Bioidentische Hormone sind in Struktur und Wirkung mit den körpereigenen Hormonenidentisch und werden daher vom Körper besser erkanntundverwertet als synthetische Alternativen. Insbesondere in den Wechseljahren kann eine individuell abgestimmte Hormontherapie helfen, Beschwerden wie Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und Osteoporose vorzubeugen oder zu lindern. Die frühere Annahme, dass Hormonersatztherapien das Brustkrebsrisiko erhöhen, ist veraltet. Während neuere Forschungen zeigen, dass bioidentische Hormone bei richtiger Anwendung sogar eine schützende Wirkung haben können.
Dr. Krug: Während meines Medizinstudiums wurde ich mit dem Thema Hormone konfrontiert - und es war ein Alptraum für mich. Es war so komplex…Ich habe versucht, dem Thema so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Später als Ärztin ging es mir nicht anders. In der Klinik hatte ich kaum Berührungspunkte damit. Sobald hormonelle Themen auftauchten, habe ich die Patienten weitergeschickt - zum Gynäkologen oder Endokrinologen.
Später habe ich in meiner naturheilkundlichen Praxis Verfahren angewandt, bei denen ich beobachten konnte, dass unter der klassischen Hormonersatztherapie und der Pille bestimmte Reaktionsmuster des Körpers einfach "platt" waren - er konnte nicht mehr richtig reagieren. Das hat mich so erschreckt, dass ich Hormone für mich tabuisiert habe. Ich habe mich aktiv dagegen gewehrt, mich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Und genau das, was ich gemacht habe, machen viele. Es ist weit verbreitet, sich vor Hormonen zu drücken, wo es nur geht. Und es funktioniert erstaunlich gut - sowohl in der Ausbildung zum Allgemeinmediziner als auch zum Gynäkologen. Dort vielleicht noch besser.
Denn die gynäkologische Facharztausbildung ist in erster Linie eine chirurgische Ausbildung. Man arbeitet seinen OP-Katalog ab und kann den Facharzt für Gynäkologie machen, ohne sich ernsthaft mit Hormonen beschäftigen zu müssen. Hormone gehören zwar zu den Lehrinhalten, spielen aber in der Facharztausbildung kaum eine Rolle. Ähnlich sieht es bei den Urologen aus: Auch sie sind in erster Linie Chirurgen. Der Urologe meines Mannes hat mir einmal gesagt: "Von Hormonen habe ich keine Ahnung. Ich schicke alle meine Männer weg."
Das Problem ist: Der Bedarf an fundiertem Hormonwissen ist riesig. Ich habe recherchiert: In ganz Deutschland gibt es derzeit nur 739 Endokrinologen. Wie viele davon niedergelassen sind, ist unklar. Und viele von ihnen sind hoch spezialisiert - zum Beispiel auf Diabetes oder Osteoporose. Und dann kommt eine Frau in die Wechseljahre, hat Beschwerden und findet keine richtige Anlaufstelle. Denn für den klassischen Endokrinologen ist sie "nicht krank genug", aber auch beim Gynäkologen ist sie oft nicht gut aufgehoben. Natürlich gehen viele Frauen davon aus, dass sich ihr Frauenarzt mit Hormonen auskennt. Das muss er aber nicht - zumindest nicht aufgrund seiner Facharztausbildung. Nur gynäkologische Endokrinologen haben dieses Wissen wirklich. Und die sind noch seltener. In unserem System klafft eine riesige Lücke. Und sie betrifft Millionen von Menschen.
Dr. Krug: Ich glaube, viele Menschen wissen gar nicht, was bei einer Frau in dieser Lebensphase passiert. Die Menopause ist der Zeitpunkt, an dem die Regelblutung endgültig aufhört. Die Prämenopause hingegen ist zwar vielen bekannt, wird aber oft nicht bewusst wahrgenommen. Typischerweise beginnt diese Phase mit vermehrten Hitzewallungen und schlechterem Schlaf. Im Durchschnitt tritt die Menopause mit etwa 50 Jahren ein.
Frauen in ihren späten 30ern oder 40ern kommen zu mir und berichten von Veränderungen. Sie fragen sich, ob sie schon in den Wechseljahren sind. Was sie erleben, sind die typischen Symptome der Prämenopause, also der Übergangsphase vor den Wechseljahren. Diese unterscheidet sich deutlich von den Wechseljahren selbst. Ein häufiges Phänomen in dieser Phase ist das prämenstruelle Syndrom (PMS), ein Beschwerdekomplex, den fast alle Frauen - und wie ich inzwischen weiß, auch viele Männer - kennen. Während das prämenstruelle Syndrom früher vielleicht nur ein oder zwei Tage vor der Menstruation auftrat, verlängert es sich in der Prämenopause oft auf drei, vier oder sogar sieben Tage. In schweren Fällen kann es die gesamte zweite Zyklushälfte betreffen. Beschwerden wie Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Angst- und Panikattacken nehmen zu. Viele Frauen berichten auch von Brustspannen, Blähbauch, Verdauungsproblemen wie Durchfall oder Verstopfung - kurz gesagt: Sie spüren, dass sich ihr Körper verändert.
Diese Veränderungen treten immer häufiger auf, sodass sich viele Frauen unsicher fühlen und ärztlichen Rat suchen. In den meisten Fällen kann ich sie beruhigen. Die entscheidende Frage ist: Ist die Menstruation noch regelmäßig? Wenn eine Frau noch etwa 12 Mal im Jahr ihre Periode hat - auch wenn der Zyklus vielleicht schon unregelmäßiger wird - dann ist sie noch nicht in den Wechseljahren. Die Prämenopause ist durch eine hormonelle Umstellung gekennzeichnet, jedoch nicht durch den für die Menopause typischen Östrogenverlust. Vielmehr verliert die Frau in dieser Phase zunehmend das Gelbkörperhormon Progesteron.
Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass es diese Übergangsphase überhaupt gibt, denn viele Menschen sind sich dessen gar nicht bewusst. Und wenn dann die Wechseljahre kommen, sind die Veränderungen noch einmal anders - oft ausgeprägter und auf einer anderen Ebene. Die Prämenopause kann bis zu 15 Jahre dauern. Bezogen auf die Lebensspanne bedeutet dies, dass bei Frauen bereits ab ca. 35 Jahren erste Veränderungen sichtbar werden können. Diese sind vor allem auf einen Mangel an Progesteron zurückzuführen.
Im Durchschnitt tritt die Menopause mit etwa 50 Jahren ein.
Dr. Krug: Um das 50. Lebensjahr herum passiert dann folgendes: Die Eierstöcke sind erschöpft. Frauen kommen mit einer bestimmten Anzahl von Eibläschen zur Welt - diese wurden bereits im Fötus gebildet. Im Laufe des Lebens, vor allem mit jedem Menstruationszyklus, nimmt ihre Zahl ab. Irgendwann gibt es keine Follikel mehr.
Diese Follikel sind jedoch für die Produktion von Östradiol, dem Östrogen der Eierstöcke, unerlässlich. Wenn keine Eizellen mehr vorhanden sind, wird auch kein Östradiol mehr produziert. Dadurch kann sich die Gebärmutterschleimhaut nicht mehr aufbauen, und da diese das Menstruationsblut bildet, bleibt die Regelblutung schließlich aus. Das Ausbleiben der Blutung ist aber nur das sichtbarste Zeichen - die Auswirkungen des Östradiolmangels gehen weit darüber hinaus.
Viele Frauen berichten in dieser Phase von Hitzewallungen, Schlafstörungen, Reizbarkeit oder Stimmungsschwankungen. Auch heiße Hände und Füße sind häufig. Doch die Veränderungen gehen tiefer. Ein großes Problem ist das sogenannte klimakterische Syndrom, das unter anderem zu depressiven Verstimmungen führt. Bereits in den 1960er Jahren wurde Estradiol in den USA als bahnbrechende Behandlung von Depressionen in den Wechseljahren eingesetzt. Östrogen wird oft als "Sexualhormon" bezeichnet, was aber viel zu kurz greift. Ich vermeide diesen Begriff bewusst, weil Östrogen viel mehr Funktionen hat - vor allem im Gehirn. Für mich ist es ein echtes "Neurohormon". Fehlt es, kann das zu Antriebslosigkeit und erhöhter Depressionsneigung führen.
Mit Hitzewallungen und Schlafstörungen kommen viele Frauen noch klar. Doch wirklich belastend sind die weiteren Folgen: Herzrasen, verminderte Belastbarkeit, starke emotionale Reaktionen bis hin zu plötzlichem Weinen. Besonders einschneidend kann auch der Verlust kognitiver Fähigkeiten sein - viele Frauen berichten, dass es ihnen schwerer fällt, klar zu denken oder sich zu konzentrieren. Dies wirkt sich letztlich massiv auf die Lebensqualität aus.
Dr. Krug: Der Unterschied zwischen Frauen und Männern besteht darin, dass Frauen in den Wechseljahren ein Organ verlieren - die Eierstöcke. Das darf man nicht vergessen! Beim Mann hingegen bleibt die Spermienproduktion bis ins hohe Alter erhalten, ebenso die Testosteronproduktion - wenn auch in abnehmender Menge.
Der wesentliche Unterschied ist, dass dieser Rückgang beim Mann meist ein langsamer, linearer Prozess ist. An alles, was langsam geschieht, kann sich der Körper gut anpassen. Unser Organismus ist so anpassungsfähig, dass wir langsame Veränderungen meist symptomlos hinnehmen. Erst wenn etwas abrupt geschieht, treten spürbare Symptome auf. Deshalb ist es bei Männern schwieriger, einen Testosteronmangel frühzeitig zu erkennen. Es gibt eine Schwelle, unterhalb derer Symptome im Allgemeinen auftreten. Mit zunehmendem Alter nimmt der Testosteronspiegel kontinuierlich ab, und erst wenn dieser kritische Wert unterschritten wird, macht sich der Mangel bemerkbar. Typische Anzeichen sind vor allem sexueller Natur:
Viele Männer sprechen nicht gerne darüber, deshalb ist die Dunkelziffer hoch. Doch das Thema rückt immer mehr in den Fokus und Männer trauen sich eher, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen - auch bei einer Ärztin. Anders als bei der Frau, ist es beim Mann vor allem ein Hormon - das Testosteron -, dessen Mangel sich bemerkbar macht. Dieser physiologische Rückgang beginnt in der Regel erst zwischen dem 60. und 70. Er kann aber durch bestimmte Faktoren beschleunigt werden. Wenn ein 45-jähriger Mann in meine Praxis kommt und über nachlassende Leistungsfähigkeit klagt, frage ich genau nach:
Zeigt er deutliche Anzeichen eines Testosteronmangels (Hypogonadismus), sind meist zwei Faktoren im Spiel: der natürliche Alterungsprozess und ein beschleunigender Einfluss. Zwei Hauptursachen für einen vorzeitigen Testosteronabfall sind:
Als Arzt muss ich also unterscheiden: Handelt es sich um einen normalen, altersbedingten Abfall? Oder liegt eine zusätzliche Erkrankung vor, die das Problem verschärft? Entspannung und stressfreie Phasen tragen entscheidend zur allgemeinen Leistungsfähigkeit bei - körperlich, geistig und sexuell. Das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Solange sich Belastung und Erholung abwechseln, funktioniert unser Körper auf allen Ebenen. Problematisch wird es erst, wenn die Belastung über einen längeren Zeitraum anhält und die Erholungsphasen ausbleiben. Dann kommt es zu einem dauerhaften Leistungsabfall - auch im sexuellen Bereich.
Mit zunehmendem Alter nimmt der Testosteronspiegel kontinuierlich ab...
Dr. Krug: Das ist sehr unterschiedlich. Wenn wir uns jetzt erst einmal auf den Mann konzentrieren: Ich habe gesagt, es gibt drei Geschlechtsmerkmale, an denen man Veränderungen erkennen kann. Was aber oft viel früher auffällt, ist ein allgemeiner Vitalitätsverlust. Typische Aussagen, die wir als Hausärzte oder Urologen hören, sind: "Ich bin nicht mehr leistungsfähig.", "Ich fühle mich nicht mehr fit.", "Ich bin nicht mehr vital." oder "Ich funktioniere nur noch."
