Die stille Entzündung (Silent Inflammation) ist ein schleichender Entzündungsprozess im Gesamtorganismus, der vielfach über Jahre hinweg subklinisch verläuft und als Wegbereiter für chronische Zivilisationskrankheiten (z.B. metabolisches Syndrom, kardiovaskuläre Erkrankungen, neurodegenerative Erkrankungen, Krebs) angesehen wird. Die Silent Inflammation entsteht häufig infolge einer inadäquaten Überaktivierung des Immunsystems durch exogene oder endogene Stimulatoren, wobei die auslösenden Faktoren vielfältiger Natur sein können, u.a. Endotoxinämie (Leaky-Gut-Syndrom, Parodontitis), Fehlernährung und Nährstoffüberangebot (Metabolic Inflammation, Typ-2-Diabetes), chronischer Stress oder auch altersassoziierte Veränderungen des Immunsystems (Inflammaging). Häufig sind es mehrere fehlregulierte Prozesse, die additiv das Risiko für eine schwere chronische Erkrankung signifikant erhöhen.
Dr. Sudowe: Eine akute Entzündung oder Inflammation stellt einen effektiven physiologischen Schutzmechanismus des Immunsystems dar, der vor allem bei Organ- und Gewebeverletzungen sowie bei bakteriellen Infektionen aktiviert wird. Die Entzündungsreaktion wird durch Zellen des angeborenen Immunsystems wie monozytäre Zellen (Monozyten, Makrophagen) und neutrophile Granulozyten initiiert, die als an den Grenzflächen des Körpers zur Außenwelt ansässige Fresszellen (Phagozyten) eine Wächterfunktion ausüben. Kommen diese Zellen, die in der Haut und in den Schleimhäuten ein dichtes Netzwerk bilden, mit Mikroorganismen in Kontakt, die diese physikalische Barriere überwunden haben und in den Körper eingedrungen sind, so werden sie unmittelbar aktiviert.
Die Stimulation der Phagozyten erfolgt über Rezeptoren, die definierte molekulare Strukturen auf der Oberfläche eines Pathogens erkennen und binden. Infolge der Ligation der Rezeptoren wird intrazellulär eine Signaltransduktionskaskade in Gang gesetzt, die im Zellkern letztendlich zu der Expression proentzündlicher Gene führt. Eine Folge der Stimulation der Phagozyten ist die effiziente Aufnahme und anschließende Abtötung der Keime durch die Zellen. Darüber hinaus geben die aktivierten Phagozyten eine Reihe von entzündungsfördernden Botenstoffen (Zytokine) ab, die die lokale Inflammation auslösen: die stärkere Durchblutung des betroffenen Gewebes wird gefördert und die Mobilisierung von weiteren Immunzellen aus der Blutzirkulation an den Ort der Infektion ermöglicht.
Diese können die bereits aktiven Phagozyten bei der Eliminierung der eingedrungenen Bakterien unterstützen und die anschließende Wundheilung initiieren. Der lokale Entzündungsvorgang gewährleistet also, dass weitere Immunzellen an den Infektionsort gelockt werden, um eine mögliche Invasion pathogener Keime zu unterbinden. Die freigesetzten proentzündlichen Mediatoren wie z.B. Interleukin-6 (IL-6) und Tumor-Nekrose-Faktor-Alpha (TNF-α) wirken zudem auch weit vom Ort des Infektionsgeschehens entfernt, indem sie beispielsweise Fieber hervorrufen, im Knochenmark die Differenzierung von pluripotenten Stammzellen in Immunzellen fördern und den Stoffwechsel beschleunigen.
Neben den örtlichen Entzündungssymptomen führt die energieverbrauchende Mobilisierung des Immunsystems daher häufig auch zu allgemeinen Beschwerden wie Erschöpfung und Abgeschlagenheit oder grippeähnlichen Symptomen wie Muskel- und Gliederschmerzen. Die Auslösung einer Inflammation ist für das Immunsystem ein zweischneidiges Schwert: Einerseits hat eine hinreichende Entzündungsreaktion insbesondere im Rahmen der Bekämpfung von Bakterieninfektionen eine essenzielle Schutzfunktion. So leiden Patienten mit einer diesbezüglichen Immunschwäche häufig an schweren, wiederkehrenden Infektionen. Andererseits kann bei inadäquater Aktivierung der Immunzellen auch eine niedriggradige Entzündung pathologisch werden und Schaden anrichten, wenn sie nicht mehr der Kontrolle des Immunsystems unterliegt und dauerhaft wird. Man spricht in solchen Fällen häufig von einer stillen Entzündung (Silent Inflammation).
