbilden. Zusammen mit einem steigenden Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln (Anstieg der Thrombozytenzahl im Blut) erhöht sich das Risiko des Kindes, einen Herzinfarkt zu erleiden.
Die Phase der Erholung beginnt circa fünf bis sieben Wochen nach Einsetzen des Fiebers. Die Symptome klingen ab und die Blutwerte bewegen sich wieder in den Normbereich.
Spezielle Laborwerte, die auf ein Kawasaki-Syndrom hindeuten, gibt es nicht. Die Diagnose wird anhand verschiedener Kriterien gestellt, die sich auf die beobachtbaren Symptome und Zeichen beim Kind stützen. Bei Verdacht auf das Kawasaki-Syndrom ist eine sorgfältige Untersuchung des Herzens mittels EKG (Elektrokardiogramm) und Ultraschall wichtig, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Ein CT (Computertomografie) oder MRT (Magnetresonanztomografie) des Herzens kann ebenso wie eine Koronarangiografie (Darstellung der Herzkranzgefäße mit Kontrastmittel) in Einzelfällen sinnvoll sein. Da die Erkrankung alle Arterien betreffen kann, werden auch die anderen Organe mit untersucht. Hierzu eignet sich die Ultraschalluntersuchung. Im Blut können verschiedene Werte auf eine Entzündungsreaktion im Körper hindeuten. Hierzu zählen die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), der CRP-Wert (C-reaktives Protein) und die Anzahl der Leukozyten (weißen Blutkörperchen). Viren oder Bakterien lassen sich hingegen keine nachweisen.
In der Akutphase kann die Erkrankung Masern oder Scharlach ähneln. Weitere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen sind andere bakterielle oder virale Infekte, die juvenile rheumatische Arthritis, die Polyarteriitis nodosa, die Leptospirose, das Erythema exsudativum multiforme oder Reaktionen auf Medikamente.
Das Hauptziel der Therapie ist die frühzeitige Eindämmung der Entzündungen. Das Risiko für Komplikationen, vor allem von Schäden an den Herzkranzgefäßen, kann hierdurch vermindert werden. Entscheidend ist ein Behandlungsbeginn spätestens am zehnten Tag der Erkrankung.
Die wichtigsten Medikamente in der Akutphase und Subakutphase sind:
Weitere mögliche Medikamente sind:
Zur Bekämpfung der Gefäßentzündungen und zur Senkung des Fiebers wird in der akuten Phase hochdosierte Acetylsalicylsäure gegeben. Sie reduziert außerdem das Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln (Thrombosen) in den entzündeten Gefäßen. Diese Therapie wird in niedriger Dosierung für sechs bis acht Wochen weitergeführt, bis sich das Blutbild und die Anzahl der Thrombozyten normalisiert haben. Bei bereits gebildeten Aneurysmen (Gefäßerweiterungen) am Herzen wird Acetylsalicylsäure zeitlich unbegrenzt weiter verordnet.
Normalerweise wird die Anwendung von Acetylsalicylsäure bei Kindern vermieden, weil sie in bestimmten Fällen das sogenannte Reye-Syndrom auslösen kann. Diese sehr selten auftretende Erkrankung kann zu Leber- und Hirnschädigungen führen. Da die Folgen für das Herz beim Kawasaki-Syndrom allerdings als schwerwiegender eingeschätzt werden, wird das Risiko einer Therapie mit Acetylsalicylsäure in Kauf genommen. Um bei möglichen Komplikationen rasch reagieren zu können, erfolgt die Behandlung stationär im Krankenhaus.
Die Immunglobuline (entsprechen Antikörpern) werden in hoher Dosierung über eine Infusion (intravenös) verabreicht. Sie bekämpfen die Entzündungsreaktion in den Gefäßen und senken das Risiko für die Entstehung von Aneurysmen am Herzen. Die Infusion erfolgt optimalerweise zwischen dem siebten und zehnten Tag nach Erkrankungsbeginn. Bei Kindern, die eine Infusion mit Immunglobulinen bekommen haben, sollt in den folgenden zwölf Monaten auf eine Windpocken- oder Masernimpfung verzichtet werden. Eine regelmäßige Grippeschutzimpfung wird hingegen empfohlen.