Diese Beschwerden führen schließlich zum Arztbesuch. Man kann darüber streiten, ob das schon eine Gesundheitsstörung ist - für mich ist es auf jeden Fall ein erstes Anzeichen. Vitalitätsverlust und abnehmende Belastbarkeit sind für mich medizinische Beschwerden. Viele Patienten kommen mit sogenannten Befindlichkeitsstörungen, die von der Schulmedizin nicht immer ernst genommen werden. Ich schaue mir aber genau an, was dahintersteckt und wie man eingreifen kann, bevor sich eine manifeste Krankheit entwickelt.
Für mich ist das also mehr als eine Befindlichkeitsstörung - es ist eigentlich schon ein Krankheitszeichen. Das Problem ist, dass es dafür keine eindeutige medizinische Diagnose gibt. Wenn diese Beschwerden beim Mann auftreten, ist es meine Aufgabe, die Ursache herauszufinden und zu behandeln. Wenn es sich um ein Stoffwechselproblem handelt, gibt es oft ein Phänomen: Eine Erektionsstörung kann bis zu fünf Jahre vor einem Herzinfarkt auftreten. Sie kann ein Warnzeichen für eine Gefäßschädigung sein. Als Hausarzt muss ich bei solchen Beschwerden die ganze Palette möglicher Ursachen im Auge behalten: Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Zuckerstoffwechselstörungen, Atherosklerose und die Vorbeugung eines Herzinfarktes. All diese Krankheiten werden durch Hormonmangel verstärkt und durch Substitution verbessert.
Nun zu den Frauen - und hier ist die "Schatzkiste" vermutlich noch größer. Ein zentrales Beschwerdebild ist die Schlafstörung, die für mich einen krankhaften Charakter hat. Aber es gibt immer noch Ärzte, die den Frauen sagen: "Da müssen Sie durch". Das habe ich oft gehört - auch heute noch. Es gibt also Menschen, die diese Beschwerden als natürliche Befindlichkeitsstörungen abtun. Natürlich ist es ein physiologischer Vorgang, aber das heißt nicht, dass man nichts tun sollte. Ich ziehe gerne die Geburt als Vergleich heran: In der Bibel steht schon: "Unter Schmerzen sollst du deine Kinder gebären", aber das heißt nicht, dass wir dabei nicht helfen dürfen. Genauso sehe ich die Beschwerden der Wechseljahre: Sie sind natürlich, aber das heißt nicht, dass wir sie unbehandelt lassen müssen - vor allem, wenn wir wissen, wie wir sie lindern können. Neben Schlafstörungen gibt es den depressiven Symptomkomplex. Alles, was mit einer psychischen oder kognitiven Einschränkung einhergeht, ist behandlungsbedürftig.
Auch aus hausärztlicher Sicht gibt es viele Zusammenhänge: Der Hormonverlust in den Wechseljahren erhöht das Risiko für Bluthochdruck, Arteriosklerose, Schlaganfall, Herzinfarkt und Diabetes. Östrogene wirken antidiabetisch - wenn sie fehlen, entwickeln viele Frauen Diabetes. Dann gibt es noch die Osteoporose und, nicht zu vergessen, Demenz. All das sind die großen chronischen, nicht ansteckenden Krankheiten des Alters - und sie stehen in direktem Zusammenhang mit einem niedrigen Hormonspiegel. Auf die Prämenopause und die Menopause folgt die Postmenopause. Viele glauben, dass mit den Beschwerden der Hormonmangel dann vorbei ist, weil Symptome wie Hitzewallungen durch den Gewöhnungseffekt nachlassen. Doch das ist ein Irrtum. Viele Frauen denken: "Ich bin jetzt durch". Das heißt aber nicht, dass sich der Körper stabilisiert. Im Gegenteil - es geht weiter bergab. Diese Tatsache wird oft nicht erkannt, ist aber für die Gesundheitsvorsorge im Alter entscheidend.
Der Hormonverlust in den Wechseljahren erhöht das Risiko für Bluthochdruck, Arteriosklerose, Schlaganfall, Herzinfarkt und Diabetes.
Dr. Krug: Konventionell verwenden wir Serumuntersuchungen zur Hormonbestimmung. Beim Mann können wir im Serum viele Werte messen, die als relativ harte Fakten gelten. Wichtig ist jedoch, dass diese Untersuchung morgens zwischen 7 und maximal 11 Uhr durchgeführt wird, da der Testosteronspiegel eine ausgeprägte tageszeitliche Dynamik aufweist. Wer also die maximale Testosteronausschüttung erfassen will, muss früh messen. Interessanterweise betonen alle urologischen und andrologischen Fachgesellschaften, dass die sogenannte Andropause bzw. der Hypogonadismus nicht allein biochemisch bestimmt werden kann. Es gibt zwar Normwerte und einen harten Grenzwert, unterhalb dessen eindeutig von einer Störung gesprochen wird.
Darüber hinaus gibt es jedoch eine breite Grauzone, in der behandelt werden kann und sollte, obwohl keine eindeutigen Auffälligkeiten im Serum nachweisbar sind. Aus diesem Grund wird Hypogonadismus als biochemisches und klinisches Syndrom definiert. Das bedeutet, dass die Symptomatik des Mannes unbedingt berücksichtigt werden muss. Ist dieser beschwerdefrei, würde man nicht von einer Erkrankung sprechen.
Auch bei Frauen stehen Serumwerte zur Verfügung. Allerdings wird die Bestimmung des Hormonstatus von den Krankenkassen nicht mehr als Routineleistung anerkannt. Bis vor einiger Zeit konnten Frauen, die ihren Hormonstatus bestimmen lassen wollten, noch die Laborwerte für FSH und Estradiol als Standardmessung nutzen. Dabei wird das hierarchische Hormonsystem betrachtet: das Stimulationshormon (FSH) aus der Hirnanhangsdrüse und das Effektorhormon Östradiol. Diese Werte geben bereits einen guten Hinweis darauf, ob die Wechseljahre begonnen haben.