Dr. Sudowe: Die niedriggradige, aber permanente Stimulation des Immunsystems als Ursache der chronischen Silent Inflammation resultiert vielfach in einem subklinischen Entzündungsverlauf und zeichnet sich in der Regel nicht durch die klassischen Anzeichen einer akuten Entzündung wie Rötungen, Schwellungen oder Fieber aus. Die Leitsymptome einer stillen Entzündung sind eher diffuse und unspezifische Beschwerden wie Erschöpfung, Kopfschmerzen oder Kreislaufstörungen, die durch das anhaltend aktivierte Immunsystem hervorgerufen werden.
Eine weitere schwerwiegende Konsequenz der dauerhaften Stimulation von Immunzellen stellt der daraus resultierende oxidative und/oder nitrosative Stress dar, der häufig eine Mitochondriendysfunktion und damit assoziiert eine Schwächung des Energiestoffwechsels zur Folge hat. Diese Störung kann sich symptomatisch in Form von Fatigue, Leistungsabfall, Depressionen sowie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen äußern. Aufgrund der fehlenden offensichtlichen Anzeichen wird eine stille Entzündung oft nicht als solche bemerkt und bleibt unbehandelt.
Als Konsequenz der dauerhaften Belastung des Organismus ist das Risiko für das Erleiden einer schweren chronisch-entzündlichen Erkrankung (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall, Typ 2-Diabetes, Alzheimer, Depression etc.) allerdings signifikant erhöht. Zudem kann die permanente Beanspruchung und Schwächung des Immunsystems eine Beeinträchtigung der Immunabwehr gegen pathogene Mikroorganismen nach sich ziehen.
Die Leitsymptome einer stillen Entzündung sind eher diffuse und unspezifische Beschwerden wie Erschöpfung, Kopfschmerzen oder Kreislaufstörungen, die durch das anhaltend aktivierte Immunsystem hervorgerufen werden.
Dr. Sudowe: In den letzten Jahren haben die Erkenntnisse über die zentrale Bedeutung subklinischer Entzündungsverläufe für die Pathogenese chronischer Krankheiten immer mehr an Bedeutung gewonnen. Neben dem Seneszenzprozess des Immunsystems, der mit fortschreitenden Lebensalter unter anderem eine erhöhte Entzündungsneigung des Immunsystems zur Folge hat (Inflammaging), sind die Faktoren, die eine Silent Inflammation auslösen können, vielfältiger Natur.
Die häufigste Ursache für eine stille Entzündung in der heutigen Konsumgesellschaft ist eine inadäquate, einseitige Ernährung mit einem exzessiven Nährstoffangebot, die einen als Metabolic Inflammation bezeichneten Entzündungsprozess im viszeralen Fettgewebe hervorruft. Zudem beeinflusst die Ernährung das natürliche intestinale Mikrobiom, das unter homöostatischen Bedingungen ein stabiles Ökosystem bildet.
Ernährungsbedingte Veränderungen der Balance der natürlichen Darmflora (Dysbiosis) können zu einer Störung der Integrität der intestinalen Mukosa und damit zu einer gesteigerten Darmpermeabiltät führen (Leaky Gut-Syndrom), was eine Zunahme des Übertritts von immunologisch aktiven Molekülen aus dem Darm in das Blut (z.B. Endotoxinämie) und damit eine erhöhte Verfügbarkeit dieser Moleküle im Organismus zur Folge haben kann. Latente chronische bakterielle (z.B. Parodontitis) oder virale (Eppstein-Barr-, Herpes-, Zytomegalievirus) Infektionen tragen aufgrund der dauerhaften Aktivierung des Immunsystems zur Silent Inflammation bei.