Wenn die Therapie mit Acetylsalicylsäure in Kombination mit Immunglobulinen nicht den gewünschten Erfolg erzielt, kann über den Einsatz von Cortison nachgedacht werden. Monoklonale Antikörper wie Infliximab werden erst seit Kurzem zur Behandlung des Kawasaki-Syndroms eingesetzt, zeigen aber gute Ergebnisse. Sie können unerwünschte Reaktionen des Immunsystems unterdrücken. Somit können sie Schäden an den Blutgefäßen, die durch die Entzündung entstehen, verringern oder vermeiden.
Das Aufweiten verengter Herzkranzgefäße mit einem Ballonkatheter (Ballondilatation) scheint bei Kindern weniger erfolgversprechend zu sein als bei Erwachsenen. Gleiches gilt für die Einlage von Stents (Metallimplantaten, die die Gefäße dauerhaft offen halten). Zur Vermeidung eines Herzinfarktes kann in Einzelfällen eine Bypass-Operation am Herzen notwendig werden.
Eine Vorbeugung ist nicht möglich, da die Ursachen nicht bekannt sind. Da eine genetische Veranlagung vermutet wird, kann bei Geschwisterkindern aufmerksam auf entsprechende Symptome geachtet werden, wenn schon ein Kind am Kawasaki-Syndrom erkrankt war.
Die Prognose ist abhängig vom zeitlichen Beginn der Therapie. Sie sollte möglichst frühzeitig einsetzen. Eine Heilung ist in vielen Fällen möglich. Je länger die Entzündung an den Gefäßen besteht, desto größer ist das Risiko für Folgeschäden. Wird das Kawasaki-Syndrom nicht frühzeitig erkannt und behandelt, bleiben in circa 30 Prozent der Fälle schwerwiegende Schäden an den Herzkranzgefäßen zurück. Diese können in der Folge zu Verengungen der Herzkranzgefäße, Herzrhythmusstörungen, Blutungen durch Riss eines Aneurysmas oder Herzinfarkten und somit zum frühzeitigen Tod führen. Rechtzeitig erkannt und behandelt, ist das Sterberisiko beim Kawasaki-Syndrom gering. In der Akutphase kann es außerdem zu einer Herzbeutelentzündung (Perikarditis) oder einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis) kommen.
Die schwerwiegendsten Folgen treten in der Regel an den Herzkranzgefäßen auf. Erste Veränderungen zeigen sich schon früh im Krankheitsverlauf (nach gut einer Woche). Durch die Entzündung der Gefäße kann es zu Schwächen der Gefäßwand mit entsprechenden Aussackungen (Aneurysmen) kommen. Es gibt noch keine Therapie, die zu einer Rückbildung bestehender Aneurysmen führt. Wenn die Behandlung früh einsetzt, kann das Risiko von Aussackungen an den Herzkranzgefäßen deutlich reduziert werden. Prinzipiell kann es an allen Arterien zu Veränderungen kommen, beispielsweise auch im Bauch oder im Gehirn. Die Folgen der Gefäßentzündungen bestimmen den Verlauf der Erkrankung, die bleibenden Einschränkungen und auch die Sterblichkeit.
Die Gefahr von Gefäßverschlüssen (Thrombosen) lässt sich durch entsprechende Medikamente weitgehend beherrschen. Um auch Spätfolgen an den Herzkranzgefäßen rechtzeitig zu erkennen, sollten Menschen, die am Kawasaki-Syndrom erkrankt waren, regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen des Herzens einbestellt werden.
Bei Säuglingen ist die Diagnosestellung besonders schwierig, weil sie häufig nicht alle Symptome aufweisen. Deshalb kommt es gerade bei ihnen häufiger zu Schädigungen der Herzkranzgefäße und zur Ausbildung von Aneurysmen, weil die Therapie verzögert einsetzt. Kinder, die dauerhaft mit Acetylsalicylsäure behandelt werden müssen, haben ein erhöhtes Risiko, bei Windpocken oder einer Grippe (Influenza) am Reye-Syndrom zu erkranken.
Die möglichen Langzeitfolgen des Kawasaki-Syndroms sind schwer abzuschätzen. Herzinfarkte als Folge der Veränderungen an den Herzkranzgefäßen können nach Jahren noch auftreten.
aktualisiert am 23.06.2023