Für andere hormonelle Phasen ist diese Untersuchung jedoch nicht ausreichend. In der Prämenopause bleibt das Estradiol meist im normalen Bereich, sodass keine eindeutige Diagnose gestellt werden kann. Auch in der Perimenopause und Postmenopause reicht die Messung von Estradiol nicht aus, da es sich nicht nur um den Verlust dieses Hormons handelt. Progesteron wird schon lange vorher abgebaut, und auch Testosteron nimmt bei Frauen - ähnlich wie bei Männern - ab. Außerdem werden in den Eierstöcken spezifische Androgene produziert, die in den Wechseljahren ebenfalls abnehmen.
Die Serumdiagnostik stößt an ihre Grenzen, wenn Hormone nur in sehr geringen Konzentrationen vorliegen. Ein Beispiel ist Östradiol, das nach der Menopause nur noch in sehr geringen Mengen vorhanden ist. Gleiches gilt für Testosteron bei postmenopausalen Frauen. In solchen Fällen bietet die Serumuntersuchung nicht mehr die notwendige Differenzierung. Deshalb greife ich gerne auf eine alternative Methode zurück: den Speicheltest. Sie ist zwar nicht offiziell anerkannt, hat aber entscheidende Vorteile. Während die Hormone im Blut zum größten Teil an Eiweißträger gebunden sind (ca. 95 %), sind nur die freien Hormone biologisch aktiv, die nur 2-5 % ausmachen. Genau diese aktiven Hormone können im Speichel gemessen werden, was eine differenziertere Analyse ermöglicht.
Ein Nachteil des Speicheltests ist, dass er eben nur diese 2-5 % der freien Hormone misst, während die restlichen 95-98 % unberücksichtigt bleiben. Das bedeutet, dass der Speicheltest nicht zur Bestimmung der Menopause geeignet ist, da er nicht anzeigt, ob die Hormonproduktion insgesamt noch ausreichend ist. Sein großer Vorteil liegt jedoch in der Möglichkeit, den Hormonhaushalt, also das Gleichgewicht der Hormone, zu analysieren. Die Hormonregulation ist ein komplexes System: Östrogen und Testosteron sind in einem bestimmten Verhältnis im Gleichgewicht, ebenso Östrogen und Progesteron. Diese Wechselwirkungen lassen sich besonders gut anhand der aktiven Hormone im Speichel untersuchen. Deshalb nutze ich den Speicheltest nach wie vor als wertvolles diagnostisches Mittel, insbesondere um das Zusammenspiel der Hormone genauer zu untersuchen.
Die Serumdiagnostik stößt an ihre Grenzen, wenn Hormone nur in sehr geringen Konzentrationen vorliegen.
Dr. Krug: Bis 2002 war die Hormonersatztherapie weit verbreitet. Doch dann kam es zu einem regelrechten Einbruch: Eine große US-amerikanische Studie, die sogenannte WHI-Studie (Women's Health Initiative), wurde abgebrochen. Sie hatte 1997 begonnen und sollte untersuchen, ob die Hormonersatztherapie chronischen, nicht ansteckenden Krankheiten im Alter vorbeugen kann. Es handelte sich um eine Präventionsstudie mit 26.000 Teilnehmerinnen, die in drei Gruppen eingeteilt wurden:
Eine Gruppe erhielt eine Kombination aus konjugierten equinen Östrogenen (ein Östrogengemisch aus dem Urin trächtiger Stuten) und einem synthetischen Gestagen. Dieses Präparat war unter dem Namen "Prempro" bekannt (bei uns "Presomen comp"). Eine zweite Gruppe erhielt nur das Östrogenpräparat ("Premarin", bei uns "Presomen"). Die dritte Gruppe erhielt ein Scheinpräparat (Placebo).
Im Jahr 2002 sorgte die Studie für einen Schock: Es hieß, die Hormonersatztherapie erhöhe das Brustkrebsrisiko. Vor allem im Kombinationsarm ("Prempro") wurde ein erhöhtes Risiko festgestellt. Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und sowohl Ärzte als auch Patienten reagierten verunsichert. Viele Frauen setzten ihre Therapie abrupt ab, und auch unter den behandelnden Ärzten machte sich Unsicherheit breit: Hatten sie mit der Verschreibung von Hormonpräparaten das Brustkrebsrisiko ihrer Patienten erhöht?
Die Folge: Die Hormontherapie wurde plötzlich nur noch mit größter Vorsicht eingesetzt. Die Leitlinie lautete nun: "So wenig wie möglich, so kurz wie möglich". Doch die gynäkologischen Endokrinologen, also die Fachleute für Hormontherapie, waren skeptisch. Sie hielten die Ergebnisse für nicht repräsentativ, weil die Studie einige methodische Schwächen aufwies. Ein wesentlicher Kritikpunkt: Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmerinnen lag bei 63 Jahren. Der Grund dafür war, dass Frauen mit klassischen Wechseljahresbeschwerden ausgeschlossen wurden. Sie hätten sonst anhand der Besserung ihrer Symptome schnell erkannt, ob sie zur Hormon- oder zur Placebogruppe gehören, was die Studienergebnisse verfälscht hätte. So aber entstand eine sehr alte Teilnehmergruppe - etwa zehn Jahre älter als das typische Alter für die Wechseljahre.
In den Jahren nach 2002 wurden zahlreiche Folgestudien durchgeführt. Sie zeigten, dass Östradiol - das körpereigene Östrogen - nicht zu einem erhöhten Brustkrebsrisiko führt, sondern sogar einen gewissen Schutz bieten kann. Doch die vollständige Kehrtwende kam erst 2016: Die Autoren der WHI-Studie selbst relativierten ihre eigenen Ergebnisse. Sie erklärten, die ursprünglichen Aussagen zur Hormontherapie seien falsch interpretiert worden. Tatsächlich überwiege der Nutzen der Hormonersatztherapie die Risiken deutlich.