Der moderne Mensch wird darüber hinaus in zunehmendem Maße mit Zivilisationsfaktoren konfrontiert, die in ihrer Vielzahl für den Organismus neu sind und die stimulierend auf die Immunzellen wirken, wie z.B. Umweltschadstoffe, Allergene, Flug-/Verkehrslärm, Belastung mit Mikroplastik, etc.. Vielfach sind es somit mehrere immunologische Dysregulationen, die im Rahmen einer stillen Entzündung additiv wirken.
Dr. Sudowe: Chronischer Stress, der dauerhaft zur Freisetzung des Glukokortikoids Cortisol führt, ist ein weiterer möglicher Faktor für die Entstehung oder Begünstigung einer Silent Inflammation. Besteht die stressinduzierte Ausschüttung des Cortisols lediglich transient, so wirkt das Hormon inhibitorisch auf die Aktivierung von Immunzellen und hat somit antiinflammatorische Eigenschaften. Bei lang anhaltenden Stresszuständen und einer dadurch bedingt fortwährenden Cortisol-Produktion kann jedoch die Sensitivität der Glukokortikoid-Rezeptoren auf den Zielzellen stark abnehmen. In der Folge können negative Feedback-Mechanismen in Gang gesetzt werden, die letztendlich bewirken, dass die Cortisolausschüttung stark herabgesetzt wird und die entzündungshemmende Wirkung des Stresshormons in diesen Situationen nicht mehr hinreichend ist.
Um Stress effektiv zu reduzieren und damit stille Entzündungen zu vermeiden, sollten verschiedene bewährte Methoden angewandt und praktisch in den Alltag integriert werden: regelmäßige Bewegung und körperliche Aktivität (z.B. Yoga, Spaziergänge), Anwendung von Entspannungstechniken (z.B. Atemtechniken, Meditation), ausreichend Schlaf, sowie nachhaltiges Zeitmanagement.
Chronischer Stress...ist ein weiterer möglicher Faktor für die Entstehung oder Begünstigung einer Silent Inflammation.
Dr. Sudowe: Für die Diagnose einer Silent Inflammation sind klassische Laborparameter nur bedingt aussagekräftig. Die eindeutigste Diagnostik für akute und chronische Entzündungszustände bietet die direkte Bestimmung der Schlüsselzytokine TNF-α und IL-6 im Blut. Aufgrund der geringen Stabilität der Proteine sollte eine geeignete Serumprobe allerdings sofort prozessiert und durchgängig gekühlt (4°C) oder tiefgefroren (bestenfalls -20°C) gelagert und transportiert werden.
Die quantitative Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP) im Serum stellt aufgrund der Stabilität des Proteins eine Laboranalyse dar, die zur Diagnose akuter bakterieller Infektionen, aber auch von Gewebeschäden, Autoimmunerkrankungen oder systemischen Entzündungen unbekannter Genese geeignet ist. Besteht eine Silent Inflammation mit charakteristisch geringgradiger Entzündung, ist die CRP-Konzentration im Serum meist nur moderat auffällig: Es empfiehlt sich daher die wiederholte Durchführung einer Verlaufskontrolle im Abstand mehrerer Tage.
Liegen die Messwerte für das CRP über einen längeren Zeitraum nur mäßig erhöht bzw. noch innerhalb des oberen Normbereiches vor, deutet dies auf eine schwelende Entzündung im Sinne einer Silent Inflammation hin. Es sollte daher darauf geachtet werden, dass die Bestimmung des CRP mit einer hohen Nachweisempfindlichkeit auch im unteren Messbereich (hochsensitives CRP) durchgeführt wird.
Als sinnvolle Ergänzung der Entzündungsdiagnostik kann die Messung der Calprotectin-Konzentration im Serum in Betracht gezogen werden. Die Freisetzung von Calprotectin (S100A8/A9) aus phagozytierenden Zellen des Immunsystems signalisiert dem Organismus eine endogene Störung des immunologischen Gleichgewichtes. Die Bestimmung der Calprotectin-Konzentration im Serum stellt eine valide Ergänzung bzw. Alternative zu den herkömmlichen Laborparametern zur Bewertung bestehenden inflammatorischer Prozesse einschließlich einer subklinischen Entzündungsaktivität im Sinne einer Silent Inflammation dar.