Wie kamen sie zu diesem Ergebnis? Die Forscher nahmen sich die Daten der 26.000 Teilnehmerinnen erneut vor und analysierten sie nach Altersgruppen: 50-59 Jahre, 60-69 Jahre, 70-79 Jahre. Dabei zeigte sich, dass das leicht erhöhte Brustkrebsrisiko tatsächlich auf den Gestagenanteil des Kombinationspräparates zurückzuführen war - und nicht auf das Östrogen selbst. In der Gruppe, die nur Östrogene (auch aus Pferdeurin) erhielt, war das Brustkrebsrisiko nicht erhöht, sondern sogar leicht reduziert. Doch während die dramatische Nachricht von 2002 weltweit für Aufsehen sorgte, blieb die Korrektur von 2016 weitgehend unbeachtet. Das Vorurteil, die Hormontherapie verursache Brustkrebs, hält sich bis heute hartnäckig in den Köpfen vieler Frauen.
Hier liegt unsere Aufgabe: aufzuklären. Denn es gibt heute Möglichkeiten, das Risiko komplett auszuschließen - zum Beispiel durch den Verzicht auf Gestagene. Dennoch begegnen wir immer wieder Frauen, die Angst vor einer Hormonersatztherapie haben, weil sie noch immer an die alten Warnungen glauben. Diese Angst ist verständlich, schließlich waren die ersten Studienergebnisse lange in den Medien präsent. Doch heute wissen wir: Östradiol erhöht das Brustkrebsrisiko nicht. Und genau diese Botschaft muss endlich in der Öffentlichkeit ankommen.
Dr. Krug: Grundsätzlich ist eine Behandlung mit Östradiol dann sinnvoll, wenn ein Mangel vorliegt - und das ist in der Regel in den Wechseljahren der Fall. Es gibt jedoch neuere Ansätze, die empfehlen, mit der Therapie so früh wie möglich zu beginnen, also schon bei den ersten Anzeichen eines Mangels. Und nicht erst, wenn die Beschwerden - zum Beispiel jahrelange Hitzewallungen - unerträglich geworden sind. Allerdings sollte die Behandlung erst beginnen, wenn der Östradiolspiegel tatsächlich gesunken ist.
Die derzeit risikoärmste Hormonersatztherapie (HRT) enthält immer Östradiol und Progesteron. Eine bioidentische Hormontherapie kann prinzipiell in jedem Alter durchgeführt werden. Zum Beispiel bei dem Thema "prämenopausalen Beschwerden". Diese entstehen durch einen Verlust an Progesteron und können durch die Zufuhr von Progesteron gut behandelt werden. Auch in der Postmenopause - also im höheren Alter - hören Frauen oft, sie seien "zu alt" für eine Hormontherapie und werden mit ihren Beschwerden nicht mehr ernst genommen. Doch während es für Östradiol tatsächlich eine Altersgrenze gibt, gilt dies für andere Hormone nicht:
Dennoch hält sich hartnäckig die Vorstellung, dass eine Hormonsubstitution nur bis zu einem bestimmten Alter möglich ist und danach nicht mehr. Diese Annahme ist so pauschal nicht richtig.
Eine bioidentische Hormontherapie kann prinzipiell in jedem Alter durchgeführt werden.
Dr. Krug: Seit 2002 gelten für die Hormonersatztherapie (HRT) die Richtlinien "as short as possible", also so kurz wie möglich. Um dies konsequent umzusetzen, wurde empfohlen, die Therapie einmal im Jahr zu unterbrechen, um zu prüfen, ob noch Beschwerden bestehen. Wenn ja, sollte die Behandlung fortgesetzt werden, wenn nicht, konnte sie beendet werden. Dieses Vorgehen war damals in der Gynäkologie üblich - und ist es bei manchen, die sich nicht weitergebildet haben, auch heute noch.
Mit der Korrektur der "Women's Health Initiative" (WHI)-Studie 2016 wurden die Leitlinien jedoch angepasst. Die WHI war eine Präventionsstudie, die nachweisen konnte, dass die Hormontherapie das Risiko für bestimmte Krankheiten senkt. Besonders bemerkenswert war, dass sogar die Gesamtsterblichkeit - unabhängig von der Ursache - gesenkt wurde. Das muss man sich einmal vorstellen: Es gibt eine Substanz, die das allgemeine Sterberisiko senkt, wenn sie über fünf Jahre eingesetzt wird. Welche andere internistische Therapie kann das von sich behaupten? Mir fällt keine ein.
Die neuen Leitlinien sind viel flexibler. Sie empfehlen, die geeignete Dosierung und Darreichungsform der HRT individuell anzupassen - sei es als Pflaster, Tablette oder in einer bestimmten Kombination. Außerdem muss die Behandlung nicht mehr mit 65 Jahren beendet werden. Diese starre Altersgrenze wurde aufgehoben und die Empfehlungen der amerikanischen Menopause-Gesellschaft im gesamten deutschsprachigen Raum übernommen. Wenn ich also weiß, dass ich mit einer Hormontherapie bestimmte Krankheiten verhindern kann, warum sollte ich damit aufhören? Dafür gibt es keinen logischen Grund.
Einige Ärzte behaupten, dass Frauen nach dem Absetzen der Hormonersatztherapie einfach später in die Menopause kommen und dann die gleichen Beschwerden erneut durchleben. Dies ist jedoch ein Missverständnis. Die Menopause selbst bedeutet das Ende der Eierstockfunktion - und dieser Prozess ist unumkehrbar. Eine Hormontherapie kann diesen biologischen Prozess nicht "aufschieben", sondern nur seine Folgen mildern. Wenn eine Frau beispielsweise mit 49 Jahren die ersten Hitzewallungen bekommt und mit der Hormonersatztherapie beginnt, muss ihr Körper keine eigenen Anpassungsprozesse durchlaufen. Das bedeutet aber nicht, dass diese Anpassung unterdrückt wird oder später nachgeholt werden muss.
Es gibt einen kleinen Teil Frauen, die noch 20 Jahre nach ihrer letzten Menstruation unter vasomotorischen Beschwerden (z.B. Hitzewallungen) leiden. Wenn diese Frauen die Hormonersatztherapie absetzen, können die Beschwerden wieder auftreten - dies betrifft jedoch nur einen kleinen Teil der Frauen, nämlich diejenigen, deren Körper sich in diesem Bereich nicht gut anpassen kann. Für diese Frauen kann eine schrittweise Reduktion der Hormondosis eine sinnvolle Strategie sein, um sie bei der Anpassung zu unterstützen. Die Vorstellung, dass alle Frauen nach dem Absetzen der Hormonersatztherapie unweigerlich wieder "in die Wechseljahre kommen", ist jedoch schlichtweg falsch.
Wenn diese Frauen die Hormonersatztherapie absetzen, können die Beschwerden wieder auftreten...
Dr. Krug: Im präventiven Bereich sehe ich keinen Grund, die Hormonersatztherapie abzusetzen. Ich persönlich bin der Meinung, dass sie bis ins hohe Alter weitergeführt werden kann - die Dosierung muss nicht immer gleich bleiben, sondern kann dem Alter angepasst werden. Ich sehe keinen Grund, auf diese Risikoreduktion zu verzichten. Ein reduziertes Sterberisiko nehme ich gerne in Kauf.
Grundsätzlich muss man zwei Dinge unterscheiden: Wenn man einmal mit einer HRT begonnen hat, spricht nichts dagegen, sie fortzusetzen. Wenn man genau hinschaut, steht das sogar zwischen den Zeilen in den Richtlinien. Ich bin ein großer Befürworter der konsequenten Fortsetzung der Prävention. Die andere Frage ist: In welchem Alter kann man überhaupt mit der Hormonersatztherapie beginnen? Hier gibt es eine Faustregel, die oft als "Window of Opportunity" oder "Goldenes Zeitfenster" bezeichnet wird. Sie besagt, dass man innerhalb von zehn Jahren nach dem Ende der Regelblutung oder spätestens mit 60 Jahren mit der Hormonersatztherapie beginnen sollte. Diese Regel wird manchmal falsch interpretiert, dient aber als grobe Orientierung.
Dr. Krug: Ein klarer Nachteil der oralen Verabreichung betrifft die Östrogene. Je nachdem, wie wir Stoffe in unseren Körper aufnehmen, unterscheiden sich ihre Metabolisierung und Verstoffwechselung erheblich. Dies wird besonders deutlich, wenn eine Substanz über die Leber aufgenommen wird. Wird Östrogen oral eingenommen, passiert es zuerst die Leber. Wenn Östrogen oral eingenommen wird, gelangt eine große Menge direkt in die Leber - und die Leber reagiert. Sie beginnt, vermehrt Bindungseiweiße (SHBG) zu produzieren, um das Östrogen zu binden und seine Aktivität zu regulieren. Gleichzeitig erhöht die Leber versehentlich die Produktion von Gerinnungsfaktoren, was zu einem leicht erhöhten Thromboserisiko führt. Dieser Effekt tritt bei der transdermalen Anwendung nicht auf, weshalb diese sicherer ist. Dies gilt insbesondere für Östradiol, wobei jedes Hormon seine eigenen Besonderheiten hat.
Anders verhält es sich mit Progesteron. Es wird bei oraler Einnahme in der Leber in ein Stoffwechselprodukt namens Allopregnanolon umgewandelt. Dieser wirkt am GABA-Rezeptor und fördert Schlaf und Angstlösung. Dies kann eine erwünschte Wirkung sein. Wenn diese nicht erwünscht ist, wäre eine transdermale Anwendung vorzuziehen. Progesteron wird häufig zur Verbesserung von Schlafstörungen und zur Angstlösung eingesetzt. Bei oraler Einnahme wird diese Wirkung durch die zusätzliche Aktivität des Metaboliten verstärkt.
Eine weitere Besonderheit liegt in der vaginalen Anwendung. Hier wird das Hormon direkt im Beckenbereich aufgenommen, was besonders vorteilhaft ist, wenn gezielt gynäkologische Erkrankungen wie Endometriose oder eine Beeinflussung des Endometriums behandelt werden sollen. Die vaginale Aufnahme ist sehr effizient und sinnvoll, wenn eine Wirkung im Beckenbereich erwünscht ist.
Die optimale Hautstelle für eine transdermale Applikation hängt vom jeweiligen Hormon ab. Bei Östradiol ist Vorsicht geboten, da es eine proliferative Wirkung hat. Es sollte daher nicht an Stellen aufgetragen werden, die für unerwünschtes Zellwachstum anfällig sind - also nicht direkt an der Brust oder am Oberarm. Es gibt Hinweise darauf, dass Östradiol im Unterhautfettgewebe gespeichert wird. Daher sind Stellen mit etwas Fett besonders geeignet, z.B. der Bauch, die Innenseite der Oberschenkel oder das Gesäß. Die in Beipackzetteln empfohlene Applikation an der Innenseite des Unterarms ist fragwürdig. Dort befinden sich große Venen, und die schnelle Aufnahme ins Blut könnte die erwünschte Wirkung über die Kapillaren unterlaufen.
Testosteron weist einige Besonderheiten auf. Das Hormon kann in Dihydrotestosteron (DHT) umgewandelt werden, was vor allem für die Prostata problematisch sein kann. Das für die Umwandlung verantwortliche Enzym (5-Alpha-Reduktase) befindet sich u.a. in den Haarfollikeln. Deshalb sollte Testosteron nicht auf behaarte Haut aufgetragen werden, da dies nicht nur zu einer verstärkten Umwandlung in DHT, sondern auch zu einem verstärkten Haarwachstum an dieser Stelle führt. Besonders bei Frauen kann dies zu unerwünschten Effekten führen.
Die Empfehlung lautet daher: Testosteron auf unbehaarten Stellen auftragen. Das ist bei manchen Männern nicht einfach zu finden, aber es gibt immer Möglichkeiten
Erst kürzlich wurde eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass die Aufnahme von Hormonen auch von der verwendeten Grundlage (Creme oder Gel) beeinflusst wird. Eine stärkere Reibung kann die Aufnahme sogar verschlechtern. Hier gibt es noch viel Forschungsbedarf, aber klar ist: Estradiol sollte auf fettgewebsreiche Stellen aufgetragen werden, Testosteron am besten auf haarlose Haut.