Dr. Sudowe: Arteriosklerose, die chronisch-entzündlichen Veränderungen der Arterien, die systemisch zu Ablagerungen (Plaques) an oder in den Gefäßwänden und nachfolgend zur Degeneration der Arterienwände führt, stellt die pathologische Grundlage für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall dar.
Die Adipositas (Fettleibigkeit) und das metabolische Syndrom wurden im Kontext der Silent Inflammation als signifikante Risikofaktoren für Arteriosklerose identifiziert. Das als Metaflammation bezeichnete Entzündungsgeschehen im viszeralen Fettgewebe entsteht häufig im Verlauf der für ein metabolisches Syndrom typischen Adipositas aufgrund der Aktivierung der Fettzellen (Adipozyten) sowie der im Fettgewebe ansässigen Immunzellen. Die Metaflammation wird durch ein exzessives Nährstoffangebot in Folge von Über- oder Falschernährung und/oder die Anreicherung des Bakterienmetaboliten Endotoxin im Blut (Endotoxinämie) ausgelöst. Die während des Entzündungsprozesses im Fettgewebe produzierten Mediatoren (Zytokine, Adipokine) sowie die durch die Adipozyten freigesetzten Fettsäuren fördern den Umbau der Arterienwand und die Bildung arteriosklerotischer Läsionen, die zur Gefäßverengung und letztendlich zur Unterversorgung des betreffenden Organs/Gewebes mit Sauerstoff führen kann.
Die Entstehung von Typ-2-Diabetets ist ebenfalls eng mit dem metabolischen Syndrom und der damit assoziierten Metaflammation verbunden. Bei fortwährender Stimulation der Adipozyten und der eingewanderten Immunzellen in das Fettgewebe bewirken die gebildeten Entzündungsmediatoren, dass die Insulinrezeptoren der Fettzellen ihre Fähigkeit verlieren, auf Insulin zu reagieren – es entwickelt sich somit ein Typ-2-Diabetes.
Die Entstehung von Typ-2-Diabetets ist ebenfalls eng mit dem metabolischen Syndrom und der damit assoziierten Metaflammation verbunden.
Dr. Sudowe: Der Gastrointestinaltrakt beherbergt natürlicherweise eine permanente Mikroflora aus Gram-positiven und Gram-negativen Bakterien, die ein stabiles Ökosystem bilden (Mikrobiom). Häufiger Auslöser einer stillen Entzündung ist eine anhaltende Belastung des Organismus mit Lipopolysaccharid (LPS), einem hitzestabilen Bestandteil der äußeren Membran Gram-negativer Bakterien. Die Interaktion des auch als Endotoxin bezeichneten LPS mit spezifischen Rezeptoren auf der Zelloberfläche von Phagozyten aktiviert die Immunzellen.
Unter physiologischen Bedingungen stellt die intakte Darmwand eine effektive Barriere gegen den Übertritt von Endotoxin aus dem Darmlumen ins Blut dar. Geringe LPS-Mengen, die in die Blutzirkulation übertreten, haben in der Regel keinen Einfluss auf die Konstitution des Gesamtorganismus, da die biologische Aktivität des Endotoxins durch Komplexierung mit spezifischen Plasmaproteinen weitgehend neutralisiert wird. Im Anschluss wird das gebundene LPS zur Leber transportiert, wo es metabolisiert und dann über Galle und Darm ausgeschieden wird.
Eine über die Entgiftungskapazität der Leber hinausgehende Anreicherung von freiem Endotoxin im Blut (Endotoxinämie) aufgrund einer Veränderung der Balance der natürlichen Darmflora zu Gunsten Gram-negativer Bakterien (Dysbiosis) oder einer Störung der Integrität der intestinalen Mukosa, die zu einer gesteigerten Darmpermeabiltät führt (Leaky Gut-Syndrom), hat jedoch weitreichende pathologische Konsequenzen. Folgen der Zunahme der Translokation von Endotoxin in die Zirkulation und damit einer erhöhten Verfügbarkeit von immunologisch aktivem LPS im Organismus sind beispielsweise die genannten chronischen Erkrankungen wie z.B. kardiovaskuläre Komplikationen oder Typ-2-Diabetes.