Je nachdem, wie wir Stoffe in unseren Körper aufnehmen, unterscheiden sich ihre Metabolisierung und Verstoffwechselung erheblich.
Dr. Krug: Der Begriff "bioidentisch" ist eigentlich unglücklich gewählt, weil er - wie viele andere irreführende Begriffe - ein falsches Verständnis transportiert. Eigentlich müsste es "humanidentisch" heißen. "Ident" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Substanz eine exakte Kopie dessen ist, was der Körper selbst produziert. Das "bio" in "bioidentisch" soll lediglich ausdrücken, dass es sich um ein Molekül handelt, das dem biologischen Vorbild entspricht. Das unterscheidet es zum Beispiel von Gestagenen, die bewusst so verändert wurden, dass sie nicht mit dem körpereigenen Progesteron identisch sind.
Diese Veränderungen wurden vorgenommen, um die Wirkungsdauer zu verlängern oder die Wirkung auf das Endometrium zu verstärken. Ein Hormon ist per Definitionem ein Stoff, der im Körper gebildet wird. Ein Gestagen ist also streng genommen kein Hormon - ebenso wenig wie eine Verhütungspille. Es handelt sich vielmehr um eine Substanz, die in den Hormonkreislauf eingreift oder hormonähnliche Wirkungen nachahmt, aber kein echtes Hormon ist.
Der Begriff "bioidentisch" beschreibt also ein Molekül, das in Struktur, Größe, räumlicher Anordnung und Rezeptorverhalten exakt dem körpereigenen Hormon entspricht. Das ist der wesentliche Unterschied zu synthetisch veränderten Molekülen, die sich in ihrer Wirkstärke und Wirkdauer unterscheiden können. Besonders deutlich wird dies bei Progesteron: Bioidentisches Progesteron unterscheidet sich grundlegend von synthetischen Gestagenen. Ein anderes Beispiel sind konjugierte equine Östrogene, die eigentlich "bioidentisch" sind - aber nur für Pferde, nicht für Menschen. Daher wäre der Begriff "humanidentisch" eigentlich zutreffender.
Die Unterschiede zwischen Pferdehormonen, synthetischen Östrogenen (wie Ethinylestradiol in der Pille) und bioidentischen Hormonen sind beträchtlich. Wenn ich mit bioidentischen Hormonen arbeite, gehe ich davon aus, dass jede Zelle in meinem Körper damit umgehen kann - weil sie diese Moleküle von Natur aus kennt. Ein synthetisches Gestagen hat noch keine Zelle gesehen, deshalb ist das Nebenwirkungsspektrum völlig anders. Streng genommen spricht man in der Bioidentologie nicht von Nebenwirkungen, sondern nur von der richtigen Dosierung.
Synthetische Hormone können auch stärker wirken, wie man es z.B. von Kortikoiden kennt, die zehnmal wirksamer sein können als die körpereigene Substanz Kortisol. Wirkstärke, Wirkdauer und Nebenwirkungsspektrum sind also nicht nur unterschiedlich, sondern zum Teil erheblich verändert. Für Verbraucher ist es nicht einfach, bioidentische Hormone zu erkennen.
Die klassische Hormonersatztherapie besteht heute aus transdermalem, bioidenten Östradiol und oralem, bioidenten Progesteron. Ein Problem sind jedoch die Beipackzettel: Es gibt eine gesetzliche Vorschrift, die besagt, dass Hersteller von Progesteron-haltigen Medikamenten alle Nebenwirkungen aller Gestagene auflisten müssen. Das führt dazu, dass in den Beipackzetteln bioidentischer Hormone oft vor einem erhöhten Brustkrebs- oder Thromboserisiko gewarnt wird, obwohl dies auf Progesteron gar nicht zutrifft. Dies führt dazu, dass Patienten verunsichert sind und unter Umständen glauben, kein bioidentisches Hormon erhalten zu haben.
Der Grund dafür liegt in einer problematischen Kategorisierung: Die Gruppe der Gestagene ist eine künstliche Einteilung, die erst seit etwa 60-70 Jahren existiert. Sie umfasst alle progesteron-ähnlichen Substanzen, wobei Progesteron als "Obergestagen" geführt wird. Das führt dazu, dass für Progesteron die gleichen Nebenwirkungen genannt werden wie für synthetische Gestagene - obwohl es in der Praxis völlig anders wirkt. Ein bekanntes Beispiel für bioidentische Progesteronpräparate sind: Utrogest, Progestan und Famenita. Die Beipackzettel dieser Medikamente sind jedoch voll von Warnhinweisen, die eigentlich nur für synthetische Gestagene gelten. Um die Patienten vor Verwirrung zu schützen, habe ich ein eigenes Informationsblatt erstellt, das ich jedem Rezept beilege. So wissen sie schon vor dem Lesen des Beipackzettels, dass viele der dort aufgeführten Nebenwirkungen für bioidentisches Progesteron gar nicht relevant sind.
Ähnliche Missverständnisse gibt es bei Östradiol. So ist zum Beispiel Östradiol-Hemihydrat, eine pharmazeutische Zubereitungsform, die lediglich eine wasserfreie Variante darstellt - die Substanz selbst bleibt jedoch bioidentisch. Auch hier mangelt es an Transparenz für die Verbraucher, sodass viele nicht erkennen, ob sie ein bioidentisches Hormon erhalten haben.
Fazit: Bioidentische Hormone sind in Struktur und Wirkung identisch mit körpereigenen Hormonen. Von synthetischen Hormonen unterscheiden sie sich grundlegend sowohl in der Wirkung als auch im Nebenwirkungsspektrum. Leider werden viele Patienten durch unklare Begrifflichkeiten und gesetzliche Regelungen unnötig verunsichert.
Dr. Krug: Die Isoflavone aus Soja und Rotklee, insbesondere Daidzein und Genistein, können in der ersten Phase der Perimenopause und in den klassischen Wechseljahren die Beschwerden deutlich lindern, in manchen Fällen sogar zum Verschwinden bringen. Neben Isoflavonen gibt es auch pflanzliche Präparate wie Cimicifuga, die in der Anfangsphase der hormonellen Umstellung unterstützend wirken können. In dieser Phase geht es vor allem um Regulation, und dabei können diese Substanzen durchaus helfen. Irgendwann geht es aber nicht mehr um Regulation, sondern nur noch um Substitution. Dann reicht es nicht mehr aus, pflanzliche Stoffe wie Genistein oder Daidzin einzusetzen, da sie keine bioidentische Substitution darstellen. In dieser Phase sind Isoflavone in der Regel nicht mehr wirksam.
Fazit: Zu Beginn der Wechseljahre können Isoflavone und pflanzliche Präparate sinnvoll sein, weil sie die hormonelle Regulation unterstützen. Wenn jedoch die körpereigenen Hormone nicht mehr produziert werden, verlieren sie in der Regel ihre Wirkung.
Dr. Krug: Es gibt nicht viele Risiken, aber eins wurde bereits erwähnt: das Thromboserisiko. Dieses wird durch die orale Einnahme von Estradiol hervorgerufen. Um dem entgegenzuwirken, wird die klassische Hormonersatztherapie (HRT) transdermal durchgeführt. Darüber hinaus gibt es im Zusammenhang mit der Thrombophilie auch die sogenannte Thrombogenität bestimmter Gestagene. Wir vermeiden dies, indem wir bioidentische Hormone verwenden und Gestagene wie Kontrazeptiva meiden. Progesteron selbst wirkt nicht thrombogen. Das heißt: Wir umgehen das Thromboserisiko durch die transdermale Östradioltherapiein Kombination mit Progesteron. Dieses Risiko ist damit ausgeschlossen.
Ein anderes Thema ist das Krebsrisiko. HRT initiiert zwar keinen Krebs - das heißt, wir machen aus gesundem Gewebe keinen Brustkrebs -, aber wenn bereits ein hormonabhängiges Karzinom besteht oder in der Vergangenheit bestanden hat, müssen wir vorsichtig sein. Steroidhormone haben einen proliferativen Effekt, der bereits vorhandene Krebszellen beeinflussen kann. Daher ist eine Hormonersatztherapie bei hormonabhängigen Karzinomen - sowohl bei Frauen (Brustkrebs) als auch bei Männern (Prostatakrebs) - ausgeschlossen. In diesen Fällen ist die Gabe von Steroidhormonen kontraindiziert, da sie das Wachstum dieser Tumoren fördern können.
Gynäkologen werden häufig geschult, das kardiovaskuläre Risiko zu betrachten. Es gibt widersprüchliche Studien darüber, ob Östrogen die Arteriosklerose verschlechtert oder verbessert. Die Lösung dieses Rätsels liegt in der so genannten "Time-Hypothese": Entscheidend ist der richtige Zeitpunkt der Hormontherapie. Wird Estradiol früh, d.h. direkt in der frühen Menopause – Definition: ein Jahr keine Regelblutung - eingesetzt, hat es einen schützenden Effekt auf das Herz-Kreislauf-System. Wird die Hormonersatztherapie jedoch später als 10 Jahre nach Menopause begonnen, kann der schützende Effekt ausbleiben oder sich sogar ins Gegenteil verkehren. Daher würde ich bei Frauen, die einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben, vorsichtig mit der Hormonersatztherapie beginnen. Eine Sekundärprophylaxe ist mit der HRT nicht möglich, und das Risiko einer Verschlechterung ist nicht abschätzbar. Dies gilt jedoch nur für Östradiol im Zusammenhang mit Arteriosklerose.
Auch bioidentische Hormone können überdosiert werden. Auch wenn die Nebenwirkungen geringer sind als bei synthetischen Hormonen, ist die Dosis entscheidend. Früher wurde die Hormonersatztherapie sehr hoch dosiert, heute wird deutlich niedriger dosiert. Wir wissen nicht genau, welche Langzeitfolgen z.B. eine zu hohe Östradiolgabe hat.
Entscheidend ist der richtige Zeitpunkt der Hormontherapie.
Dr. Krug: Die Suche nach dem richtigen Spezialisten kann schwierig sein. Im kassenärztlichen Bereich sollte man gezielt nach gynäkologischen Endokrinologen suchen. Männer sollten sich nicht an einen Urologen wenden, sondern an einen Andrologen, der auf männliche Hormone spezialisiert ist. Wer explizit eine bioidentische Hormontherapie sucht, kann sich an speziell ausgebildete Spezialisten wenden. Ich bilde selbst Hormoncoaches aus und habe eine Liste aller von mir ausgebildeten Experten auf der Website hormoncoach.com. Dort kann man gezielt nach Experten suchen.
Dr. Krug: Ob die Krankenkasse die Kosten für eine Hormontherapie übernimmt, hängt von der Indikation ab: Die klassische Hormonersatztherapie bei Frauen in den Wechseljahren wird in vielen Fällen erstattet. Bei Männern wird Testosteron nur übernommen, wenn ein medizinisch nachgewiesener Testosteronmangel (Hypogonadismus) vorliegt. Viele Anwendungen der bioidentischen Hormontherapie sind jedoch "off-label" und werden von den Krankenkassen nicht erstattet. Dazu gehören z.B. der Einsatz von Hormonen als Neurosteroide oder die Behandlung von Beschwerden vor den Wechseljahren. Progesteron wird bei bestimmten Indikationen (z.B. Gelbkörperschwäche) erstattet, nicht jedoch bei Schlafstörungen oder Angstzuständen. Die Kosten für die Präparate selbst sind relativ überschaubar:
Außerdem müssen Laboruntersuchungen in der Regel privat bezahlt werden. Eine bioidentische Hormontherapie ist daher in vielen Fällen keine Kassenleistung.
Fazit: Viele Menschen sind bereit, viel Geld für einen schönen Urlaub auszugeben - aber Gesundheit ist mindestens genauso wichtig. Die Investition in die eigene Gesundheit sollte ebenso selbstverständlich sein.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 13.03.2025.