Insbesondere nach fettreichen Mahlzeiten kann es zu einer verstärkten Aufnahme von Endotoxin kommen, weil das lipophile LPS an die bei der Verdauung der Lipide entstehenden Fetttröpfchen (Chylomikronen) adsorbiert und auf diese Weise über die Zellen der Darmschleimhaut aufgenommen und ins Blut transportiert wird. Die Bestimmung des Endotoxin-Gehaltes im Serum kann daher als prädiktiver Parameter zur Beurteilung des Entzündungsstatus eines Patienten im Sinne einer Silent Inflammation sowie zur Abschätzung des Risikos für die Entwicklung einer chronisch-entzündlichen Erkrankung aufgrund einer Belastung durch bakterielle Translokation herangezogen werden.
Dr. Sudowe: Stille Entzündungen können sowohl Vorläufer als auch Begleiterscheinung von Autoimmunerkrankungen sein. Der physiologische Mechanismus, der dafür sorgt, dass die Abwehrkräfte des Immunsystems sich nicht gegen den eigenen Organismus richten und körpereigene Zellen und Gewebe zerstört werden, wird als immunologische Toleranz bezeichnet. Im Rahmen der zentralen Toleranz werden selbstreaktive Immunzellen bereits im Verlauf ihrer Entwicklung im Knochenmark (B-Lymphozyten) und im Thymus (T-Lymphozyten) weitestgehend eliminiert.
Gelangen jedoch einige wenige potenziell autoreaktive Lymphozyten ins Blut und in die Peripherie, so sorgen regulatorische T-Lymphozyten aktiv dafür, dass diese Zellen nicht aktiviert werden können und mögliche Autoimmunreaktionen somit unterbleiben (periphere Toleranzinduktion). Die Differenzierung und Funktionalität der regulatorischen T-Zellen ist abhängig von einem antiinflammatorischen Mikromillieu. Entzündungsreaktionen durchbrechen den Prozess der Toleranzinduktion, sodass bei chronischen Verläufen die Bildung von Autoantikörpern durch autoreaktive B-Lymphozyten ermöglicht wird und autoreaktive T-Lymphozyten Zellen und Organe schädigen können.
Auf diese Weise kann die chronische Aktivierung des Immunsystems, die für die Silent Inflammation charakteristisch ist, zur Entwicklung oder Verschlimmerung von Autoimmunkrankheiten wie Rheumatoider Arthritis (RA), Hashimoto-Thyreoiditis, Multipler Sklerose (MS) oder dem systemischen Lupus erythematodes (SLE) beitragen. Die Autoimmunreaktionen wiederum sind in der Regel auch mit der kontinuierlichen Bildung von proinflammatorischen Zytokinen und chronisch-entzündlichen Prozessen assoziiert, sodass diese Erkrankungen selbst auch ihren Beitrag zur stillen Entzündung leisten.
Stille Entzündungen können sowohl Vorläufer als auch Begleiterscheinung von Autoimmunerkrankungen sein.
Dr. Sudowe: Bestehen Hinweise auf eine Silent Inflammation, steht eine geeignete antiinflammatorische Therapie zur Entlastung des Immunsystems und zur Prävention von Folgeerkrankungen im Vordergrund. Neben teuren Biologika wie den TNF-α-Blockern stehen dafür medikamentös aktuell in der Praxis nur die bekannten antientzündlichen Glukokortikoid-Wirkstoffe oder nichtsteroidale Antirheumatika zur Verfügung, jedoch ist eine längerfristige Einnahme derartiger Präparate aufgrund möglicher Nebenwirkungen problematisch.
Für eine Modulation der Entzündungsreaktion kann daher die Anwendung von nebenwirkungsärmeren Wirkstoffen im Rahmen einer komplementären antiinflammatorischen Therapie in Betracht gezogen werden. Es stehen hierfür einige Phytopharmaka oder Nahrungsergänzungsmittel mit antientzündlichen Eigenschaften zur Verfügung. Zu den potentiellen Kandidaten, die in Studien eine verminderte TNF-α-Freisetzung bewirkt haben, zählen u.a. auch Weihrauchharze wie Boswellia oder Boscari, Curcumin, Resveratrol oder Flavonoide wie Quercetin.
Um ein geeignetes Präparat für solch eine angestrebte antientzündliche Therapie auf Grundlage der individuellen Wirksamkeit auszuwählen, empfiehlt sich aus labordiagnostischer Sicht eine Vortestung im TNF-α-Hemmtest. In diesem Zellfunktionstest wird in vitro individuell das Ausmaß der Hemmwirkung ausgewählter Präparate auf die LPS-stimulierte TNF-α-Freisetzung durch Monozyten aus einer Blutprobe der Testperson untersucht. Die jeweilige antiinflammatorische Effektivität der Präparate wird anhand des Vergleichs mit der Hemmwirkung, die wiederum individuell für ein Glukokortikoid (Prednisolon) ermittelt wird, evaluiert.
Dr. Sudowe: Eine ausgewogene, zuckerarme und vollwertige Ernährung ist eines der einfachsten und wirkungsvollsten Mittel, dem Prozess der Silent Inflammation vorzubeugen. Die Reduzierung des Verzehrs von Fleisch und industriell verarbeiteten Lebensmitteln, eine nährstoffreiche Ernährung sowie die Versorgung des Organismus mit entzündungshemmenden Substanzen und Vitalstoffen sorgen dafür, dass sich die schädigenden chronischen Entzündungsprozesse minimieren. Relevante Lebensmittel, die diesbezüglich in den Speiseplan aufgenommen werden sollten, sind u.a. Gemüse (Brokkoli, Zwiebeln, Lauch, Rote Beete), Obst (Beeren, Ananas, Papaya, Zitrusfrüchte) sowie Kräuter und Gewürze (Kurkuma, Ingwer, Thymian, Majoran, Schwarzkümmel).
Die antientzündliche Wirkung der Lebensmittel beruht hauptsächlich auf ihrem hohen Gehalt an Antioxidantien, sekundären Pflanzenstoffen und entzündungshemmenden Enzymen. Fettreicher Fisch (z.B. Lachs, Thunfisch) und bestimmte pflanzliche Öle (Raps, Oliven, Leinsamen), wie sie häufig in der mediterranen Küche verwendet werden, sind reich an Omega-3-Fettsäuren, die ebenfalls nachweislich entzündungshemmend wirken.
Neben der Ernährungsumstellung reduzieren weitere konsequent umgesetzte Lebensstilveränderungen das Risiko für das (Wieder)Auftreten stiller Entzündungen: regelmäßige Bewegung und sportliche Aktivität, Stressreduktion und Entspannung im Alltag, gute Schlafhygiene und ausreichend Erholung, Gewichtskontrolle sowie der Verzicht auf Konsum von Suchtmitteln wie Alkohol und Nikotin. Als mögliche antientzündliche Maßnahme kann Intervallfasten erwogen werden. Zudem sollte auf eine gesunde Darmflora geachtet werden, gegebenenfalls durch eine gezielte Darmsanierung unter Anwendung von Prä- und Probiotika.
Eine ausgewogene, zuckerarme und vollwertige Ernährung ist eines der einfachsten und wirkungsvollsten Mittel, dem Prozess der Silent Inflammation vorzubeugen.
Dr. Sudowe: Die Dauer, um stille Entzündungen durch Lebensstiländerungen zu reduzieren, variiert individuell und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Generell kann man jedoch damit rechnen, dass Effekte wie verbessertes allgemeines Wohlbefinden, erhöhte Energie und reduzierte Müdigkeit sowie eine leichte Gewichtsabnahme bereits kurzfristig nach wenigen Wochen spürbar sind. Nach wenigen Monaten können eine deutliche Reduktion von Entzündungsmarkern im Blut sowie eine merkliche Verbesserung chronischer Beschwerden auftreten. Für eine nachhaltige Reduktion stiller Entzündungen und deren Auswirkungen wie z.B. Normalisierung von Blutwerten und Entzündungsmarkern, deutliche Verbesserung chronischer Erkrankungen, nachhaltiger Gewichtsverlust und Stabilisierung des Stoffwechsels sollte man langfristig einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten einplanen.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Bekämpfung stiller Entzündungen ein kontinuierlicher Prozess ist. Die Aufrechterhaltung eines gesunden Lebensstils ist entscheidend, um langfristig von den positiven Effekten zu profitieren und ein Wiederaufflammen der Entzündungen zu verhindern.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 14.02.2025.